Zwischenruf

Kein Mindestlohn für Flüchtlinge?

Irregular Greenhouse Workers

Es gibt eine neue Mindestlohndebatte, angestoßen durch die Flüchtlingskrise. Und der Ökonom Heiner Flassbeck schreibt mit bekannten Argumenten gegen eine Aufweichung des Mindestlohns. Angesichts der Massen geringqualifizierter Zuwanderer ist aber nur noch die Frage, ob der Mindestlohn auf legalem oder auf illegalem Wege abgeschafft wird.

Nun vertritt Heiner Flassbeck seit Jahr und Tag die These, dass zu niedrige Löhne Deutschlands und Europas Unglück sind. Damit hat er sich immerhin erfolgreich als wissenschaftliches Aushängeschild des Linkspopulismus einen Namen gemacht. Nur die Aufhänger für Flassbecks Artikel variieren noch. In den beiden aktuellen sind es die Flüchtlingskrise und die Diskussion um den Mindestlohn für die Neueinwanderer.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer fordern, dass für Flüchtlinge dieselben Ausnahmen für den Mindestlohn gelten sollen wie für Langzeitarbeitslose. Das heißt, in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung gibt es keinen gesetzlichen Anspruch auf den Mindestlohn. Diese Frist soll darüber hinaus nach Vorstellung der Unternehmerverbände auf zwölf Monate sowohl für Langzeitarbeitslose als auch Flüchtlinge ausgedehnt werden.

Nun ist nach Flassbeck die Idee falsch

„es sei in einer Volkswirtschaft ein bestimmtes Einkommen gegeben, das auf mehr Menschen verteilt werden muss, wenn neue Arbeitskräfte hinzukommen.“

Damit hat er ohne Zweifel recht. Ich weiß allerdings nicht, welcher Ökonom diese These vertritt. Flassbeck bekämpft hier eine Strohpuppe.

Flassbeck kritisiert auch die Vorstellung

„man könne die Arbeitslosigkeit mit Leichtigkeit abbauen, wenn man nur die Löhne senke.“

Und auch damit hat er recht. Selbst den neoklassischen Ökonomen ist bewusst, dass dies nur in der abstrakten Modellwelt geht. In der Realität gibt es eine faktische Lohnuntergrenze. Das ist heute der Hartz-IV-Satz. Für weniger Geld wird heute keiner arbeiten. Leute, die nicht wenigstens Hartz-IV am Arbeitsmarkt erzielen können, bleiben darum arbeitslos.

Schließlich kommt bei Flassbeck der Allgemeinplatz, dass

„die Löhne nicht nur Kostenfaktor sind“

Und volkswirtschaftlich gesehen sind die Löhne tatsächlich auch Nachfrage. Das interessiert aber einen Arbeitgeber überhaupt nicht. Er wird deshalb keinen Arbeitnehmer einstellen, wenn es sich nicht betriebswirtschaftlich rechnet. Ohne betriebswirtschaftliche Logik wird darum die volkswirtschaftliche Logik nicht greifen.

Und übrigens gilt Flassbecks Einwurf immer weniger, je offener eine Volkswirtschaft ist und je höher die Importquote ist. Bereits knapp 40% der in Deutschland benötigten Waren und Dienstleistungen werden importiert. Das ist Nachfrage, die ins Ausland fließt.

Halten wir zwischendurch fest, dass Flassbeck in seinen zwei Artikeln überhaupt gar nicht auf die spezielle Situation der Neueinwanderer eingeht. Die ist aus Sicht des Arbeitsmarktes gekennzeichnet durch mangelnde Sprachkenntnisse und mangelnde Qualifikationen. (Belege finden sich im Premiumartikel „Der Flüchtlingsschock für die deutsche Wirtschaft“).

Es geht bei Flassbeck immer nur um „die Löhne“, so als ob, wenn man nur einen einzigen Lohn festlegt, damit alle Löhne festgelegt sind. Dass aber die Lohnspreizung sich ebenfalls ändern kann und auch tatsächlich im Zeitverlauf ändert, habe ich im Premiumartikel „Ungleichheit – Einige Fakten und Ursachen“ diskutiert.

Und nach vielen irrelevanten Argumenten Flassbecks kommen wir dann zu einer glatten Fehleinschätzung des Ex-Staatssekräters:

Kein Unternehmen beginnt mit dem Umbau der Produktion sobald die Löhne sinken und stellt auf arbeitsintensive Verfahren (also sinkende oder weniger steigende Produktivität) um, …

Die Erfahrungen der spanischen Mittelmeerregionen mit Massen an unqualifizierten Einwanderern in den Nullerjahren zeigen das genaue Gegenteil. Wie in „Der Flüchtlingsschock für die deutsche Wirtschaft“ beschrieben, schufen viele Unternehmen damals tatsächlich neue Stellen für Geringqualifizierte. In den Betrieben war es gar nicht so schwer, sinnvolle Tätigkeiten für Handlanger zu finden. Bei Minilöhnen für einfache Arbeiten zahlt es sich zudem betriebswirtschaftlich aus, gut bezahlte Arbeitskräfte von einfachen manuellen Tätigkeiten zu entlasten.

Auch in Deutschland wird es so kommen. Die Frage ist nur, ob auf legalem Weg über Ausnahmen vom Mindestlohn, oder auf illegalem Weg durch Schwarzarbeit. Ich persönlich tippe auf letzteres. Denn genauso wie die deutschen Behörden schon jetzt mit der illegalen Einwanderung überfordert sind, werden sie bald mit der illegalen Arbeitsaufnahme überfordert sein.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto: Illegale Gewächshausarbeiter auf dem Weg zu ihrer Behelfsunterkunft ohne Strom- und Wasseranschluss, von John Perivolaris, Las Norias, Almería, Spanien, 2003


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4 Kommentare

  1. Mariele sagt

    An sich ist es doch ganz einfach:

    1. illegale Einwanderer bleiben illegal und gehören nach Hause geschickt

    2. Legale Einwanderer sind willkommen und können bis zur Erreichung des Hauptschulabschlusses UND einer Ausbildung durchaus mit einem Mindest- Ausbildungslohn bezahlt werden.

    DAS wäre ein Mindestanspruch an Gerechtigkeit gegenüber all den Menschen in diesem Land,
    die die PflichtSchulbildung absolviert haben, die eine Ausbildung gemacht haben UND die
    ggf. Hartz4-Drangsalien über sich ergehen lassen mussten und denen kaum ein Cent übrig blieb,
    wenn sie alleine die 4 Mahlzeiten für sich beansprucht und gegessen hätten,
    als jetzt Menschen, die hier niemals auch nur einen Finger krumm gemacht haben.

    Sobald volle Arbeit aufgenommen wird und voller Lohn bezahlt wird,
    können dann die Rückzahlungen der geleisteten Gelder (oder %ualer Anteil) beginnen,
    so, wie viele Studenten das Bafög zurückzahlen müssen,
    können die Einwanderer dann ihren Beitrag leisten –
    oder auch mit dem neuen Wissen in die Heimat zurückkehren und dort das Land aufbauen
    oder
    oder
    oder

  2. Jürgen sagt

    Hach jeh, der Flassbeck mal wieder. Ich muss immer müde grinsen, wenn ich Beiträge von (Ex-)Beamten/Politikern lese, die niemals in der freien Wirtschaft gearbeitet haben, aber Unternehmern erklären wollen, wie ein Unternehmen geführt werden sollte. Als würden Eunuchen das Kamasutra lehren. 😉

  3. Pingback: Geldschwemme plus Mindestlohn minus Betrug ergibt: Vermischtes | Wirtschaftswurm

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