Wenn ein schwacher Staat wie Griechenland aus der Eurozone austritt, erfordert das zweierlei. Man muss die Einführung einer neuen Währung und gleichzeitig ihre Abwertung managen. Der mit dem „Wolfson Economics Prize“ ausgezeichnete Bootle-Plan (vgl. auch: Wie man die Eurozone verlässt – Grundlagen) legt dafür ein Konzept vor.
Roger Bootle sieht im Übrigen keine rechtlichen Hindernisse für den Euroaustritt eines Landes. Internationales Recht erlaube selbst die Kündigung eigentlich unauflöslicher Verträge, wenn sich die Bedingungen grundlegend geändert haben. Und für Einzelmaßnahmen zum Austritt könne man sich im nationalen und europäischen Recht auf Notstandsklauseln berufen. Beispielsweise sehen die europäischen Verträge im Notfall die Möglichkeit von Kapitalverkehrskontrollen mit bis zu sechs Monaten Dauer vor.
Notmaßnahmen sind schon allein deswegen notwendig, weil nach Bootle die Vorbereitung eines Euroaustritts möglichst geheim ablaufen soll und die Durchführung möglichst schnell. Idealerweise werde die neue Währung Freitag abends angekündigt und bereits am folgenden Montag um 0:01 Uhr eingeführt.
In der Zwischenzeit haben alle Banktätigkeiten (Überweisungen, Auszahlungen am Geldautomat usw.) zu ruhen. Die Bankfeiertage verhindern eine Kapitalflucht aus dem Land und eine Plünderung der Konten, um sich Euro-Bargeld zu verschaffen. Beides würde ansonsten stattfinden, um die Umstellung der Guthaben von harten Euros in eine Weichwährung wie den Drachme zu umgehen.
Der Einfachheit halber sollte der Umtauschkurs Euro:Drachme (wir bleiben beim griechischen Beispiel, dem Grexit) 1:1 lauten. Umgestellt werden Löhne, Preise, Bankdarlehen und -guthaben sowie Geldwerte. Bootle sieht kein Problem darin, in einer Übergangszeit weiterhin Euroscheine und -münzen für die neue Währung zu benutzen, eben solange bis die neuen Banknoten und Münzen hergestellt und in Umlauf gebracht werden.
Die neue Drachme sollte am Devisenmarkt sofort frei handelbar sein. Bootle hält es für am wahrscheinlichsten, dass sie kurzfristig um bis zu 70% fällt, sich dann aber wieder ein Stück weit erholt. Da sich damit Importe drastisch verteuern, sollte die Inflation vorübergehend auf 13% steigern. Die Gefahr einer dauerhaften Inflation bestehe aber nicht.
Durch die Abwertung wird die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wieder hergestellt. Auch die Staatsschulden werden umgestellt und damit leichter abzutragen. Im Falle Griechenlands ist zusätzlich ein darüber hinausgehender Schuldenschnitt nötig. Um Inflation und Abwertungsdruck möglichst schnell in den Griff zu bekommen, sollte der Staat seine Sparpolitik fortsetzen und eine eher restriktive Geldpolitik mit niedrigen Inflationszielen verfolgen.
Die Abwertung wird sowohl Verbindlichkeiten als auch Vermögenswerte vornehmlich der griechischen Banken treffen. Nach Schätzungen Bootles wird ihr Verlust daraus größer sein als der aus dem Schuldenschnitt Griechenlands im Frühjahr. Eine staatlich unterstützte Rekapitalisierungen der Banken werde erforderlich. Insolvenzen in anderen Wirtschaftssektoren bleiben dagegen nach Bootle beherrschbar.
Auch auf die Staaten, die im Euro verbleiben komme einiges zu. Eher weniger bedeutend ist für sie die Stützung von Banken. Selbst wenn alle Krisenländer austreten (also Spanien, Italien, Irland, Portugal und Griechenland), der Kapitalbedarf der Banken beträgt nach Bootles Schätzung selbst in Frankreich lediglich 2,3% des BIPs, in Deutschland sogar nur 1,5%. Weitere Verluste entstehen allerdings durch Abschreibungen auf die Target-Salden. Griechenlands Targetsaldo macht 2% des BIPs der anderen Eurostaaten aus.
Seien wir aber ehrlich: Es ist sowieso völlig schleierhaft, wie die Wirtschaft der Krisenländer ihre gesamten Schulden inklusive Targetsalden jemals selbständig zurückzahlen können.
Bootle empfiehlt ausdrücklich, dass die Resteurozone in Richtung einer echten politischen Union voranschreitet, schon allein um Ansteckungsgefahren zu minimieren. Er glaubt auch, dass dies nach einem Austritt der Krisenländer politisch besser durchsetzbar sei. Ein Argument, das für Deutschland stimmen mag, denn die Opposition in Deutschland gegen eine politische Union in Europa rührt hauptsächlich aus der Angst, dadurch zum Zahlmeister zu werden. Eine Angst, die schwindet, wenn man es nur noch mit Ländern wie die Niederlande, Österreich oder Finnland zu tun hat. In den kleineren Resteuroländern wird dafür meiner Meinung nach die Angst vor deutscher Übermacht in einer reinen Nordeuropaunion eher steigen. Und damit der Widerstand gegen eine politische Union.
„Auch die Staatsschulden werden umgestellt und damit leichter abzutragen.“
Das ist leider eine sehr naive Sicht der Sachlage, Anleihen, die in Euro ausgegeben wurden, kann man gar nicht „umstellen“, die lauten heute wie morgen auf Euro.
Wenn GR die Drachme wiedereinführen würde, und alles in Drachme abwickeln würde, wären die Schulden trotzdem in Euro.
Das ist in zweierlei Hinsicht katastrophal für GR:
Erstens würde die Drachme abwerten, und damit auch sämtliche Einnahmen des Staates (in Euro gerechnet).
Zweitens würde der Euro aufwerten, die Schulden für GR gerechnet in Euro würden damit ins Unendliche steigen.
Griechenland wäre damit unweigerlich bankrott, und da würden auch keine Hilfszahlungen mehr nutzen.
Der Bootle-Plan hat irgendwie eine falsche Annahme getroffen, die so leider nicht haltbar ist. GR kann rechtlich seine Schulden nicht auf Drachme umstellen, und somit bliebe nur der Staatsbankrott.
Warum werden solche faktisch falschen Vorschläge überhaupt diskutiert?
Bootle widmet sich dem Thema ausführlich: Fast alle Staatsschulden der Krisenländer wurden nach nationalem Recht begeben und fallen unter nationaler Gerichtsbarkeit. Daher kann nationales Recht auch die Neunominierung dieser Schulden in neuer Währung zu einem beliebigen Umtauschkurs verfügen. Von den internationalen Ratingagenturen würde das natürlich als Insolvenz („default“) eingestuft, das ist aber eine andere Geschichte.
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Nun, ich bin kein Rechtsgelehrter, aber auch nach nationalem Recht können die Anleihebedingungen nicht einfach so übergangen werden.
Gut, letztendlich sitzt GR natürlich am längeren Hebel und könnte eine Art Notverordnung erlassen. Das wäre aber in den Augen der ausländischen Schuldner ein Rechtsbruch.
Das Resultat wäre vermutlich, daß GR ähnlich wie Argentinien für sehr lange Zeit von den Kapitalmärkten abgeschnitten wäre und sich kein griechischer Frachter mehr in ausländische Häfen trauen würde (Den Argentiniern wurden z.B. ganze Flugzeuge im Ausland gepfändet).
Auch muß man sehen, das mit dem Austritt mehrerer Länder aus dem Euro praktisch Europa in 2 Hälften geteilt wird – Euro-Länder in Wirtschaftunion und Nicht-Euro-Länder als Resteuropa.
Ich sage mal vorsichtig: Ich glaube Bootles Ansatz ist nicht die Lösung.
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