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Waren die Wähler in Mecklenburg-Vorpommern dumm oder irrational?

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Am Sonntag vor 8 Tagen wurde der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern gewählt und die AfD hat mit 20,8% ein gutes Ergebnis eingefahren. Für eine Partei, die zum ersten Mal antritt, war das Ergebnis sogar sensationell. Wie häufig, wenn es um die AfD geht, gab es jedoch einige schräge Medienberichte. So beschäftigten sich nicht wenige mit der Frage, warum so viele Mecklenburger und Pommern AfD gewählt haben, obwohl der Ausländeranteil im Land niedrig ist.

Tatsächlich liegt der Ausländeranteil in Mecklenburg-Vorpommern bei 4,0% und ist damit weit unter dem Bundesdurchschnitt. In Berlin, wo als nächstes gewählt wird, liegt der Ausländeranteil übrigens bei 16,3%. Das ist unter den Bundesländern Spitzenwert.

Dass nun trotzdem so viele Mecklenburger und Pommern die AfD gewählt haben und dass 86% der AfD-Wähler Angst vor Flüchtlingen haben, wurde nicht selten mit arrogantem Spott und Häme kommentiert. Die Bewohner des nordöstlichsten Bundeslandes seien einfach dumm. Der Ex-Grünen-Abgeordnete Daniel Mack twitterte z.B.: „Mecklenburg-Vorpommern, das am dümmsten besiedelte Bundesland“. Andere wiederum ergehen sich in wenig fundierte, dafür umso elaboriertere Spekulationen über irrationale Ängste.

Geht es nach der Neuen Politischen Ökonomie, ist allerdings schon allein die Entscheidung, zur Wahl zu gehen, vollkommen irrational. Die Wahlentscheidung ist immer mit einigem Aufwand verbunden. Man muss sich informieren, man muss sich ins Wahllokal begeben. Auf der anderen Seite hat der einzelne Wähler praktisch nie Einfluss auf das endgültige Wahlergebnis. „Jede Stimme zählt“ ist zwar ein schöner Slogan, aber auch sehr knappe Wahlen wie jüngst die Bundespräsidentenwahl in Österreich oder die Präsidentenwahl in den USA im Jahr 2000 hingen letztlich nicht nur an einer einzelnen Stimme. Eine nüchterne Kosten-Nutzen-Analyse würde also gebieten, sich den Aufwand, sich an einer Wahl zu beteiligen, zu sparen.

Tatsächlich ist aber die Entscheidung, zur Wahl zu gehen, oder die Entscheidung, in Mecklenburg-Vorpommern AfD zu wählen, nicht irrational, sie ist bloß eins nicht: Sie ist nicht rein egoistisch. Wähler sehen in der Wahlbeteiligung nicht so sehr eine Möglichkeit, ihre persönliche Lebenssituation zu verbessern, sie sehen darin vielmehr eine Chance, etwas für das Land zu tun. Als Gegenleistung für den persönlichen Aufwand, den sie mit der Wahlbeteiligung haben, kalkulieren sie nicht bloß den persönlichen Gewinn durch eine andere Politik ein, sondern den erwarteten Gewinn für alle Mecklenburger und Pommern oder sogar für alle Deutschen.

So gesehen ist es nicht irrational, trotz geringer persönlicher Betroffenheit von der Flüchtlingsproblematik die AfD zu wählen. Man kann sie mit der Annahme, dass die Wähler altruistisch sind erklären. Die Theorie des altruistischen Wählers wurde von Bryan Caplan in seinem Buch „Myth of the Rational Voter: Why Democracies Choose Bad Policies“ ausgearbeitet.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto (von Harald Hoyer): Schweriner Schloss, Sitz des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern


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6 Kommentare

  1. Stefan Rapp sagt

    „Als Gegenleistung für den persönlichen Aufwand, den sie mit der Wahlbeteiligung haben, kalkulieren sie nicht bloß den persönlichen Gewinn durch eine andere Politik ein, sondern den erwarteten Gewinn für alle Mecklenburger und Pommern oder sogar für alle Deutschen.“
    Nehmen wir mal an ich bin ein gut integrierter Migrant habe aber nicht die Deutsche Staatsbürgerschaft und ich lese diesen Text, wie soll ich den diesen jetzt interpretieren, für mich gehen die Wähler dann nicht die AfD wählen ? Sind die Migranten nicht Teil dieser neuen AfD Zukunft, oder letztendlich erst dann wenn in Verbindung mit einer guten Integration dann letztendlich auch die Deutsche Staatsbürgerschaft angenommen wird ?
    Wichtig ist mir das Migranten nicht das Gefühl bekommen grundsätzlich ausgegrenzt zu werden sie müssen zumindest die Chance haben können Teil der Zukunft von Deutschland welche die AfD anstrebt sein zu können.
    Jedes dritte Kind unter 5 Jahren hat Migrationshintergrund, das heißt im Grunde das sich die „Biodeutschen“ von Generation zu Generation halbieren. Eine deutsche Zukunft ohne die hier lebenden Migrationshintergründigen kann es so nicht geben, das wird selbst die AfD mit einer guten Familienpolitik nicht so schnell lösen können.

  2. Michael sagt

    Die Zahlen zu den Ausländeranteilen sind sicherlich FRAGWÜRDIG. Nach Bundesamt für Statistik lebten 2013 in Deutschland knapp 20 Mio. Menschen migrantischer Herkunft. Dazu gibt es eine umfassende Studie. Auf irgendwelche Medien sollte man sich besser nicht berufen. Wenn man die Wahlen in Meck Pomm zerpflückt, waren die SPD mit +7000 Stimmen, die CDU mit -4000 Stimmen, die Linken mit -30000 Stimmen, die Grünen mit -25000 Stimmen und die NPD mit -20000 Stimmen im Vergleich zur AfD mit +205000 Stimmen klare Verlierer. Aber der größte Teil der AfD – Wähler wurde von den Nichtwählern mobilisiert. Die Behauptung der Qualitätsmedien, dass nur ungebildete dumme alte Kerle die AfD wählten, dürften einer näheren Betrachtung auch nicht standhalten. In Meck Pomm gibt es anteilig nicht so viele Leute mit Hochschulabschluss, wie meinetwegen in Bremen. Wie in Sachsen Anhalt nahm die Wahlbeteiligung deutlich zu. Endlich mal keine „Politikverdrossenheit“ mehr. Endlich wachen die Schlafmichels mal auf. Wenn auch nicht zur Freude der „Etablierten“. Und das ist PRIMA. Dabei ging es im Prinzip aber nicht im Geringsten um Landespolitik, sondern die Leute haben ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass sie den Kanal jetzt richtig voll haben.

  3. @StefanRapp, ich nehme an, dass es den Mecklenburgern und Pommern hauptsächlich um die Flüchtlingsfrage ging und die Probleme, die damit entstanden sind – aber unabhängig davon, ob sie von diesen Problemen selbst betroffen sind oder andere. Die Skepsis gegenüber Angela Merkels Flüchtlingspolitik ist nun gerade bei integrierten Migranten besonders stark, da sie spüren, dass die Flüchtlinge eine direkte Arbeitsmarktkonkurrenz zu ihnen sind. Die integrierten Migranten sind also häufiger die Betroffenen.

  4. Michael sagt

    @Stefan Rapp
    Es gibt überhaupt keine Notwendigkeit für mehr „Deutsche“, wenn heute irgendwo festgestellt wurde, dass es in Deutschland 2016 4,7 Mio. weniger Vollzeitstellen als vor 25 Jahren gibt. Einige Konzerne finden die Billiglöhnerei prima, und damit es richtig Freude macht, verschieben sie ihre „Gewinne“ auch noch über Steueroasen. Das Thema sprach schon Obama an und hat es nicht ansatzweise gelöst. Vielleicht wäre Trump besser als befürchtet, von Killary kann man das nicht erhoffen.

    Die GroKo unter Murksel leidet bestenfalls unter totalem Realitätsverlust. Ich zähle mal auf: 1. „Bankenrettung“ 2. „Eurorettung“ 3. Bundeswehr als Söldnerbande überall auf der Welt 4. Mieserable Beziehungen zu Rußland, UK nach Brexit und Osteuropa (Polen, Tschechien, Ungarn und Slovakei), 5. Ernergiewende ins Nichts (nirgendwo auf der Welt ist Strom so teuer, wie in Deutschland) und last but not least, 6. die US-Internet-Spitzel gehen straffrei aus. Der Regin-Trojaner bei der Mitarbeiterin des Kanzleramtes konnte nur eine einzige Herkunft haben. Dank der „Terrorwelle“ (durch „Flüchtlinge“) werden wir alle unter Generalverdacht gestellt und noch mehr bespitzelt als früher. Jede dieser Großtaten hätte einem früheren Kanzler mit nur etwas Ehre im Leib ausgereicht, sofort zurückzutreten. Jede einzelne, nur unsere Tusse von „Kanzlerin“ ficht das selbstverständlich nicht an.

  5. Stefan Rapp sagt

    Bei diesem einfachen Argument, in Ostdeutschland bestünden deswegen so viele Vorurteile gegen Migranten weil es dort so wenige gibt, fällt mir immer unweigerlich das Bild von dem Frosch ein welcher in einer Schüssel mit Wasser sitzt welches sich langsam erhitzt und der Frosch merkt dieses langsame erhitzen nicht bis es schon zu spät ist, würde er direkt mit dem heißen Wasser konfrontiert werden würde er gleich raus springen und überleben. Dieses Bild hat man dann gerne in Zusammenhang mit der Klimaerwärmung verwendet. Die Menschheit sitzt praktisch in der sich erwärmenden Schüssel und teilt quasi das Schicksal des Frosches. Vielleicht geht es ja den Ostdeutschen wie dem Frosch der plötzlichen Hitze ausgesetzt ist und die Westdeutschen sitzen schon im langsam überhitzten Wasser nur geht es hier eben nicht um Klima sondern das Thema Migration. Letztendlich ist das auch nur blabla passt aber gut als Gegenargument zum Niveau des anderen blabla Argument.

  6. Sehr verkürzt gesagt. Die AfD wählen, genauso wie die FPÖ, jene die schon wissen, dass sie morgen eine Rechnung in Ergänzung zu ihrem Einkommen müssen schreiben und nicht alle davon wie. Also sind die nächsten AfD Wähler die Zuwanderer selbst.

    Das anonyme/umverteilte ist Industrieeinkommen immer gedeckt, sprich es steht dafür immer ein Gut im Regal griffbereit.

    Zum Unterschied davon das marktwirtschaftl. Einkommen bei dem Güter, wie bspw. entlang des Werkvertrags bereitgestellt, nicht im Regal verweilen (Küche vom Tischler in Reinform). Auch neue entstehende Güter fallen in diese Kategorie, bspw. Ergebnisse von angewandter Forschung. Bei diesem Einkommen stammen die ‚Münzen‘ aus dem Tresor oder dem Sparbuch, werden in einen Geldbeutel gepackt und am Marktplatz wird versucht den optimalen Preis in der Gemeinde zu ermitteln.

    Indirekt wäre der marktwirtschaftl. anmutende Anteil das Ersparte am Monatsende, wenn die Priorität am anonymen Einkommen hängt.

    Ich habe mir angewohnt diese beiden Einkommen zu unterscheiden, da einerseits unterschiedliche Preise ausbilden und sie im mitteleuropäischen sog. Wohlstandmodell vermischt sind.

    Wenn man die Zuschüsse über Hartz IV als Ergänzung mit einem marktwirtschaftl. Einkommensanteil interpretiert, so offenbart sich, dass allein wie unter der Annahme eines Wachstums gleich dem der 50er und 60er die Entnahme von Gütern aus der wachsenden Vielfalt über das umverteilte Einkommen gelingt. Ansonsten ist eine Kombination aus beiden gefordert und/oder ergänzt um Zins- resp. Spekulationseinkommen. Umverteiltes Einkommen, die Rechnung, der Zinsgewinn und der Spekalutationsgewinn bilden die solide Basis für die Entnahme von bereitgestellten Gütern in der Zukunft.

    Der Wahlerfolg der AfD hängt etwas salopp formuliert mit 2 Entwicklungen zusammen.

    Wo hat sich Marktwirtschaft und die damit verbundene Gütervielfalt etabliert? Im Unternehmen (Entwicklung der letzten Dekaden) und zuvor im Spiel- resp. Kinderzimmer. Auf diesem Wege wurde der Zuwachs an Vielfalt vom Auge des Konsumenten ferngehalten.

    Der Herr Kohl, sagen wir mal so, hat mit dem Gürtel enger schnallen die regelm. im Regal auftauchenden Güter forciert.

    In alter sozialdemokratischer Manier wird der Abgleich zwischen diesen beiden Einkommensarten entlang des Zuwachses konstant steigender Mengen und Produktivität über Gemeinden und Umverteilung geregelt. Der Abgleich mit der Wirtschaft (in Österreich bspw.) passiert auf Ebene der Länder (Landkreisebene in Bayern).

    Was die Menschen heute wahrnehmen ist, die ihres Einkommen wie eines in der DDR und das Internet stellt sich dar wie der Funkturm kombiniert mit dem Intershop.

    Der Anblick der Vielfalt im Internet (und nicht nur dort) lässt sie voller Ehrfurcht erstaunen, die Vorfreude aus dem reichhaltigen Angebot zu schöpfen steigt in den Zenith. Jedoch der Anblick des leeren Geldböserls bringt sie zum weinen. Aber nicht alle!

    Der marktwirtschaftl. anmutend(er)e Anteil des umverteilten Einkommens ist eben eher für Güter welche unwahrscheinlicher im Regal anzutreffen sind und/oder auch seltener entnommen. Meiner Ansicht nach ist die Einkommensspreizung, hoffe der Ausdruck stimmt, ein Ergebnis der Gütervielfalt die über die globalen Märkte über uns hereinbricht.

    Das passt nicht zum umverteilten/anonymen Einkommen im Moment, da dieses nur funktioniert, wenn alle am Morgen Brot, wenn möglich Butter und Marmelade draufstreichen und am Abend in die Glotze starren oder aufs Smartphone (dem neuen interaktiven Fernseher mit Akku).

    Globalisierung heißt aber auch Gütervielfalt. Deswegen wird man nicht entkommen umverteilte Einkommen, Rechnungen (markt. Anteil) und wenn zweites nicht funktioniert die Aufzahlung im Rahmen von Hartz IV, eine’wiederkehrende Rechnung‘ an den Staat, zu schreiben.

    Sobald die Arbeit nicht mehr global kann verlagert werden aufgrund Einkommensniveaus wird das anonyme/umverteilte Einkommen immer weniger liefern. Das funktioniert ja ‚allein‘ unter der Annahme, dass die Maximierungsstrategie den Stückpreis so drückt, dass die umverteilten marktwirtschaftl. anmutenden Anteile mehr Menge kaufen. Geht das nicht mehr entsteht die sog. ‚Ungleich(er)verteilung‘.

    Deswegen vermutlich auch die Strategie von New Economy die Produktvielfalt billigst bereitzustellen und am langen Ende erst den Profit zu machen, wenn alle nurmehr Rechnungen schreiben.

    Für Zuwander bspw. wäre eine konkrete Konsequenz aus dieser Analyse, dass sie vormittags Deutsch lernen und sich fortbilden, am Nachmittag basteln und im Shop der Gemeinde ihre Güter feilbieten. Im Gegenzug vergibt die Gemeinde zuerst Kredit an den Zuwandernden (oder grad auch Flüchtling) und sammelt das Geld wieder ein. Mit der Zeit reduziert sich dieser Betrag und der Zuwandernde der mittlerweile ausgebildet ist und zumindest der lokalen Sprache kundig schreibt eine Rechnung über sein gesamtes Einkommen, mit viel Glück eine wiederkehrende.

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