Wirtschaftswurm-Blog

Heiner Flassbeck und Bernd Lucke: Eurodiskussion mittels Youtube und Blog

Flassbeck Lucke

Heiner Flassbeck, ehemals Chefvolkswirt der VN-Organisation UNCTAD, und Bernd Lucke, Professor an der Uni Hamburg und Vorsitzender der AfD, haben noch nie live miteinander diskutiert. Dabei birgt die Eurokrise genug Diskussionsstoff für die beiden. Und so diskutieren Flassbeck und Lucke aktuell mittels Youtube-Vorträgen von Bernd Lucke und Erwiderungen im Wirtschaftsblog von Flassbeck („Professor Bernd Lucke und die Europhobie“ Teil 1 und Teil 2) miteinander.

Wie schon einmal hier im Blog berichtet, sieht Flassbeck Lohnsteigerungen in Deutschland als probatestes Mittel gegen die Wirtschaftskrise und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der südlichen Randstaaten der Eurozone an. Völlig außer Acht lässt er dabei, dass allgemeine Lohnsteigerungen zu einer Stagflation mit hoher Arbeitslosigkeit und Inflation gleichzeitig führen können. Die Alternative Lösung, die Lucke und seine AfD befürworten, ist der Austritt der Problemländer aus der Eurozone und eine Abwertung ihrer Währungen – eine radikale Lösung, die allerdings Umstellungsprobleme verursachen würde.

Nun kann Flassbeck durchaus einige Stiche in der Diskussion machen. So schmeißt Bernd Lucke in seinem Vortrag alle osteuropäischen Staaten zusammen und führt ihre bessere wirtschaftliche Performance gegenüber den südeuropäischen Staaten auf flexible Wechselkurse zurück. Tatsächlich haben aber z.B. Bulgarien und Litauen ebenfalls ihre Währung mehr oder weniger fest an den Euro gebunden.

Letztlich geht aber der Punkt höchstens halb an Flassbeck. Die größeren osteuropäischen Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und Rumänien haben nämlich tatsächlich flexible Wechselkurse.

In einem anderen Punkt argumentiert Flassbeck an Lucke vorbei. Für Bernd Lucke ist nämlich die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der südeuropäischen Staaten ihr dominierendes Problem. Und um diese zurückzuerlangen, müssen sie ihre Exportpreise senken. Damit diese sinken können, müssen aber die Lohnkosten und mithin die Löhne sinken.

Wie stark die reale Kaufkraft der Löhne sinkt, ist dagegen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nicht entscheidend. Theoretisch (wenn auch leider nicht in der Praxis) ist es durchaus möglich, dass Löhne und Preise fast im Gleichklang sinken und die reale Kaufkraft also kaum leidet. Dass Flassbeck sinkende Reallöhne problematisiert, geht also an Luckes Thema vorbei.

Der Punkt geht umso klarer an Lucke, da der zeigt, dass trotz (endlich!) gesunkener Lohnstückkosten die Exportpreise z.B. in Griechenland bisher nicht gesunken sind. Rigide Löhne und Preise sind eben gerade das Hauptargument der Eurogegner. Denn flexible Wechselkurse können sehr schnell auf wirtschaftliche Fehlentwicklungen reagieren. Bis sich dagegen wirtschaftliche Verwerfungen in sinkenden Löhnen niederschlagen, dauert es. Und wie Lucke in seinem Vortrag zeigt, dauert es danach offensichtlich noch einmal, bis sich die gesunkenen Löhne in sinkenden Exportpreisen niederschlagen.

Richtig ist, dass Lucke keineswegs neoklassisch (insbesondere mit vollständig flexiblen Preisen und Löhnen) argumentiert. Das behauptet er aber auch nirgendwo. Neoklassisch inspiriert sind allerdings die Austeritätsprogramme, die den Krisenländern von der EU auferlegt wurden.

Richtig ist nun wiederum, wenn Flassbeck auf „carry trades“ hinweist und auf die damit zusammenhängenden Übertreibungen und Untertreibungen an den Devisennmärkten mit großen Wechselkursschwankungen. Löhne und Güterpreise reagieren zu langsam auf eine Krise, Wechselkurse reagieren dagegen häufig zu heftig und zu schnell.

Aber auch diesen Punkt kann man höchstens halb an Flassbeck vergeben. Flexible Wechselkurse können durchaus mit einem  wie auch immer gearteten Wechselkursmanagement verbunden sein, sprich mit zeitlich beschränkten Eingriffen etwa der Zentralbank auf den Devisenmärkten.

Bild: Heiner Flassbeck (links), Bernd Lucke (rechts)


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12 Kommentare

  1. 1. Gedanke:
    Wofüru soll die Produktion in den Krisenländern denn steigen?
    a) Damit mehr Güter in den Krisenländern verkauft werden? Wohl weniger weil das eine Frage der Löhne bzw. der Einkommen in den Krisenländern ist.
    b) Damit mehr Güter in die Euroländern, die nicht so sehr in der Krise sind, wie in Deutschland verkauft werden? Dann würde sich die Frage stellen, wieso man nicht einfach z.B. in Deutschland durch entsprechende Lohnentwicklungen die Binnennachfrage ankurbelt.
    c) Oder sollen noch mehr Güter aus der Eurozone heraus exportiert werden? Das wirft dann aber die Frage auf, ob über 100 Milliarden Euro Exportüberschüsse in der Euro-Zone nicht reichen.

    2. Gedanke:
    Geht es bei der Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich nur um die Frage der Produktion, oder sind nicht z.B. auch die Attraktivität eines Landes an den Finanzmärkten entscheidend?
    http://www.mister-ede.de/tag/wettbewerbsfahigkeit

  2. Häschen sagt

    Wenn ein Marktteilnehmer große Mengen zum günstigen Preis an den Mann bringen will, dann steht die Absicht dahinter andere zu verdrängen. Was macht .de? Und warum wundert man sich ob des Ergebnisses. Höhere Löhne und Gehälter in .de wären so etwas wie eine Friedensbewegung mit konkretem Ergebnis. Der Punkt geht an Herrn Flassbeck. Wollte das Argument noch anmerken. Bin noch nicht mit den Videos durch. Für etwaige Redundanzen entschuldige ich mich vorweg.

    Griechenland wird vermutlich nie, respektive nicht so schnell ein Angebot stellen, das Mitteleuropa ins Konzept passt – im großen Stile und zeitnah. Man kann auf der der Ebene Mittelstand kooperieren. Das macht zwar das Kraut nicht wirklich fett, hätte aber zumindest den Vorteil, dass die Strukturen wieder gefestigt werden. Das funktioniert ganz gut mittlerweile. Abkaufen müssen wir den anderen schon etwas … wie soll denn das sonst gehen? Dafür braucht man mehr im Börserl. So ist die Welt. Der Herr Flassbeck formuliert diesen Sachverhalt in der Regel etwas professioneller. Kann ja jeder etwas weniger kaufen, wir tun ja grad so als ob jene die genug haben immer nützliche Dinge erwerben. Die anderen haben nicht die große Wahl. Das ist aber ein Problem der Einkommensverteilung.

    Wie sollen denn kleine Volkswirtschaften sich organisieren ohne sich massiv zu spezialisieren. Industrie ist ein Modell für .de. Dort wo Neonlicht denn Sonnenschein ersetzt. Eine Zulieferung an deutsche Unternehmen ist nicht zu empfehlen. Denke da gibt es kein beidseitiges Interesse wohl eher Zielkonflikte. Verbleiben vermutlich sehr individuelle Endprodukte. Warum sollten diese billiger werden, wenn andererorts das Börserl leer bleibt.

    Es geht ja nicht um die Volkswirtschaft. Wird schon keiner verhungern wenn ein paar Milliarden ausfallen.

    Das Geld und der Erfolg kommt nachdem ‚mit Freude tun‘, nicht gleichzeitig und schon gar nicht vorher. Erfolg stellt sich möglw. ein, aber planbar ist er nicht. Es geht darum, dass die Menschen wieder optimistisch werden und sich freuen, wenn sie morgens aufstehen. Das gilt in ganz Europa.

  3. Häschen sagt

    Warum sollten diese billiger werden, wenn konkurrenzlos? Woher sollen die Mengen kommen wenn anderenorts das Börserl leer bleibt.

  4. @Häschen
    „Es geht darum, dass die Menschen wieder optimistisch werden und sich freuen, wenn sie morgens aufstehen.“ Das finde ich sehr treffend ausgedrückt.

  5. Bei der Frage der Wettbewerbsfähigkeit, so wie sie zur Zeit diskutiert wird, geht es allein um die Wiederherstellung eines dauerhaften Handelsgleichgewichts.
    Was spricht nun gegen Lohnsteigerungen in Deutschland? Gar nichts, außer dass sie sich nicht durchsetzen lassen. Das Problem liegt meiner Meinung nach darin, dass die Lohnhöhen, die zu einem Gleichgewicht im innereuropäischen Handel führen würden, gleichzeitig zu einem Ungleichgewicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt führen würden. Sprich, die Arbeitslosigkeit würde drastisch steigen. Der Arbeitsmarkt ist immer ein Punkt, den der Herr Flassbeck gerne ausklammert.

  6. Häschen sagt

    Arne Kuster. Das stimmt wohl. Gebe aber zu bedenken, dass wir den sog. Wohlstand (die materialistische Interpretation) und über Billigstimporte am Ende doch teuer erkaufen. Wenn man ordentliche Qualität zum günstigeren Preis bekäme wäre die Welt eine andere.

    Die Diskussion und die Argumente des Herrn Flassbeck bezogen sich auf das Gleichgewicht innerhalb von Europa, er hat wohl das internationale Gefüge ausgeklammert. Im gleichen Atemzug weist der Herr Flassbeck auch darauf hin, dass in einer gesunden Volkswirtschaft Unternehmen nicht ‚Sparbücher‘ liegen haben und der Staat die volle Gegenfinanzierung trägt mit Hinweis auf Mitteleuropa. Man sollte nicht die Aussagen aus dem Zusammenhang reißen.

    Klar .de hängt am Export. Das kann aber, dann aber dem Rest von Europa egal sein … Es ist nicht das Problem von Europa per se. Möglw. ein Problem für den EURO, aber der ist nicht Europa.

  7. popper sagt

    @Arne Kuster schreibt:
    „…Das Problem liegt meiner Meinung nach darin, dass die Lohnhöhen, die zu einem Gleichgewicht im innereuropäischen Handel führen würden, gleichzeitig zu einem Ungleichgewicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt führen würden. Sprich, die Arbeitslosigkeit würde drastisch steigen…“

    Die Lohnhöhen besagen natürlich gar nichts, wenn man nicht, wie Flassbeck es ausdrücklich immer wieder tut, die Nominal- bzw. Reallöhne einerseits und die Produktivität und Lohnstückkosten andererseits definiert und in ein adäquates Verhältnis zu anderen Volkswirtschaften setzt. Es kann doch niemand ernsthaft bestreiten, dass die Löhne in Deutschland zu niedrig sind gemessen an der Produktivität und dem Inflationsziel der EZB. Was aber zwingende Vorraussetzung in einer Währungsunion ist. Es sei denn man betrachtet den Arbeitsmarkt wie einen Kartoffelmarkt und leitet daraus den Preis für Arbeit ab. Andererseits zeigen die sinkenden Löhne in den Südländern und die damit einhergehende galoppierende Arbeitslosigkeit, dass der Zusammenhang zwischen hohen Löhnen und steigender Arbeitslosigkeit nicht stimmen kann, wenn sie bei sinkenden Löhnen steigt. Was ja die neoklassische Arbeitsmarkttheorie der Hardliner in der EWU ad absurdum geführt hat. Wenn man überhaupt hier von einer Theorie sprechen kann, die diesen Namen verdient. Denn gemessen an der Realität ökonomischer Fakten handelt es sich doch eher um zwischen zwei Buchdeckel gepresste Ungereimtheiten, deren angebliche Nutzenoptimierung in der Verblödung gipfelt, Menschen deren Stundenlohn sinkt würden diesen finanziellen Mangel an Geld mit Freizeit ausgleichen.

    Und warum verstehst du nicht den Hinweis von @Häschen, dass der Staat die volle Gegenfinanzierung trägt. Ist dir nicht bekannt, dass bei uns in Deutschland der Staat an die Aufstocker Milliarden zahlt, damit Unternehmen weiterhin ihre Dumpinglöhne zahlen können.

  8. @popper, „Es sei denn man betrachtet den Arbeitsmarkt wie einen Kartoffelmarkt und leitet daraus den Preis für Arbeit ab.“
    Das wäre zwar ein nicht besonders gutes Modell, denn der Arbeitsmarkt weist schon viele Besonderheiten auf. Es wäre aber immer noch besser als mithilfe abstrakter makroökonomischer Größen Lohnhöhen festsetzen zu wollen, wie es Flassbeck wohl vorschwebt. Dazu sind die Makroökonomen nicht in der Lage, da wäre etwas mehr Bescheidenheit angebracht.

  9. popper sagt

    @Arne Kuster schreibt:
    „…Kartoffelmarkt …Das wäre zwar ein nicht besonders gutes Modell, denn der Arbeitsmarkt weist schon viele Besonderheiten auf. Es wäre aber immer noch besser als mithilfe abstrakter makroökonomischer Größen Lohnhöhen festsetzen zu wollen, wie es Flassbeck wohl vorschwebt…“

    Das ist nun wirklich abwegig. Du wiederholst doch hier nur dein einfaches Wenn/Dann-Prinzip, indem du mit anderen Worten Gleiches behauptest: hohe Löhne Arbeitslosigkeit drastisch steigt, weil keine Markträumung stattfindet und dieser sich mit Arbeitslosen füllt. Also doch der neoklassische Kartoffelmarkt.

    Und deine eher kryptische Behauptung: „…mithilfe abstrakter makroökonomischer Größen Lohnhöhen festsetzen zu wollen…“ zeigt doch, dass du den Zusammenhang entweder nicht siehst oder sehen willst. Es geht nicht um eine Festsetzung von Lohnhöhen, sondern um das Zusammenspiel von Löhnen und Preisen.

    Nun ist es aber so, dass z.B. in der Schweiz hohe Löhne gezahlt werden und die Arbeitslosigkeit dort dennoch gering ist. Das widerlegt deine Behauptung von oben. Ich vermute einmal, dass bei dir das Modell gilt Gütermarkt, Kapitalmarkt, Arbeitsmarkt. Da Geld neutral ist, bestimmt die Geldmenge die Preise, diese wiederum üben keinen Einfluss auf reale Größen aus. Was bedeutet: der Preis bringt auf dem Markt nicht Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht, sondern das besorgen nach neoklassischer Vorstellung Zins und Reallohn. Also zwei Gleichgewichtsbedingungen regeln drei Teilmärkte. Ziemlich absurd, aber eben neoklassische Verdummung seit Jahren. Diesen Weg kann man beschreiten, nur, er führt in eine wissenschaftliche Kakofonie, die wir gerade in der Welt und besonders drastisch in Europa erleben.

    Insofern gehört schon ein bisschen mehr dazu, als lediglich rudimentäre Artefakte einer komplexen ökonomischen Theorie herauszugreifen, um angebliche Denkfehler ausfindig zu machen. Wer Herr Flassbeck ist weiß man, ein renommierter und in der Welt beachteter Ökonom (weniger unter dem deutschen Mainstream ). Bei Herrn Lucke wird man hoffentlich noch einiges in der kommenden Zeit hören. Seine wissenschaftliche Stoßrichtung ist dagegen hinreichend bekannt als Vorsitzender der AfD (zählt insoweit eher zum deutschen Mainstream).

  10. „Nun ist es aber so, dass z.B. in der Schweiz hohe Löhne gezahlt werden und die Arbeitslosigkeit dort dennoch gering ist.“ – Dass man die Löhne im Zusammenhang mit der Produktivität sehen muss, da bin ich mal mit Herrn Flassbeck einer Meinung. Was macht man aber, wenn die Produktivität in den einzelnen Sektoren extrem unterschiedlich ist? Wie will man es durchsetzen, dass eine ungelernte Kraft in einem Exportbetrieb 17 € die Stunde erhält, wenn diese Kraft ansonsten nur die Alternative hätte, eine Stelle für 8,50 € zu bekommen? Da zahle ich als Exportbetrieb eben 9,50 € und gut ist, alle sind zufrieden. Wenn ich allerdings für die weniger produktiven Betriebe einen Mindestlohn von – sagen wir – 15 € festsetze (so dass der Exportbetrieb tatsächlich 17 € bieten muss, um jemanden abzuwerben), dann kann der größte Teil der Unternehmen nicht mithalten und ist platt.

  11. Pingback: Das Kreuz mit der griechischen Wettbewerbsfähigkeit | Wirtschaftswurm

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