Analyse

Wie der Grexit abläuft

Akropolis in Athen

Heute haben es die europäischen Staats- und Regierungschefs wieder einmal in der Hand. Der Grexit, der Austritt Griechenlands aus der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, könnte beginnen. Wie würde es weitergehen, wenn die Staats- und Regierungschefs heute oder wahrscheinlich morgen, früh in der Nacht im Streit um die griechischen Schulden auseinandergingen?

Auch die Syriza-Anhänger in Griechenland bekämen bei einem Scheitern des Gipfels kalte Füße und würden morgen versuchen, ihre letzten Guthaben von den Konten zu räumen. Dann hängt alles von Mario Draghi ab.

Die griechischen Banken können sich seit Wochen nur noch mit Notfallkrediten der EZB über Wasser halten. Letzte Woche musste die EZB zweimal den Rahmen für diese ELA-Kredite erhöhen. Inzwischen haben die griechischen Banken ELA-Schulden von 86 Milliarden Euro angehäuft. Wenn nun ein griechischer Staatsbankrott nicht mehr abzuwenden ist, hat Draghi keinen Spielraum mehr. Auch er weiß, dass sich in Griechenland die Banken einem Sog von Staatspleite und sich neu verschärfender Wirtschaftskrise nicht entziehen können. Da aber ELA-Kredite an Pleite-Banken verboten sind, wird Draghi und sein EZB-Rat morgen die Notbremse ziehen und neue ELA-Kredite stoppen.

Spätestens jetzt wird auch die griechische Regierung zu praktischen Maßnahmen gezwungen. Einige Banken werden wohl schon am Nachmittag ihre Geldautomaten abstellen. Irgendwo wird es auch eine Prügelei vor einer Bankfiliale geben. Nur zwei leicht Verletzte, aber ein willkommener Vorwand die notwendigen Bankfeiertage zu verkünden. Die Banken werden also von Mittwoch an für den Rest der Woche geschlossen. Geld abheben ist unmöglich, alle Überweisungen, ja der gesamte Zahlungsverkehr werden gestoppt.

Henning Klodt vom Kieler Institut für Weltwirtschaft glaubt nicht, dass die griechische Regierung Vorkehrungen für einen Grexit getroffen hat. Das hätte ihre Verhandlungsstrategie gegenüber den EU-Partnern konterkariert. Die habe nämlich darin bestanden, für den Fall der Nicht-Einigung das größtmögliche Chaos in Aussicht zu stellen. Die Bankfeiertage geben Tsipras und Varoufakis aber nun die Gelegenheit, die Grexit-Planungen nachzuholen.

Doch Tsipras und Varoufakis haben noch andere Sorgen. Bis spätestens Ende des Monats sollen sie 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen, was sie nicht tun werden. Zudem fehlt Presseberichten zufolge selbst für Renten und Löhne das Geld.

Übrigens hat Griechenland – zumindest laut offiziellen Zahlen seines Finanzministers – noch bis April einen Primärüberschuss erwirtschaftet. Das war auch für die Verhandlungen wichtig, denn der Primärüberschuss bedeutete Nettozahlungen an Griechenlands Gläubiger. Man konnte mit der Einstellung dieser Nettozahlungen drohen. In „Neuer Kuhhandel statt Euroaustritt Griechenlands“ habe ich das genauer beschrieben.

Nun scheint allerdings der Primärüberschuss verschwunden. Um Löhne und Renten ohne ausländische Hilfen zu zahlen, wird Yanis Varoufakis Notgeld drucken. Das Notgeld kann GEuro heißen, wie einige Wirtschaftswissenschaftler vorgeschlagen haben. Geuro und Euro würden allerdings im Alltag häufig zu Missverständnissen führen. Und da der Name Drachme vorbelastet ist, bietet sich die Bezeichnung Phoenix an. So hieß bereits die erste griechische Währung von 1828. Danke übrigens an Andena für diesen Vorschlag.

Mit dem neuen Phönix werden Löhne und Renten bezahlt. Offiziell zum Kurs 1 Euro:1 Phönix. In den Geschäften wird sich aber schon bald ein höherer Eurokurs durchsetzen. Man wird vielleicht 2 Phönix für einen Euro zahlen müssen. Damit das Notgeld akzeptiert wird, reicht es allerdings aus, dass der Staat selbst es für Steuern und Gebühren im Kurs 1:1 annimmt.

Der kurzfristige Vorteil der Parallelwährung ist, dass die Eurokonten der Griechen nicht angetastet werden. Die griechische Regierung wird das auch propagandistisch herausstellen: „Euer Geld ist sicher, bringt das Eurobargeld den Banken zurück.“ Zusätzlich zu den schönen Worten wird es allerdings auch Kapitalverkehrskontrollen für Überweisungen ins Ausland geben.

Ob das ausreichen wird, um die Banken zu stabilisieren, und wenn ja, wie lange, ist fraglich. Höchstwahrscheinlich wird man schon bald neue Bankfeiertage brauchen. Und danach sind alle Konten 1:1 auf Phönix umgestellt. Glücklicherweise sind die Preise für inländische Produkte in Euro oder Phönix bereits stark gesunken.

Währungspolitisch könnte Griechenland und seine Notenbank Teil des Eurosystems bleiben. Der Euro bleibt also offizielles Zahlungsmittel in Griechenland, auch wenn alle (außer den Touristen) nur noch Phönix besitzen.

Vielleicht wird man irgendwann die Rechtslage der Praxis angleichen und einvernehmlich beschließen, dass Griechenland aus dem Eurosystem ausscheidet. Das ist zwar laut Europäischen Verträgen unmöglich, aber um die kümmert sich schon lange niemand mehr.

PS: Zusammen mit den Konten werden natürlich alle Schulden in Griechenland auf die neue Währung Phoenix umgestellt. Also nicht nur die Banken profitieren, sondern alle Schuldner.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto (LennieZ): Akropolis, Athen, Griechenland


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16 Kommentare

  1. Andena sagt

    Sehr guter Artikel. Herzlichen Glückwunsch!

    Ein Wechselkurs von 1 Euro : 1 Phoenix lässt sich allerdings nur dann auch länger halten, wenn #Griechenland einen Überschuss erwirtschaftet und der Abfluss der #Euro aus dem Land gestoppt werden kann.

  2. Halten Sie es wirklich für eine gute Idee, die europäische Einlagensicherung aufzugeben (wie dies beim obigen Szenario der Fall wäre)? Was würde das für nicht ganz so gut aufgestellte spanische oder italienische Banken bedeuten? Haben Sie diese Folgen bedacht?

  3. Der Grexit hat nichts mit der Einlagensicherung zu tun. Die Konten werden zum offiziellen Wechselkurs auf Phoenix umgestellt. Was ich oben vergessen habe zu schreiben, ist allerdings, dass diese Umstellung natürlich für alle Schulden in Griechenland gilt. Also nicht nur die Banken profitieren.

  4. Pingback: Kleine Presseschau vom 23. Juni 2015 | Die Börsenblogger

  5. „Der Grexit hat nichts mit der Einlagensicherung zu tun. Die Konten werden zum offiziellen Wechselkurs auf Phoenix umgestellt.“

    Wüsste gerne, welches Gesicht Sie machen würden, wenn Ihnen Ihre Bank statt 100 Euro nur 100 Gummibärchen auszahlt – natürlich zum offiziellen Wechselkurs 1:1.

    Wenn Sie bei einer Bank Euro einlegen und bekommen was gänzlich anderes zurück, dann ist das keine Einlagensicherung! Aber genau das impliziert Ihr Szenario.

  6. Häschen sagt

    Deutschland muss mal die Gegenrichtung einschlagen. Statt den Gürtel enger zu schnallen wird die Hose rausgelassen… Eine innere Aufwertung ist politisch leichter durchzuhalten. Ich schätze am Zenit der Entwicklung wird der Herr Ulrich sich einen Polster vorne reinstopfen, eine Perücke aufsetzen und in perfekten Italienisch die Reporter mit den Worten, ‚Gestatten Beppe mein Name, ich war nie ein anderer‘, auf eine Verwechslung hinweisen 🙂

    Interessanter Artikel auf jeden Fall.

    Dieser Aspekt, die Parallelwährung, wurde bis heute nicht wirklich einfach erklärt. Heiner Flassbeck hat in einem Radio-Interview mal bemerkt, dass der Korrukturbedarf sich bei 30% Daumen mal Pi einpendeln wird. Die Gefahr ist eher, dass die Abwertung im Fall eines mutigen aber doch übereilten Schritts zu hoch würde ausfallen. Mit eiliger Zehe von hinnen geschlichen nicht eher die Ultima Ratio ist als ein schlauer Schachzug.

    In der öffentlichen Diskussion ist eher über die Auswirkungen, denn die Ursachen gesprochen worden. Das rege Handelstreiben gehört wieder instandgesetzt. Daran führt kein Weg vorbei. Wenn etwas weitergehen soll, dann knallt man einen Koffer voller Geld am Tisch und sagt, ‚Jetzt tun wir, wollt ihr ein Geld oder Lösen wir die Misere‘. Umverteilung schafft keinen Wohlstand. Egal ob Syriza alte Kommunisten sind oder nicht, Arbeit kann sich keiner sparen. Die griechische Bevölkerung wird ja wohl wissen welche Unternehmen aktiviert werden können.

    Wenn es hart auf hart geht muss man die Bank Of Greece ausschalten und die Banken direkt unter die EZB hängen als Zahlstellen sei es über die nächsten 5 Jahre… alternativ die Deutsche Bundesbank über die OeNB. Das wäre eine ganz gute Kombination. Überbezahlte Beamte bekommen mal etwas zu tun und wenn Griechenland zum Exporteuropameister wurde, dann haben sie sich die Pensionen auch verdient. Es tun sich in Europa immer wieder Chancen auf vorhandene Potentiale zu schöpfen.

    Eines wird offensichtlich. In früheren als Banker noch angesehene Menschen waren oder zumindest die Bevölkerung in der Breite dieser Überzeugung war, lehnten sich diese nachdem ihre Kredite trotz einer Insolvenz nicht ausfielen, zurück und klopften sich gegenseitig auf die Schulter mit den Worten, ‚Denen haben wir jetzt beigebracht wie man mit Geld umgeht, die werden uns ewig dankbar sein‘. Nachher haben sie sich gewundert warum andere das Geschäft machen.

    Frau Merkel hat sich, so wie es aussieht, einspannen lassen als P**fmutter der Z**sh***n wider Willen. Der Herr Schäuble wird auch nicht darauf bestehen als Türsteher in die Geschichte einzugehen, als der Zerberus. Ein schlauer Kopf ist doch besser als 3. Programmieren kommt aus dem Griechischen und heißt, ‚Zu Tun‘. In dem Sinne ist zeit zum Zangeln und nicht Manderl malen in der Design Umgebung. Griechenland wurde neu modelliert und die User sind inzwischen verhungert oder haben das Interesse am Projekt verloren. Eine Demonstration für E.U. und gegen eine E.U und EURO bringt wenig, denn Athen ist soweit weg von Brüssel…

  7. „Wüsste gerne, welches Gesicht Sie machen würden, wenn Ihnen Ihre Bank statt 100 Euro nur 100 Gummibärchen auszahlt – natürlich zum offiziellen Wechselkurs 1:1.“ – Ich würde natürlich Luftsprünge machen, weil ich gleichzeitig für meinen 10.000-€-Kredit nur noch 10.000 Gummibärchen zurückzahlen müsste. Und da würde ich doch gleich auf Shopping-Tour gehen und die Wirtschaft ankurbeln.

  8. Ich bin da eher konservativ und möchte nicht, dass Menschen, die ihr Leben lang gespart haben, ihre Altersvorsorge dem kommunistischen Traum vom generellen Schuldenerlass opfern müssen.

  9. Damals haben die Deutschen buntes Papier abgegeben und die gute DM bekommen, heute würden die Griechen für gute Euro buntes Papier mit dem Namen Drachme bekommen. Offensichtlich ist das also das genaue Gegenteil. Ich wünsche Ihnen aber viel Glück für die weitere Suche nach einer Währungsreform, bei der tatsächlich von einer stabilen Währung auf eine Weichwährung umgestellt wurde.

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