Wirtschaftswurm-Blog

„Geordneter“ Ausstieg aus der Eurozone? – Die wirtschaftliche Seite

Macht die Forderung der Partei Sinn, oder handelt es sich um gefährliche Anti-Europa-Politik?“ Diese Frage zur Alternative für Deutschland (AfD) stellt Focus-Chefredakteur Jörg Quoos im heute erschienen Heft. Die angekündigte Analyse ist dann aber schwach und geht auf volkswirtschaftliche Fragen gar nicht ein. Darum hier im Blog meine Analyse als Ergänzung (nein besser als Ersatz) zur Focus-Titelgeschichte.

Immerhin erläutert AfD-Vorsitzender Bernd Lucke im Focus-Interview sein Konzept für den Euroausstieg. Lucke möchte die jetzige Währungsunion durch einen Ausstieg der Südländer (einschließlich „wahrscheinlich“ Frankreichs) beenden. Dabei geht er von einer vier- bis fünfjährigen Übergangsphase aus, in der diese Länder neben dem Euro eine neue, eigene Währung parallel benutzen.

Ob Deutschland ein solches Konzept politisch in der EU durchsetzen kann, habe ich mich bereits im Beitrag „‚Geordneter‘ Ausstieg aus der Eurozone? – Die politische Seite“ gefragt. Mit den heutigen EU-Institutionen schien mir das so gut wie unmöglich.

Ergänzen möchte ich allerdings, dass sich Luckes Parallelwährungen automatisch vor Ort, auch ohne Segen aus Brüssel, entwickeln können. Wenn nämlich keine weiteren Hilfen an die Südschiene fließen, stehen die dortigen Staaten vor dem Problem, wie sie Gehälter und andere Ausgaben bezahlen. Aus der Not heraus werden sie dann wohl beginnen, neue, bunte Zettelchen zu drucken, mit denen sie bezahlen. Wie „geordnet“ so ein Weg ist, das zu beurteilen, überlasse ich mal anderen.

Mit dem Konzept der Parallelwährung selbst habe ich mich mal im letzten Jahr auseinandergesetzt („Soll Griechenland nur halb aus dem Euro raus?“). Und auf die Probleme einer Parallelwährung, die ich damals sah, hat auch Lucke keine Antwort.

Der große Vorteil einer Parallelwährung ist, dass die Konten nicht umgestellt werden, die Sparer in den Südländern also ihre Euros behalten können. Und damit besteht kein Anlass zu einer Kapitalflucht.

Wenn aber Guthaben in Euro bestehen bleiben, müssen auf der anderen Seite auch die Schulden in Euro bestehen bleiben, ansonsten sind die Banken sofort pleite. Die Unternehmen und Privathaushalte hätten damit Schulden in einer Hartwährung, bekommen aber ihre Einnahmen in den Südländern nur noch in den neuen Weichwährungen. Viele würden darum unter der Schuldenlast zusammenbrechen.

Lucke setzt darauf, dass die Wirtschaft der Südländer nach der Einführung der Parallelwährungen schnell anspringen wird. Denn da die Unternehmen dann z.B. ihre Löhne größtenteils in Weichwährung bezahlen, bekommen sie einen großen Wettbewerbsvorteil. Die historische Erfahrung mit Währungsabwertungen gibt ihm Recht.

Das Problem: „Schnell“ wird meist nicht schnell genug sein. Die Hartwährungsschulden der Unternehmen belasten nämlich nicht nur schnell, sondern sofort.

Aus ebensolchen Gründen haben auch Roger Bootle und sein Team das Parallelwährungskonzept ausgeschlossen, als sie ihren Plan für einen Euroausstieg vorlegten. Statt langer Übergangsfristen wollten sie eine schnelle und komplette Währungsumstellung, möglichst an einem Wochenende. Dieser Bootle-Plan gewann dann auch den mit 250.000 Pfund dotierten Wolfson Prize für das beste Ausstiegskonzept aus der Eurozone.


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32 Kommentare

  1. Andreas sagt

    Sicher kann man die Zahlung von Hilfstranchen (die ja keine Geschenke, sondern Kredite sind) mit noch größerem Druck als ohnehin schon verbinden, also mit der Forderung nach einem “geordneten” Euro-Austritt. Dass es ihn dann im Ergebnis in geordneter Form geben wird, ist aber eine Illusion.

    Zum ersten: In dem Moment, in dem der Euro-Austritt einzelner Staaten auf dem Verhandlungstisch liegt, werden diese sich nicht mehr refinanzieren können. Betroffene Staaten und Banken sind im gleichen Moment pleite. Der angedachte Drohmechanismus “Verweigerung von Hilfstranchen” wird damit pulverisiert, denn das Ausmaß der notwendigen Hilfstranche würde im Moment der Ankündigung einer Verhandelbarkeit des Euro-Austritts so hoch werden, dass sie ohnehin niemals geleistet werden könnte.

    Zum zweiten: Jeder Übergang auf eine niedriger bewertete eigene Währung würde für die austretenden Staaten und ihre Unternehmen bedeuten, dass die in Euro bewerteten Schulden realistischerweise niemals mehr bezahlt werden können. Es käme zu einem massiven Default, der auch das Bankensystem der Kernstaaten sowie alle anderen Institutionen mit Forderungen an die Krisenstaaten – Bundesbank, EZB, einzelne Staaten – mit in den Abgrund reißen würde.

    Letztlich könnte der Euro-Austritt für die Krisenstaaten durchaus eher positive Wirkungen haben. Sie wären von heute auf morgen Wettbewerbsfähig und wären einen großen Teil ihrer Schuldenlast los – denn niemand wird sie zwingen können, diese bis zum Sankt Nimmerleinstag zurückzuzahlen. Der große Verlierer wäre Deutschland, das enorme Vermögenswerte abschreiben könnte und seine Wettbewerbsvorteile einbüßen würde. So argumentieren ja auch in gewollt zynischer Weise Soros und Münchau: Wer nicht lösen will, muss fühlen.

    Die im Grunde nur aus ideologischen Argumenten abgelehnten Eurobonds, die uns im Verhältnis zu einem Euro-Zusammenbruch beinahe nichts kosten würden, scheinen mir da die bessere Lösung zu sein. Sie lassen offen, ob wir jemals für die Schulden anderer Staaten zahlen müssen. Ein Euro-Austritt hingegen wird mit Gewissheit massive Forderungsausfälle nach sich ziehen.

  2. Pingback: Kleine Presseschau vom 22. April 2013 | Die Börsenblogger

  3. Buntu sagt

    Die Situation mit den „bunten Zettelchen“ gab es schon mal in der Geschichte. Nachdem die Bewohner der Insel Guernsey ihre Schulden, bei englischen Banken, nicht mehr begleichen konnten, wurde 1815 von der Inselverwaltung eine Parallelwährung eingeführt. Gouverneur Daniel de Lisle Brock ließ zunächst 4000 „falsche“ Pfund drucken, um damit eine Markthalle zu bauen… Die Restschulden an England konnten übrigens auch beglichen werden.
    Sicher ging es um andere Summen und das Inselgeld war von der Inselverwaltung in Umlauf gesetzt und nicht von Banken geliehen, aber wo ein Wille ist, findet sich auch ein Weg.

  4. wolfgang sagt

    In der Regel wird ein Hauruck-Ausstieg besser sein. Ansonsten drohen diverse Manöver zum Ausnutzen der Währungsreform.

    Entscheidend ist, dass die Regierung ein Konzept hat, welche Forderungen und Verbindlichkeiten mit aus dem Euro genommen werden und welche nicht. Mir erscheint es am Besten, nur die laufenden Forderungen, Verpflichtungen, Umsätze, Löhne, Gehälter und Steuerzahlungen aus dem Euro mit zu nehmen. Bestandsforderungen und Schulden sollten für ca. 1 Jahr im Euro bleiben. Danach könnte die DM konvertierbar werden und den Rest regelt der Markt.

  5. Ralph Metzger sagt

    Lieber Wirtschaftswurm,

    ich beobachte seit geraumer Zeit, wirtschaftsorientierte Blogs, ohne selbst VWL oder BWL studiert zu haben.

    In der Mehrheit sehen die meisten Blogs ein Scheitern des EURO. Denn wenn die Spar – Politik weiter fortgeführt wird, gibt es politische Konsequezen zu bewältigen, dann liest eh keiner mehr Eure Blogs.
    Also basht bitte nicht rum, sorry Wirtschaftswurm, ich meine selbstverständlich die anderen Blogger auch, sondern schaut Euch nach Alternativen um. Bestimmt habt Ihr ja alle schon Alternativen durchanalysiert.

    Ich bin gerade dabei das neue Buch von Hankel zu lesen. Kann es sein, dass ein alter Mann vielleicht ne Lösung hat ?

    Bin gespannt auf eine Antwort.

    Beste Grüße Ralph
    (Basispirat)

  6. . Die Bundesbank kann genauso wie die Schweiz einen 1 : 1 Kurs für einen festgelegten Zeitraum garantieren, danach ein täglicher gleichmässiger Anstieg um ein geringeren Zinssatz als eine Investition in den restlichen Euroländern bringen würde. Spekulanten müssten dann gegen die Bundesbank spekulieren, die beliebig viele Mark drucken könnte. aber wahrscheinlich nicht müsste. Die Schuldeb würden natürlich weiterhin in Euro bestehen bleiben.
    Sicherlich ist das jetzt kein völlig ausgereifter Plan, aber ein geordneter Ausstieg ist machbar ohne übermässige Verwerfungen und der Rest von Euroland würde von einem Austritt Deutschlands auch profitieren.
    Wenn gegen Verträge verstossen wird, ist das inzwischen sowieso egal.

  7. Mir ist schleierhaft wie hier den neoliberalen Abzockern nach dem Mund geredet wird.

    Für mich sind Lucke und seine Spiessgesellen die nationalistischen Betonköpfe des Ausbeuterkapitalismus. Die Euro Austrittsdebatte hat nichts mit ernsthafter Wirtschaftspolitik zu tun, sie ist reiner Populismus.

    Die AfD ist für mich Vergleichbar mit den Korrupten österreicheinschen Gegenstücken FPÖ oder „Team Schronach“ wo schon der Name ähnliche verarsche ist wir der der AfD.

    Nach den Prämissen des Herrn Lucke wären die „neuen Bundesländer“ die ersten die aus der Eurozone geworfen werden müssten. Da sie aber nationalistisch verblödet sind wird das so nicht gesagt.

    Diese Bande reicher alter Säcke will zurück in eine Zeit in der das ungebremsten Wachstum (der Vermögen) nicht durch unangenehme Nebenwirkungen begleitet wurde.

    Diese Nebenwirkungen werden Ausgeblendet. In der manischen Scheinrealität der AfD existieren keine Ressourcenkrise und kein Klimawandel.

    Armut ist in ihrer Weltanschauung ein selbstverschuldetes Schicksal fauler Minderleister meist Ausländischer Herkunft. Ganz nach ihrem Gott Hayek dürfen Arme gerne Verrecken da ja nur der Reiche zählt. Dier halbe Vorstand ist Mitglied der „Friedrich August von Hayek Stiftung“, was bitte ist das für eine Alternative??????
    Statt Neoliberalismus noch mehr Neoliberalismus????

    „Wenn jemand existenziell bedroht ist, sollte er die Möglichkeit haben, sich und seine Familie durch den Verkauf von Organen zu finanzieren.“;
    Sagt Peter O. Oberneder, Prof. der Wirtschaftswissenschaft, Mitbegründer der AfD, der für eine Liberalisierung des Organhandels eintritt. Was ist von solchen Marktradikalen zu erwarten?

    Die einfache Ursache der Krise ist die Anhäufung von Vermögen alter Säcke auf kosten der arbeitenden Bevölkerung. Die Ideologen des Ausbeuterkapitalismus haben mit der AfD eine Partei gegründet deren erklärtes Ziel ist diese Verhältnisse zu zementieren.

    Wer ernsthaft glaubt man könnte die Krise anders in den Griff bekommen als dass man ernsthaft den Reichtum der Multimillionäre – Millardäre angeht der lebt im ideolgischen Wahn. Äusserungen der AfD leute daran etwas drehen zu wollen halte ich nicht für Glaubwürdig, wenn man sich ihre bisherige geschichte und Äusserungen zu Gemüte führt.

    Die Unfähigkeit der Handelnden politischen Akteure in der EU ist wiederum auf die unsinnige Konstruktion der EU als Schlachtfeld nationaler Einzelinteressen zurückzuführen.

    Das Auslaufmodell ist nicht die EU sondern der Nationalstaat. Die demokratische Einrichtung der EU ist wohl klrare Weise das von Lucke so kritisierte EU – Parlament und nicht die Willkürlich aus ausgemusterten Politikversagern (Öttinger …) zusammengeschusterte EU-Kommission

    Euro Austrittsforderungen der AfD sind populistischer, reaktionärer, nationalistischer Müll. Die Zukunft Europas kann nur in der überwindung der Nationalstaaten und in einem solidarischen Europa der Regionen liegen. Alles andere ist Rückwärtsgewand.

    Alternative und umlaufgesicherte Regionalwährungen hielte ich allerdings für eine gute Idee um lokale Wirtschaftskreisläufe zu fordern. Auf nationaler Ebene wie Lucke das Fordert ist das mMn ist das ebenfalls populistischer Kram.

  8. sfdsfdaf@sfdsfdaf.com sagt

    Die AfD ist der Versuch der Machthaber in Deutschland, Leute, die etwas ändern wollen in die Irre zu führen. Der engagierte Bürger soll glauben, AfD würde von den Blockparteien CDUSPDusw. bekämpft. Wenn er AfD wählt, kann dieser Bürger seine Stimme keiner Partei mehr geben, die wirklich seine Interessen vertritt. Der Name ist passend gewählt: es ist eine Alternativpartei für die „Deutschland AG“, d.h. für Allianz, Deutsche Bank und Volkswagen. Für den Bürger ist es aber nur eine weitere Wahlmöglichkeit, die ihre Politik gegen die Bevölkerung machen wird. Wer’s nicht glaubt, kennt die Lebensläufe und Geisteshaltung der AfD-Hauptfiguren nicht.

  9. Wirtschaftswurm sagt

    @AlienObserver,
    Politikern Populismus vorzuwerfen, finde ich ziemlich müßig. Alle Politiker müssen populistisch sein, das heißt Sachverhalte vereinfachen.
    Die neuen Bundesländer haben uns übrigens 1,5 Billionen € gekostet. Dass man so viel jetzt nicht noch einmal bezahlen will, dazu muss man nicht „nationalistisch verblödet“ sein.
    Ressourcenkrise und Klimawandel haben nichts mit dem Euro zu tun.
    Was das Sozialprogramm der AfD anbelangt, so scheint mir da noch alles offen. Es ist nicht gesagt, dass Leute wie Adam, die auch schon mal damit symphatisieren, Arbeitslosen das Wahlrecht zu entziehen, sich durchsetzen.

  10. Ktrd sagt

    Was für eine Gemengelage.
    Schwierig darin die Argumente zu finden. Wie eben in der ganzen Deutschland-Euro-Diskussion.
    Ich möchte, dass der Euro bleibt und wir *die dadurch entstandenen Probleme* auf europäischer Ebene lösen: ein schwierigerer Weg, als ursprünglich erhofft. Dennoch ist mir dieser Weg wesentlich lieber als aus dem Euro auszutreten und dann *die dadurch entstehenden Probleme* nationalstaatlich zu lösen. Wobei wir in Europa auch ohne Euro starke Abhängigkeiten mit den anderen europäischen Staaten haben, die es uns kaum erlauben werden ohne die anderen zu handeln oder auch nur zu planen.
    Es ist ist vielleicht tatsächlich mehr eine politische als eine wirtschaftliche Frage. Wie AlienObserver oben im revolutionären Überschwang -:) formuliert hat, ist die Rückkehr zu den Nationalstaaten eher rückwärtsgewandt und die europäische Einigung eher auf die Zukunft ausgerichtet.
    Politisch ist die Frage aus meiner Sicht deshalb, weil in beiden obigen Fälle die Aufgabe lautet:
    „die dadurch entstehenden Probleme zu lösen“ (mit den EU-Staaten innerhalb der EU)
    oder
    „die dadurch entstehenden Probleme zu lösen“ (mit den EU-Staaten, aber außerhalb der EU, als halb-unabhängiger Nationalstaat.
    Kann mir jemand schlüssig erläutern, dass die erst Aufgabenstellung wirklicher komplizierter und befriedigender sein soll als die zweite?

    Die beiden Zitate aus obigen Kommentaren: „Sagt Peter O. Oberneder, Prof. der Wirtschaftswissenschaft, Mitbegründer der AfD, der für eine Liberalisierung des Organhandels eintritt.“ und
    „Es ist nicht gesagt, dass Leute wie Adam, die auch schon mal damit symphatisieren, Arbeitslosen das Wahlrecht zu entziehen, sich durchsetzen“

    sind vom Inhalt – falls man sie so der AfD mit zuschreiben kann – ziemlich geschmacklos. Man muss wissen, wann es nicht mehr um Wirtschaft geht, sondern um Ethik.

  11. Ktrd sagt

    Sorry, dass hier viele Schreibfehler drin sind, es fehlt mir ein bisschen die Korrekturfunktion. Werde das zukünftig anders lösen.

    Im viertletzten Abschnitt muss es natürlich heißen: „Kann mir jemand schlüssig erläutern, warum die erste Aufgabenstellung wirklicher komplizierter und UNbefriedigender sein soll als die zweite?“

  12. Wirtschaftswurm sagt

    „ist die Rückkehr zu den Nationalstaaten eher rückwärtsgewandt und die europäische Einigung eher auf die Zukunft ausgerichtet.“ – Das ist eine Wertung, kein Fakt. Ansonsten geht es doch der AfD darum, die Probleme europäisch zu lösen und gemeinsam den Euro aufzulösen. Da kann man höchstens Zweifel haben, dass das funktioniert. Ich glaube ja, das einseitige Schritte notwendig sein werden.

  13. Andreas sagt

    Aus ökonomischer Sicht ist eigentlich nur entscheidend, welche Lösung die am wenigsten kostspielige ist. Bei der AfD, ihren Äußerungen und ihrem Programm nach, sehe ich keine Diskussion dieser Frage. Da ähneln sie schon sehr den Piraten: „Stellen wir mal ein paar Forderungen auf und die Experten sollen das dann lösen“. Historische Beispiele aus dem 19. Jahrhundert, wie sie gern für die Auflösung einer Währungsunion angeführt werden, helfen da auch nicht weiter. Es steht ja eigentlich nicht zur Debatte, dass man den Euro technisch abwickeln könnte. Aber jede Überlegung, was die Folgen wären – selbst wenn man es in vorbildlich „demokratischer“ Manier über Nacht tun würde – führen doch dazu, dass die europäischen Ökonomien, und vermutlich nicht nur sie, in eine werweißwielange Phase völlig dysfunktionaler Finanzmärkte geraten würden, die die Post-Lehman Zeit zu einem Kindergeburtstag machen würden. Und wozu? Glaubt man der AfD, ist das die einzige Alternative. Aber das ist bei Lichte betrachtet Unsinn. Worum sich zurzeit die Aufregung des „kleinen Mannes“ dreht, ist die Angst vor Bürgschaften und Kreditrisiken, die sich nur dann realisieren, wenn die völlig irrationale Sparpolitik der Eurozone – nicht der Krisenstaaten – weiterhin gegen Sinn, Verstand und ökonomische Theorie durchgezogen wird. Die AfD diskutiert auch diese Frage nicht, stattdessen bekennt sie sich einfach zum längst auch empirisch nicht mehr haltbaren „Common Sense“, dass es keine Alternative zum Sparen gibt. Vielleicht sollte sich die AfD umbenennen in: Keine Alternative für Deutschland und Europa außer ökonomischer Selbstmord.

  14. Ktrd sagt

    @Wirtschaftswurm
    Ja, das ist eine Wertung und kein Fakt, selbst wenn die Wertung jeweils durch das Wörtchen EHER extra abgeschwächt wurde.
    Ich möchte verdeutlichen, dass es hier um eine politische Beantwortung am Anfang des weiteren Prozesses geht.
    Die EU mit dem Euro weiterentwickeln? – und dann die anstehenden Schwierigkeiten lösen
    oder
    Den EURO (und die EU?) verlassen? – und dann die anstehenden Schwierigkeiten lösen.

    Ich denke, man kann diese Frage NICHT wirtschaftlich beantworten, sondern muss sie von Anfang an politisch beantworten und dann, wenn die Antwort ja drin bleiben oder eben Nein, raus dem EURO heißt, geht es an die Probleme, die mit dieser Entscheidung aufgeworfen werden und sich weiter entwickeln.
    Für mich persönlich ist die EU mit dem EURO die wünschenswerte Beantwortung der o.g. Frage. Ich hoffe, dass es nach der Wahl im Herbst hierfür eine deutliche Mehrheit gibt und eine Bereitschaft dafür – vielleicht nur vorübergehend – Nachteile in Kauf zu nehmen.

  15. Wirtschaftswurm sagt

    @Andreas,
    es geht nicht nur um Kreditrisiken. Wenn man den Euro behalten will, braucht man eine dauerhafte Transferunion. Das kostet nicht nur immens viel Geld, das wird auch zu massiven Fehlanreizen führen. Langfristig wird eine Transferunion den Abschied Europas aus der ökonomischen 1. Liga bedeuten.

  16. Andreas sagt

    @Wirtschaftswurm
    Mit den Fehlanreizen ist es so wie mit dem „Vertrauen der Investoren“: Niemand kann sie sehen, sie lassen sich nicht mal ex post nachweisen, aber die Behauptung ihrer Existenz bestimmt heute in Europa die Wirtschaftspolitik. Dahinter steht letztlich eine Simpel-Annahme über menschliches Handeln, die zu verwenden in Modellen Sinn macht, die man aber besser nicht zu ernst nehmen sollte, wenn über komplexe Entscheidungsprozesse nachgedacht wird.

    Ich stimme dennoch zu, dass es eine bedingungslose Transferunion zu Fehlanreizen führen könnte. Aber die will ja auch keiner. Im Grunde haben wir jetzt eine bedingungslose Fall-zu-Fall Transferunion, die man mit einer echten Transferunion überwinden könnte. Was wäre daran so furchtbar? Die USA ist auch eine Transferunion, ich kann nicht erkennen, dass ihr das geschadet hat.

  17. Andreas sagt

    @Wirtschaftswurm
    Die in Deinem Text beschriebenen Fehlanreize wurden jedoch nicht von einer Transferunion, sondern von privaten Kapitalströmen ausgelöst – von Fehleinschätzungen privater Investoren. Die Fehlanreize im Finanzsystem spielen seltsamerweise in der Diskussion kaum eine Rolle. Banken wurden, im Gegensatz zu Staaten, weitestgehend bedingungslos gerettet. Alle Fehlanreize sind noch da. Die machen mir mehr Sorgen. Zwischen Staaten und Banken besteht eine so unermesslich teure „Transferunion“, dass die Transfers an Staaten – wenn man die zur Rettung von Banken verwendeten Gelder abzieht – dagegen klein sind

    Schön, mit einigem Zeitabstand auch noch einmal diese Einschätzung von Dir zu lesen:
    „Dragon Acemoglu ist sicherlich sehr viel näher an der griechischen Realität als Peter Bofinger. Der argumentiert auf SPON mit makroökonomischen Modellweisheiten. Der griechische Staat dürfe die Krise nicht durch weiteres Sparen verschärfen und darum sollen die anderen Euroländer Griechenland entgegenkommen.“

    Irgendwie hatte der Mann nicht ganz unrecht, oder?

  18. @Wirtschaftswurm
    „Politikern Populismus vorzuwerfen, finde ich ziemlich müßig. Alle Politiker müssen populistisch sein, das heißt Sachverhalte vereinfachen.“

    Das ist Falsch, Populistisch heisst die Ängste und Vorurteile der Menschen aus reinem Machtinteresse zu schüren.

    Was ich für Müßig halte ist über Aussagen von Lucke und das Programm der AfD zu sprechen. Gerade weil Sie wissen, dass iher eigentlichen Ansichten unpopulär sind stehen sie nicht im Programm.

    Macht man sich nur ein wenig Mühe über die prominenten Mitglieder zu recherchieren (Henkel, Lucke, Appel, …) weiss man schnell dass die AfD den Manchaster Kapitalismus wollen.

    Und natürlich hat die Forderung nach ungebremsten Wachstum was mit Klima und Ressourcen zu tun. Und natürlich sind Lucke, Henkel und Appel (Beiratsvorsitzender Nationale Anti–EEG–Bewegung) völlig Blind für die Probleme des Wachstums.

    Gibt es Einen Ökonomen der nicht Wachstum ohne Rücksicht auf die Folgen als Lösung der Eurokrise sieht? Was muss noch passieren, damit Ökonomen endlich von diesem Wahn wegkommen?

  19. Andreas sagt

    @AlienObserver

    „Gibt es Einen Ökonomen der nicht Wachstum ohne Rücksicht auf die Folgen als Lösung der Eurokrise sieht? Was muss noch passieren, damit Ökonomen endlich von diesem Wahn wegkommen?“

    Es gibt eine ganze Zahl von Ökonomen, die sich mit dem Thema auseinander gesetzt haben, Google könnte hier hilfreich sein. Ich selbst habe auch einiges dazu geschrieben, möchte aber lieber meine Anonymität wahren. Meine Schlussfolgerung ist allerdings: Wachstumskritiker reden gern von alternativen Konzepten, gesehen habe ich aber noch keines, was einer genaueren Prüfung standhält. Das Klimaproblem lässt sich im Prinzip auch lösen, ohne die enormen Kosten eines Wachstumsverzichts zu tragen. Allerdings, tatsächlich, mit einer deutlich ehrgeizigeren Klimapolitik, als wir sie bislang beobachten, die im Konfliktfall im Ergebnis – nicht in der Intention – auch eine Wachstumshemmung bedeuten kann. Für die Bewältigung der Schuldenkrise allerdings ist Wachstum dringend nötig. Es spricht jedoch wenig dagegen, hier auf grüne Investitionen zu setzen – Bedarf dazu gibt es zu genüge.

  20. Wirtschaftswurm sagt

    @AlienObserver,
    “ Populistisch heisst die Ängste und Vorurteile der Menschen aus reinem Machtinteresse zu schüren.“ – Dann ist Angela Merkel mit ihrem „Scheitert der Euro, scheitert Europa“ der Meister des Populismus. So viel Populismus wird die AfD nie erreichen können.

  21. @Andreas
    „Wachstumskritiker reden gern von alternativen Konzepten, gesehen habe ich aber noch keines.“

    Die Auswirkungen des Wachstums sind die Auswirkungen des Kapitalismus, der ohne Wachstum zusammenbrechen muss. Sie „sehen keine Alternative“ weil Sie wahrscheinlich ein scheitern des Kapitalismus (der Märkte/des Marktes/der Privatisierung oder wie sei es auch immer bezeichnen wollen) nicht wahrhaben wollen.

    Vielleicht können Sie sich einfach die Lösung die sich entwickeln wird nicht vorstellen, Fakt ist, es gibt auf Dauer zu Nachhaltigkeit keine Alternative (in der wir weiter existieren können), das ist es was Nachhaltigkeit bedeutet.

    Was wir brauchen ist ein neues Wirtschaftskonzept. Eines, dass den Umgang mit knappen Ressourcen ermöglicht und gezielt und ausschlisslich Marktwirtschaft da einsetzt wo sie uns hilft.

    Dazu muss zum Beispiel dafür gesorgt werden, dass nicht wie bisher der Großteil der erwirtschafteten Leistungen von einigen wenigen abgeschöpft wird. Das hat auch mit Gerechtigkeit zu tun, ist aber vor allem in Zeiten Knapper Ressourcen Überlebensnotwendig.

    So lange sich wie bisher einige über das Maßen der Tragfähigkeit des Planeten rücksichtslos bereichern und glauben der Rest der Menschheit wäre dazu da ihre Renditen zu erwirtschaften werden wir vor den Herausforderungen der Zukunft scheitern.

    „Es spricht jedoch wenig dagegen, hier auf grüne Investitionen zu setzen“
    Alles spricht dagegen zu glauben „grünes Wachstum“ könnte funktionieren. Der Glaube an das „grüne Wachstum“, sprich die Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum, wurde von der Wissenschaft beerdigt (siehe z.B. enquete Komission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität).

    Gegen diese Vorstellung stehen grundsätzliche systemische Probleme, wie das (physikalische) „Law of dimishing returns“ und der (marktwirtschaftliche) „rebound effekt“, ganz zu schweigen von der fundamentalen Logik, dass man zur Produktion von Gütern (für Wachstum) immer Energie und Rohstoffe benötigen wird.

    Diese Zitat besorgter Erdölexperten (Frankreichs) wie dem Ex Chefökonom von Total, dem Französischen Umweltminister uva. bringt es auf en Punkt:

    „The fact is that the functioning of modern societies depends upon sustained economic growth, which goes hand in hand with escalating consumption of energy and resources.
    It is therefore urgent that we anticipate the inexorable descent of energy availability. The physical limits should trigger a real transition of society toward a major decrease of our dependence on non-renewable resources through a profound change in our behavior, in the organization of our nation (land use, infrastructure) and of our economy. If this transition is not anticipated and planned for, it will take place in a chaotic manner, with disastrous economic consequences, such as occurred in the subprime crisis. The foundations of democracy and peace could thus be threatened.“
    http://derblickausderferne.blogspot.de/2012/05/mobilizing-society-in-face-of-peak-oil.html

    Der „Markt“ hat es nicht geschafft auf die Herausforderungen der Zukunft Antworten zu entwickeln. Er wird es auch in weiterhin nicht. Ökonomen schaffen es nicht Lösungen „jenseits“ des Marktes in betracht zu ziehen und sind deshalb ebenfalls gescheitert.

    Elinor Olsons Werk wurde zwar mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet aber von der Wirtschaftswissenschaft und Politik in seiner wesentichsten Bedeutung nicht verstanden oder (bewusst) ignoriert .

    Der Umgang mit Ressourcen gelingt weder mit zentralistischen Ansätzen (Stalinismus, totalitärer Sozialismus) noch mit Marktwirtschaftlichen Ansätzen.

    Das „Problem“ Kommunismus, (wie gehen wir mit den Dingen um die Allen gehören) hat als Lösung nur den lokalen, kommunalen und demokratischen Ansatz. Diesen Weg sollten wir verfolgen.
    Das könnten wir nachhaltige lokale Wirtschaftspolitik, dem Ende der Globalisierung so weit es geht, Entscheidungsgewalt von „unten nach oben“ in einem (z.B.) Europäischen Rahmen der die wesentliche Gestaltung der Politik den Gemeinden und Regionen nach dem Subsidiaritätsprinzip erlaubt aber grobe gemeinsame Regeln für Nachhaltigkeit in einem EU Rahmen festlegt.

    @Wirtschaftswurm:
    „Dann ist Angela Merkel mit ihrem “Scheitert der Euro, scheitert Europa” der Meister des Populismus.“

    Da sind wir uns einig.

  22. Andreas sagt

    @AlienObserver
    Vielleicht mögen Wachstumskritiker Ökonomen vor allem deshalb nicht, weil diese darin geschult sind, lösungsorientiert zu denken. Man kann sich gern Wunschwelten lokal organisierter, nachhaltiger Ökonomien vorstellen, in denen all die komplizierten Probleme der Gegenwart nicht mehr existieren. Man kann einen schönen Science Fiction Roman darüber schreiben. Aber kein einziger der vielen Wachstumskritiker hat bislang einen nachvollziehbaren Weg dahin aufgezeigt, geschweige denn sich damit auseinander gesetzt, dass die meisten Menschen anders ticken, als man es sich gern wünscht, und alles andere wollen, als eine Rückkehr ins Mittelalter. Man muss die Welt und die Menschen so nehmen, wie sie nunmal sind, und unter dieser Voraussetzung Lösungen suchen. Aber: Off Topic.

  23. Den letzten Satz hab ich in der Hast (mal wieder) ordentlich verbockt:

    Mein Vorschlag also, (in aller Kürze) ein Europa der Regionen (möglichst kleine) in dem lokale und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe gefördert werden (z.B. durch Regionalwährungen), eine Abkehr von der Globalisierung, eine Abkehr von den Großkonzernen, hin zu dezentraler und nachhaltiger Produktion von langlebigen Gütern.

    Subsidiarität, also eine von Unten nach Oben gerichtete Politik der Mitwirkung der Bürger. eine EU die die Rahmenbedingungen vorgibt aber die wesentliche Politik den Regionen überlässt.

    Politik hiesse auch eine „Vielfalt der Systeme“ auf kommunaler bzw regionaler Ebene.

    Die Menschen sollen nicht hur entscheiden dürfen wer Sie regiert sondern auch wie sie regiert werden. Die Basis EU sollte keine Regierung sein sondern eher ein Gremium für die Festlegung gemeinsamer Rahmenbedingungen für ein miteinander der Regionen innerhalb der EU.

  24. @Andreas
    „Wachstumskritiker Ökonomen vor allem deshalb nicht, weil diese darin geschult sind, lösungsorientiert zu denken“.

    Leider sehen die Ökonomen aber oft die Probleme gar nicht oder weigern sich darauf einzugehen. Klar, Wachstumskritiker sind natürlich unrealistische Spinner und Ökonomen denken „Lösungsorientiert“.

    Wennn das so ist, wo ist denn der Ökonomische Ansatz für die oben geschilderten Probleme ?

    Was pasiert denn Ihrer Meinung nach wenn die Ernergieressourcen Knapp werden?
    Was ist der Ansatz der Ökonomen der das Problem des Klimawandels ernsthaft angeht?

    „Man muss die Welt und die Menschen so nehmen, wie sie nunmal sind, und unter dieser Voraussetzung Lösungen suchen.“

    Die berühmte TINA Argumentation. Unter der Vorraussetzung, dass wir weiterhin in Saus und Braus leben wird es natürlich nicht gehen.

    Wer uns aber ins Mittelalter zurückbomben wird ist genau diese Blindheit gegenüber den Problemen der Zukunft, das Fehlen jedes Bezugs zu wissenschaftlichen Einschätzungen über das Wachstumsproblem oder den Klimakollaps jenseits der Ökonomie.

    Es ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft populär zu sein. Mit ihrer Aussage haben sie sich zur Politik bekannt und nicht zur Wissenschaft.

    Wenn man sich nicht jetzt Gedanken macht wie ein Transfer in eine nachhaltige Gesellschaft ablaufen kann wird er gewaltsam von selber ablaufen.

    Die Alternativen wären Kriege, Hunger und Krankheit, womöglich begeitet von Diktatur, Staatsterror, Faschismus und Genozid …
    Suchen Sie sich was aus.

  25. Andreas sagt

    @AlienObserver

    „Klar, Wachstumskritiker sind natürlich unrealistische Spinner und Ökonomen denken “Lösungsorientiert”.

    Erster Teil der Aussage: Leider ja. Zweiter Teil der Aussage: Leider nicht durchgehend.

    „Was pasiert denn Ihrer Meinung nach wenn die Ernergieressourcen Knapp werden?
    Was ist der Ansatz der Ökonomen der das Problem des Klimawandels ernsthaft angeht?“

    Wenn man sich die Frage des Klimawandels ERNSTHAFT stellt, sollte man bereits bemerkt haben, dass vor dem Hintergrund des Klimaproblems die Knappheit der Energieressourcen irrelevant ist. Wenn man die Erderwärmung auf 2 Grad begrenzen will, dürfen nur noch knapp 5 Prozent der vorhandenen fossilen Energieträger verbrannt werden.

    „Wer uns aber ins Mittelalter zurückbomben wird ist genau diese Blindheit gegenüber den Problemen der Zukunft, das Fehlen jedes Bezugs zu wissenschaftlichen Einschätzungen über das Wachstumsproblem oder den Klimakollaps jenseits der Ökonomie.“

    Wie schon gesagt, es gibt x-Auseinandersetzungen mit diesen Problemen, insbesondere auch interdisziplinäre. Muss man halt lesen.

    „Es ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft populär zu sein. Mit ihrer Aussage haben sie sich zur Politik bekannt und nicht zur Wissenschaft.“

    Politökonomie ist eine Wissenschaft.

    „Die Alternativen wären Kriege, Hunger und Krankheit, womöglich begeitet von Diktatur, Staatsterror, Faschismus und Genozid …
    Suchen Sie sich was aus.“

    Ich suche mir Hunger aus, vielleicht kommt dann mein Idealgewicht wieder in Reichweite.

  26. „Erster Teil der Aussage: Leider ja. Zweiter Teil der Aussage: Leider nicht durchgehend.“

    Soviel zu dieser Diskussion.

  27. Wenn sie keine Beispiele für den Umgang von Ökonomen mit dem Thema Wachstum liefern dann mache ich das eben:

    Texte wie dieser sind leider diejenigen die mein Bild der Ökonomen prägen, vor allem derjenigen die unsere Politik beraten bzw. bestimmen:
    http://www.amazon.de/Wachstum-Die-Zukunft-globalen-Kapitalismus/dp/3446423508)

    Paque ist einer der „Wissenschaftswundergläubigen“. Die Innovation wirds richten.
    Über diese unhaltbar paradoxe Auffassung kann man nur Verzweifeln.
    (das tue ich hier auf meinem Blog: http://derblickausderferne.blogspot.de/2012/06/paradox-faith-in-science.html )

    Der Schweizer Binswanger stellt die Abhängigkeit von Wachstum und Kapitalismus wenigstens deutlich heraus und weisst auf die Unmöglichkeit unendlichen Wachstums in einer endlichen Welt hin. Ein begrenztes grünes Wachstum hält er aber für möglich.

    Ich sehe das wesentlich düsterer (weil ich nachgerechnet habe):
    http://derblickausderferne.blogspot.de/2012/05/demystifying-miracle-of-market.html

    Irgendwo zwischen diesen Auffassungen bewegt sich die offizielle wissenschaftliche Aufarbeitung des Wachstumsproblems in der Ökonomie.

    Der wichtigste Vertreter mit den fundiertesten Analysen ist meiner Meinung nach Herman Daily, ein geächteter seiner Zunft.
    http://steadystate.org/discover/downsides-of-economic-growth/

    Ach ja, ein anderer der seine eigene Zunft passend kommentierte war natürlich Kenneth E Boulding:
    „Anyone who believes exponential growth can go on forever in a finite world is either a madman or an economist.”

    Ich sehe bisher keine Anzeichen dass das Gross der Wirtschaftswissenschaftler diesen glauben aufgegeben hat.

  28. Andreas sagt

    Ein Ökonom, wenn auch kein wissenschaftlich sonderlich aktiver, ist Albrecht Müller. Er ist vor allem alles andere als ein Neoliberaler. Was er zur Wachstumskritik zu sagen hat, teile ich zwar nicht alles, aber doch in wesentlichen Punkten:

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=9169

    Und was haben die am Wohl der Menschen in Europa interessierten Wachstumskritiker eigentlich zur Schuldenkrise zu sagen? Hören wir doch einmal ihrem umtriebigsten Vertreter Niko Paech in einem Interview des Tagesspiegel vom 25.11.13 zu:

    „Andererseits wurde in Griechenland derart über die Verhältnisse gelebt – und das ist jetzt weißgott keine Häme –, dass man sich an fünf Fingern abzählen konnte, was irgendwann passieren würde. Was ich mir wirklich wünschen würde, wäre, dass die Griechen cool bleiben und sagen: Okay, wir haben verstanden, also machen wir uns jetzt einen Spaß draus, der Welt vorzuführen, wie es geht, auch in einer schrumpfenden Ökonomie klarzukommen, ohne in irgendeinen Rechtsradikalismus oder sonstigen Schwachsinn abzudriften.“

    Go Tell the Spartans, fällt wir zu diesem Zynismus nur ein.

  29. Ich kenne natürlich die Nachdenkseiten und lese sie fas täglich. D.h. aber nicht, dass ich glaube Albrecht Müller in allen Punkten recht geben zu müssen.

    Als Physiker interessiert mich welche Kräfte ein System grundsätzlich antreiben.
    Albrecht Müller zählt eine Menge wichtiger Themen auf, die ihm wichtiger als die Wachstumsdebatte wären. Er sagt auch die Debatte wäre in ihrer Bedeutung für die Politik überschätzt.

    Da kann ich nur gegenhalten mit einem Zitat Merkels aus ihrer Antrittsrede.:
    „Wachstum zu schaffen, das ist das Ziel unserer Regierung.“

    Eine Krebskrankheit kann viele Symptome haben die man alle Behandeln kann. die wahre Ursache der Erkrankung bleibt aber immer der Krebs.

    Wenn ich Albrecht Müller „Meer von Problemen“ Punkt für Punkt durchgehe sehe ich dahinter immer den Wachstumskapitalismus durchdringen der diese Problem zwingend nach sich zieht.

    a, (als nicht nachhaltige Energieform und durch hohe Folgekosten ist die Atomkraft ein Musterbeispiel einer kurzfristigen Wachstumslogik wie sie Herman Daly kritisiert)

    b. Wie soll das mit Wachstum gehen?

    c, d,e, f, g, h, i, j, k, l, m, n, o, sind meiner Ansicht nach alle Folgen der ideologischen Ausrichtung des Wachstumskapitalismus und zwingende Folge dieser Wirtschaftsform.

    Warum das so ist habe ich versucht in meinem „Farmland Analogon“ darzustellen:
    http://derblickausderferne.blogspot.de/2012/10/the-farmland-analogon.html

    zum Rest der Punkte (die sich mit globaler Gerechtigkeit, Integration und Rassismus beschäftigen):
    Ich sehe eine große Nähe des Wachstumskapitalismus zum Faschismus der natürlich Nationalismus und Fremdenfeidlichkeit schürt und globale Ungerechtigkeit als Konsequenz „kultureller Unterschiede“ (also mittels purem Rassismus) begründet.

    Hayek und Friedmann haben ihre Ideologie deshalb nicht etwa in einer Sozialdemokratie umgesetzt sondern gezielt im Faschistischen Chile.

    Ich mache ausserdem keinen Unterschied zwischen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus oder Klassismus. Sie sind allesamt in gleicher Weise wiederwärtig.

    Dennoch darf sich jeder Neoliberale (vor allem aus der FDP) einer ungehemmt klassistischen Sprache bedienen und gegen die benachteiligten unserer Gesellschaft hetzen. Das „Prekariatsbashing“ ist in der Mitte der Deutschen Gesellschaft voll angekomen.

    In einem wesentlichen Punkt hat Albrecht Müller Recht, sehr sogar!

    Eine Wachstumskritik OHNE Kapitalismuskritik ist unvollständig und unglaubwürdig.

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