Wirtschaftswurm-Blog

Wie man die Eurozone verlässt – Grundlagen

Focus Money macht mit dem Titel auf „In 18 Monaten ist der Euro kaputt“. Selbst auf öffentlich-rechtlichen Seiten, bisher lediglich Quelle von Euro-Durchhalteparolen, liest man: „Deutschland muss über Euro-Austritt nachdenken„. Da wird es Zeit, sich einmal mit dem Plan von Roger Bootle und seinen Mitarbeitern zu beschäftigen.

Der Bootle-Plan, wie ich ihn mal nenne, gewann im Juli den mit 250.000 Pfund dotierten Wolfson Economics Prize. Nach Ansicht der Jury war er die beste Eingabe zur diesjährigen Fragestellung. Und die lautete:

If member states leave the Economic and Monetary Union, what is the best way for the economic process to be managed to provide the soundest foundation for the future growth and prosperity of the current membership?

In den deutschen Medien wurde der Plan bisher wenig beachtet. Das lag wohl am Unwillen vieler, sich mit den Konsequenzen eines Austritts aus der Eurozone oder eines Zusammenbruchs der Eurozone auseinanderzusetzen. (Nicht allerdings hier im Blog.) Es lag aber auch daran, dass sich der Bootle-Plan betont unspektakulär gibt.

Auch Roger Bootle hat keinen neuen Trick, keinen Kniff gefunden, mit dem man sanft und ohne Nebenwirkungen die Währungsunion verlassen kann. Genau genommen hat er auch gar nicht danach gesucht. Sein Plan beruht auf einer Analyse etablierter Wirtschaftstheorien und historischer Erfahrungen.

Denn anders, als es manchmal dargestellt wird, wäre ein Austritt aus der Eurozone kein absolutes Neuland. Man muss sich nur klar machen, dass so ein Austritt, (wenn er von einem schwachen Staat wie Griechenland kommt) gedanklich aus zwei Schritten besteht:

  1. Einführung einer neuen Währung
  2. Abwertung der Währung

Vergleichbare historische Vorbilder für Schritt eins gibt es mit der Auflösung der Währungsunion zwischen Tschechien und der Slowakei oder der Auflösung der Rubelzone nach dem Zerfall der Sowjetunion, beide in den 90er Jahren. Auch die Erfahrungen nach dem Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie hat Bootle studiert.

Auch für Schritt zwei, für Abwertungen, selbst große Abwertungen, gibt es historische Vorbilder. Bootle nennt Argentinien 2001/02, Russland 1998 oder Thailand und Malaysia 1997. Zudem gibt es hierzu etablierte Wirtschaftstheorien.

Die Einzelschritte des Bootle-Plans werde ich in einem weiteren Artikel darstellen. Vorweg aber noch zweierlei:

  1. Schritt eins, die Einführung einer neuen Währung, hat aller Erfahrung nach keine weiteren makroökonomischen Konsequenzen und auf Schritt zwei, die Abwertung, folgt meistens recht bald ein Wirtschaftsaufschwung. Auch die Folgen für die starken Länder, die in der Währungsunion verbleiben, wenn die schwachen austreten, sind laut Bootle keineswegs nur negativ. Konkret würden die deutschen Konsumenten profitieren, die deutschen Unternehmen dagegen verlieren. Die negativen Folgen können durch politische Gegenmaßnahmen  ausgeglichen werden.
  2. Eine wirtschaftlich optimale Währungsunion besteht laut Bootle lediglich aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich und Finnland. Aufgrund der Umstellungskosten mag es wünschenswert erscheinen, weitere Länder in der Eurozone zu behalten. Dies würde jedoch die Spekulationen an den Finanzmärkten nicht zur Ruhe kommen lassen, so dass es sinnvoller sei, gleich auf den „Nordeuro“ zuzusteuern.

Fortsetzung:


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13 Kommentare

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  2. Das Häschen sagt

    Danke für den Artikel und das referenzierte Dokument ‚Leaving the Euro: A Pracitcal Guide‘.

    Eines Vorweg – Die öffentliche Diskussion über Austritt ist politisch Instrumentiert und geprägt von Konkurrenz Vokabular und einer materialistischen Weltsicht. Das ist nicht weiter verwunderlich, wohl aber sehr begrenzt zielführend. Ich möchte das Thema Austritt anderes formulieren –

    Erster kleiner Schritt in ein an Kooperation orientiertem Europa. Kooperative Strukturen Wachsen, über lange Zeiträume. So ist es nicht verwunderlich, dass Nachbarländer untereinander regeren Handel betreiben …

    Vereinigung der Völker über den Euro?

    EUR sagt allein aus, wenn wir mit der Welt Handel treiben, dann sei folgendes Tauschverhältnis jenes, sodass das Gleichgewicht zwischen regionaler Produktion und Ergänzung des Produktangebots durch internationale Produkten gewahrt bleibt.

    Daraus folgt für mich, die Möglichkeit abzuwerten sei das friedensstiftende Element, es sorgt für Harmonie in einer Region. Aufgabe ist – finde die harmonisierenden Regionen. Wer Marktwirtschaft will, der kommt nicht umhin.

    Wären wir einem halbwegs intaktem Frühstadium des Kapitalismus wäre die Idee der Einigung über die Währung vermutlich verbunden mit einer sich über regionale Grenzen ergänzende Wirtschaft. Das Modell heute, Investmentbanken investieren und versuchen kurzlebige Ponzisyssteme systematisch aufzusetzen, das Überlagern des Wachstums führt zu einer Regionalen Blase die dann platzt, wie im Falle von Spanien. Man darf ja der Deutschen Regierung nicht vorwerfen für die zu generierenden Ponzi Systeme billige Arbeitskräfte bereitzustellen. Sie versuchen ja allein von der in Europa ausprobierten Variante des Kapitalismus in Form von Sozialer Marktwirtschaft zu retten was noch zu retten ist. Aber wer bitte kam auf die Idee, dass sich irgendwann einmal Institution herausbilden die Ansehen genießen virtuell wertlose bunte Zettel zum Güteraustausch zu horten und zu vermehren. 0 * was auch immer, wird nicht mehr. Das ist kein Businessmodell. Man zahlt sie dann dafür in virtuellen Bunten Zetteln, was man als ausgleichende Gerechtigkeit könnte empfinden. Aber, ob das viel bringt. Die Bereitstellung der bunten Zettel zur rechten Zeit am rechten Ort, das ist ok. Vorteil des Trennbankensystems … die schöpfende Kraft der Bunten Zettel wird von der dunklen Seite getrennt.

    Wolle man ein Symbol genügte den Badepantoffel des Herrn Draghi auf einen Besenstiel geheftet im Fernsehen zu zeigen mit der Aufforderung – Glaubt daran. Der hätte sogar einen Materialwert.

    Die Kunst besteht darin, harmonische Wirtschaftsräume zu finden, die sich im Produktangebot ergänzen. Kurz gesagt, nach dem ersten Schritt folgt dann die Schaffung eines oder mehrerer Wirtschafts- und Währungsräume die dem harmonischen Güteraustausch dienen. Dazu gehört genauso die fröhliche Kuh auf der Weide besser auf der Wiese, Menschen die keine Angst haben müssen im Winter im Zelt zu wohnen und zu frieren und die Produktion von Gütern durch körperlich und geistig gesunde Menschen für genauso gesunde und fröhliche Menschen und andere Wesen. Das positive Mitwirken an der Gesellschaft, egal ob bei der Schöpfung/Schürfung und Kombination von Materialien oder immateriell das kann sich keiner sparen. Variantenreiche Bewirtschaftung unterschiedlicher Regionen statt Variation monotoner Sauwirtschaft.

    Ich denke Pflanzen großzuziehen anstatt in der Bank mit grantigen gestressten Kunden über den Zins zu verhandeln ist bestimmt sinnstiftender und erfüllender. Dann gibt es halt eine Draghi Tulpe im materiellen Sinn und im Garten kann man auch mit den Badepantoffeln arbeiten.

  3. Wirtschaftswurm sagt

    @ Das Häschen
    „Die Kunst besteht darin, harmonische Wirtschaftsräume zu finden, die sich im Produktangebot ergänzen.“ – Vielleicht solltest du dich mal mit der Theorie optimaler Währungsräume beschäftigen. Da werden ja Kriterien für die Einführung einer gemeinsamen Währung genannt. Da es mehrere Kriterien gibt, die man zueinander in Beziehung setzen muss, ist die Anwendung allerdings immer auch Interpretationssache. Klar ist nur, dass der Euroraum zu groß für einen optimalen Währungsraum ist. Ansonsten mag jeder glücklich werden, so wie es ihm beliebt.

  4. Guenni7 sagt

    Also man kann sicherlich viel über optimale Währungsräume diskuttieren,
    oder Austritte aus dem jetzigen Währungsverbung,
    aber Fakt ist doch, das die Verstrickungen unter den Ländern so groß sind, das es allerhöchstens einen Austritt Griechenlands geben wird (weil unbedeutend), alles andere hätte so katastrophale Folgen, daß dies niemals geschehen wird.
    Stattdessen wird der Euro solange weichgeklopft, bis auch die schlechteste Wirtschaft eines Landes damit klar kommt. Wir Deutschen werden uns halt darauf einstellen müssen.

  5. Wirtschaftswurm sagt

    @Guenni7,
    aber man sollte doch zumindest untersuchen, ob es nicht bessere Alternativen gibt. Die große ESM-Koalition in Deutschland ist schrecklich. Wenn Griechenland tatsächlich austritt und dadurch wieder wirtschaftliche Erfolge hat, wird die Diskussion auch eine andere Richtung bekommen.

  6. Guenni7 sagt

    @Wirtschaftswurm

    JA, man sollte das untersuchen, so wie man auch alle anderen Szenarien untersuchen sollte.
    Man sollte immer Alles untersuchen und immer einen Plan-B haben.

    Das heißt aber nicht unbedingt, das solche „Szenarien“ wünschenswert währen.

    Der „optimale Währungsraum“ mit Zitat „Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Österreich und Finnland“ z.B. wäre heute ein optimaler Währungsraum. Aber wie sähe es morgen, übermorgen, in zehn Jahren aus? Wird Belgien z.B. dann noch „dazugehören“?
    Was, wenn die Niederlande eine wirtschaftliche Talfahrt hinlegen? Rausschmeissen??

    Die ganze Argumentation bezüglich des Ausschlusses aus dem Euro bzw. eines Nord-Euro leidet ganz arg am zeitlichen Horizont, den die Vertreter dieser „Lösungen“ haben. Vor ein paar Jahren währen die Befürworter des „Nord-Euro“ bestimmt ganz scharf auf Irland und auch Island gewesen. Und heute? Vor allem aber: und morgen?

    Man kann eine Währungsunion nun mal nicht „nach Tagesform“ aufstellen, da müssen schon andere Kriterien herangezogen werden.

    Europa hat sich entschieden, eine Währung zu haben. Damit ist es nun an der Zeit, das die Staaten Europas sich an die Währung anpassen. Das wurde in der Vergangenheit versäumt. Manche Staaten haben den Euro genauso benutzt wie Peseta oder Drachme. Das funktioniert halt nicht. Allerdings hat Deutschland den Euro auch benutzt wie die Demark, das funktioniert genausowenig. Man wird sich (und wir reden hier über den Wert des Euros) wohl irgendwo in der Mitte treffen müssen.

    Das ist aber alles weniger destruktiv als wenn ein Mitgliedsstaat den Euro verläßt, denn dann geht es an den Finanzmärkten so richtig rund.

    Der Grundfehler, den ich sehe, ist der Bruch von Mastricht. Griechenland hätte sich zahlungsunfähig stellen müssen, auch wenn viele Banken und Versicherungen damit Verluste hätten tragen müssen. Dann wäre Grieschenland ein lokales Ereignis geblieben, und die „Schuldenkrise“ hätte niemals diese Form angenommen.

  7. Wirtschaftswurm sagt

    @Guenni7,
    „Was, wenn die Niederlande eine wirtschaftliche Talfahrt hinlegen? Rausschmeissen??“ – Gute Frage. Eine flexible Währungsunion, bei der die Staaten ein- und wieder austreten, wurde auch schon mal vorgeschlagen. Der Bootle-Plan gibt allerdings (indirekt) eine andere Antwort. Warte also die Fortsetzung ab, die ich noch heute veröffentlichen werde.

    „Vor ein paar Jahren währen die Befürworter des “Nord-Euro” bestimmt ganz scharf auf Irland und auch Island gewesen.“ – Nein, Irlands Wirtschaft lief seit Euroeinführung ganz klar in einem anderen Takt als die deutsche gemessen an Wachstumsraten wie Inflation.

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  9. Guenni7 sagt

    „Nein, Irlands Wirtschaft lief seit Euroeinführung ganz klar in einem anderen Takt als die deutsche gemessen an Wachstumsraten wie Inflation.“

    Öhm, Irland war der TIGER unter den europäischen Staaten bis zur Krise.
    Sämtliche Indikatoren für Irland gingen straight up.
    Wachstumsrate und Inflation sind auch verschiedene Dinge, „Wachstumsraten wie Inflation“ macht daher nicht viel Sinn. Was wolltest Du sagen?

  10. Wirtschaftswurm sagt

    „Was wolltest Du sagen?“ – In einem „anderen“ Takt heißt nicht unbedingt, in einem langsameren Takt. Zur Inflation in Irland habe ich unter „War der Euro wirklich so stabil“ mal was geschrieben. Zitat: „Anders sieht es in Irland aus. Seit Einführung des Euros lag die Preissteigerung hier nie innerhalb des EZB-Zielkorridors.“ Auch die Wachstumsraten in Irland passten überhaupt nicht zu denen in der Kerneurozone, eben weil sie viel höher waren. Darum hätte Irland eine sehr viel restriktivere Geldpolitik gebraucht. Eine solche Geldpolitik hätte die Blase im irischen Bankensektor verhindern können und damit auch die nachfolgende irische Krise. Dummerweise hätte eine solche Geldpolitik dann in anderen Ländern zur Krise geführt, das ist ja das Dilemma der gemeinsamen Währung.

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