Wirtschaftswurm-Blog

Wirtschaftswachstum: Mal eine interessante Prognose statt einer alten Wachstumsrate

2014-2023: BIP-Wachstum Eurozone 1,4%, Pro-Kopf-BIP-Wachstum Eurozone 0,9%, Pro-Kopf-BIP-Wachstum USA 1,8%

Alte Zahlen zum Wirtschaftswachstum machen Schlagzeilen. Neue langfristige Prognosen zum Wirtschaftswachstum werden dagegen bisher in den deutschen Medien unterschlagen.

Statistik macht Schlagzeilen. Das kommt nicht oft vor, aber gestern und heute war es der Fall. „Wachstum so schwach wie seit 2009 nicht mehr“, titelte beispielsweise die FAZ. Anlass war die Bekanntgabe des Statisitischen Bundesamtes, dass die deutsche Wirtschaft 2013 um 0,4 % gegenüber 2012 gewachsen ist.

Die Wachstumsrate liegt in der Tat unter dem langjährigen Durchschnitt, der 2002-12 1,1 % betrug. Aus journalistischer Sicht waren die 0,4% aber „banal“. So schreibt es André Kühnlenz. Was er damit meint? Ihr Neuigkeitswert war fast null. Da man nämlich die Jahreswachstumsraten der Quartale bis einschließlich des dritten Quartals 2013 bereits kannte, kannte man 93,75% der Komponenten des Jahreswachstums 2013. Kühnlenz rechnet das in seinem Blogbeitrag genau vor.

Nun zu dem wirklich Unbekannten. Einige Makroökonomen der Brüsseler Kommission haben sich nämlich jüngst mit einer Wachstumsprognose für die Eurozone bis zum Jahr 2023 hervorgetan. Und diese Prognose ist wenig vergnüglich. Die Ökonomen rechnen nämlich mit einer lang anhaltenden Phase geringen Wirtschaftswachstums.

Konkret prognostiziert die Studie der Eurozone 2014-23 ein Wachstum von 1,4% jährlich und ein Wachstum des Pro-Kopf-BIPs von 0,9% jährlich. Das ist deutlich weniger als in der Vorkrisenphase 1998-2007. Es ist auch weniger als in den USA. Dort soll das jährliche Pro-Kopf-Wachstum 2014-23 nämlich doppelt so hoch sein: 1,8%.

Im Ergebnis wird 2023 der Lebensstandard der Europäer nur noch 60% des der US-Amerikaner betragen. Das ist ein so niedriger Wert wie seit Mitte der 60er Jahre nicht mehr.

2014-2023: BIP-Wachstum Eurozone 1,4%, Pro-Kopf-BIP-Wachstum Eurozone 0,9%, Pro-Kopf-BIP-Wachstum USA 1,8%Nun gibt es allerdings ein Dilemma: Entweder ist etwas bekannt und ein alter Hut (wie zum größten Teil die Jahreswachstumsrate 2013) oder eben es ist unbekannt und höchst ungewiss. Letzteres trifft für die Prognose der Brüsseler Ökonomen zu.

Man sollte die Zahlen darum nur als ein interessantes Szenario ansehen. Interessant, weil vor allem die Gründe interessant sind, die zu dem Pessimismus der EU-Ökonomen führen:

  1. Bereits Mitte der 90er Jahre gab es einen Bruch im Wachstum der „totalen Faktorproduktivität“ (TFP) in Europa. Die TFP beschreibt nach Ansicht der Wirtschaftswissenschaften den technischen Fortschritt in der Wirtschaft.
  2. Europa wird lange mit den Nachwirkungen der Finanzkrise zu kämpfen haben. Da ist Hysterese auf dem Arbeitsmarkt, was bedeutet, dass durch lang dauernde Phasen der Arbeitslosigkeit Qualifikationen verloren gehen, anstatt hinzugewonnen zu werden. Da ist eine während der Krise entstandene Investitionslücke und ein „beeinträchtigtes System der Kapitalallokation“, das weiterhin zu Fehlinvestitionen anreizt.
  3. Schließlich die negativen Effekte einer in Europa besonders stark alternden Gesellschaft.

In der Studie nicht genannt wird die Einheitswährung Euro, aber sie gehört meines Erachtens zum „beeinträchtigten System der Kapitalallokation“ zweifellos dazu. Denn der Euro kann offensichtlich nur durch eine Geldschwemme der Zentralbank erhalten werden. Das viele neue Geld verschwindet aber in unproduktiven Finanzanlagen und Finanzblasen.

Wenn ich nun oben schrieb, dass die in der Studie vorgestellten Zahlen sehr ungewiss sind, dann bedeutet das: Die Entwicklung kann sehr viel besser werden, aber sie kann auch noch sehr viel schlechter werden.


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12 Kommentare

  1. thewisemansfear sagt

    Da ist aber das Prinzip Hoffnung bei den Autoren der EU-Wachstumsprognose ein wichtiger Faktor gewesen…
    Mal generell gesprochen, zu den Meldungen zum schwachen 0,4% Wachstum von D in 2013 hört man: schuld sei eine schwächelnde Weltwirtschaft und das immer noch kriselnde europäische Ausland.
    Aua.
    Überlegt denn niemand mal, wie die Welt an sich „Wachstum“ erzeugt? Kann dann die schwächelnde Mond- oder Marswirtschaft für verantwortlich gemacht werden?
    Sorry für die Übertreibung, aber es bleibt nun mal ein Fakt, der gerne übersehen oder absichtlich ausgeblendet wird, dass man nur durch Investitionen weiter wächst. D.h. jemand muss (zusätzliches) Geld in die Hand nehmen und was (produktives) draus machen. Warum dabei hierzulande nur auf das Ausland geschaut und gewartet wird, bleibt das Geheimnis unserer Eliten.

    Um auf den vagen Abschluss des Artikels zurückzukommen: Siehst Du irgendwo Anzeichen bzw. Anreize für steigende Investitionen? Ich nicht, von daher ist diese Studie voll von Schönfärberei.

  2. Häschen sagt

    Die Amis verdoppeln ihre Zahlen gerne. Der optimistische Blick in die Zukunft ist ob der ruhmlosen Vergangenheit auch verbleibende Alternative.

    Die Progonse, jetzt aus Sicht der E.U., reflektiert bereits die Umgestaltung der E.U. in eine postindustrielle Gemeinschaft in der die Leistungsträger zum Zwecke der Völkerverständigung in Anatolien eine Dekade lang die großen Schlachten der Hethiter mit den ägyptischen Pharaonen nachspielen. So 20k Krieger auf jeder der beiden Seiten wurden auch damals schon gezählt. Hingegen lenken beschäftigungslose Schauspieler aus Berlin die Geschicke der Nation in den Zentralen von Konzernen. Tja, das ist wahr, wo er recht hat er recht, der Herr Buti. Die Prognose für die nächsten 10 Jahre wird dann vermutlich jedes Quartal exakt angepasst.

    Wenn die Franzosen auch noch mittun, dann könnte man die Prognose sogar als zukunftsweisend erachten, denn irgendwer muss ja das Ägyptische Heer auch darstellen.

    Hysterese:

    Geht da wirklich so viel Qualifikation verloren in dieser speziellen Situation? Sie haben einerseits arbeitslose Akademiker und Hilfskräfte. Leut die etwas ordentliches erlernten haben eh nicht wirklich ein Problem, das sie so auch nicht hätten.
    Fragen sie einen Akademiker, was er von der Uni noch braucht im Job und beim Hilfsarbeiter wird sich der Verlust der Qualifikation in Grenzen halten. Die können sie ruhig 10 Jahre nach Anatolien schicken. Ob jetzt beide Gruppen gemeinsam Schauspielen in der Wüste oder dort einen Flughafen bauen den nie jemand braucht aber dafür managen …

    Insbesondere bei der Jugendarbeitslosigkeit, noch nie wirklich im Job, da geht bei einem Pensionsantritt mit 70 Jahren wenig verloren. Wenn der Jungakademiker irgendeinen Job macht haben sie die Hysterese genauso. Konsumiert derjene einen Teil seiner Pension vorher und hat so mal nicht unbedingt viel gekostet.

    Es sitzt aber kaum jemand Zuhause und sieht fern. Wenn Unternehmen in solchen Dimension noch würden denken. Man kann heute durchaus Qualifikationen in Ruhezeiten erwerben auch online. Die jungen Griechen sind zurück gegangen aufs Land und pflanzen landwirtschaftliche Produkte an. Die kamen auch drauf, dass Land zumindest Nahrungsmittel auf Bäumen wachsen oder im Olivengarten.

    Die Welt ändert sich und die Qualifikationen mit ihr. Eine Hysterese kann On The Job genauso blühen. Wobei der Rest der Welt kocht auch nur mit Wasser.

    Alter ist auch relativ. Wer schlau ist gibt dem Kundenkreis Pensionisten und älteren Arbeitnehmern Pendendants in der Wirtschaft die noch eine gemeinsame Sprache sprechen. Es ist ja nicht die Konkatenation von Zeichenketten die ein Gespräch letztendlich aus macht.

    Beispiel mit gewagter Lippe und kühner Prognose: Tun wir der Frau Merkel nach ihrem Langlaufunfall etwas Gutes und versetzen sie für eine Legislaturperiode in Tiefschlaf . Hat eh die letzten Jahre kaum geschlafen und den Herrn Gabriel erspart sie sich auch. Im Schnitt hat sie dann 12 Stunden geschlafen oder 13 und erwacht am Ende der Legislaturperiode putzmunter. Kein Wunder bei 12 Stunden Schlaf am Tag. D.h. Der durchschnittliche Schlaf der Frau Merkel unter der Annahme dass man sie in Tiefschlaf versetzt ermittelt sich im Schnitt mit 12 Stunden (Schlafmütze) obwohl sie Jahre lang kein Auge zugemacht hat im Rahmen der EURO Rettung. In dem Fall könne wir bereits relativ klar prognostizieren und prognostizieren doch Unsinn. Aber eines kann man vorhersehen nach 4,5 Jahre Schlaf muss man auf Reha bei 12 Stunden am Tag nicht.

    Genau so ist es mit der Wirtschaft. Sobald der Motor läuft, läuft er … und Probleme die man berücksichtigt lösen sich in Luft auf. Es darf allein keiner den Motor abwürgen. Lagarde – Banker am Steuer – der Motor lief heiß, schnell auf die Bremse und am Parkplatz rasten anstatt mit der Fahrtluft kühlen. Wenn Brüssel beginnt den Niedergang Europas zu planen, dann kann im Rahmen einer gewissen Planungsgenauigkeit das prognostizierte Ziel durchaus eintreten. Ende der Hethiter.

    Geld ist genug da an dem kann Wirtschaft nicht mehr scheitern. Möglw. die Banken. Dann tauschen wir die Währung am Ende respektive den Mechanismus dahinter. Versuchen aber bitte nicht eine Wirtschaft nach den Vorstellungen Erfordernissen von Banken und Finanzsystem auszurichten. In der Puppenküche der Christine kriegt der Teddybär ein leeres Glas vorgesetzt und muss sich bedanken. Bei der Janet im Kinderzimmer geht’s hoch her, da feiert die Barbie mit Champus und LSD. Das ist die 68er Generation – die verdoppeln die Prognosen, verprassen die Kohle und rauchen sich ein. Nachher wutzeln sie sich im Morast und nennen das Greenback 2.0.

    Wenn man die Bevölkerungentwicklung in den U.S. anschaut. Es ist die Differenz jener die bis 65 Jahre alt sind und darunter bis 2050 und darüber hinaus durchaus konstant. Europa geht bis 2050 und 2100 ja einen ganz anderen Weg – der Europäer geht unter. Deswegen kann ich allein begrüßen, wenn die Leut kommen sich Europa neu gestalten.

  3. @thewisemansfear,
    du zwängst mich jetzt in die Rolle des Optimisten, in die ich gar nicht hineinwill. Es sind ja die Autoren selbst, die sagen, es könnte auch besser werden als sie selbst errechnet haben. Ja, sage ich, aber es kann auch sehr viel schlechter werden, weil das Grundproblem der Eurozone noch nicht gelöst ist.

  4. @Häschen,
    Hysterese ist ein interessantes Thema. Der eine wird ein paar Jahre arbeitslos und fängt danach vielleicht eine Stufe unterhalb seines letzten Jobs an. Der andere, der seine Arbeit behält, wird in dieser Zeit eine Stufe hoch befördert. Durch die Arbeitslosigkeit ist dann auf der Karriereleiter ein Unterschied von zwei Stufen entstanden, und wenn beide fortan immer gleichzeitig befördert werden, dann bleibt dieser Unterschied bis zur Rente. Aber das ist die individuelle Sicht. Gesamtwirtschaftlich ist natürlich nicht ausgemacht, dass man beide befördert hätte, wenn der eine nicht arbeitslos geworden wäre. Vielleicht wäre dann dieser befördert worden und der andere nicht.

  5. PotzBlitzDonner sagt

    Ich frag mich gerade ob eine alternde Gesellschaft letztendlich nicht sowieso weniger Wachstum brauch um seinen Lebensstandart zu halten oder auch noch zu steigern. Das man das Wachstum pro Kopf rechnet finde ich ja schon mal vernünftig aber das alter des Kopfes sollte man auch vielleicht irgendwie abbilden !? Man denke nur mal an die Immobilien, wenn wir wirklich irgendwann mal weniger werden, dann bräuchte man natürlich nicht mehr in dem maß Immobilien zu bauen, dieser Schrumpfungsprozess der hier dann stattfindet überlagert andere Wachstumsprozesse.
    Deswegen hier auch noch mal mein Vorschlag etwas abgewandelt wir bräuchten vielleicht eine drei Kind Politik die es Familien ab drei Kindern ermöglicht ihr Kindergeld vom Staat vorfinanziert als Hypothek für ein Eigenheim zu bekommen.

  6. Pingback: Kleine Presseschau vom 17. Januar 2014 | Die Börsenblogger

  7. @PotzBlitzDonner,
    einerseits glaubst du, dass eine alternde Gesellschaft weniger Immobilien braucht, andererseits willst du den Eigenheimerwerb besonders fördern. Das passt nicht zusammen.

  8. PotzBlitzDonner sagt

    Doch tut es, weil ich will ja was gegen diese Entwicklung unternehmen. Es geht mir ja einerseits darum das Kinderkriegen anzukurbeln durch entsprechende Anreize um der Alterung entgegen zu wirken und beim Immobilienerwerb geht es auch mehr darum den Besitz des Immobilienbestands gleichmäßiger auf die Bevölkerung zu verteilen. Dies wird allerdings trotzdem erstmal zu einer größeren Bautätigkeit führen weil die Ansprüche auch wachsen werden und die Vermieter auch erstmal unter einen gewissen Druck gesetzt werden müssen, damit es zunehmend für Sie schwieriger wird einen Mieter zu finden und es besser für sie ist ihre Immobilie dann hoffentlich direkt an einen zukünftigen Eigenheimbesitzer zu verkaufen.

  9. Ich lese mit sehr großem befremden sowohl die erwähnte Studie als auch die Kommentare hier. Das Ausmaß des Autismus ist für mich manchmal ziemlich schwer zu ertragen.

    Ich frage mich ob Ökonomen auf dem gleichen Planeten wie der Rest der Menschheit leben. Eine Wachstumsprognose bis 2023, in der mit keinem einzigen Wort auf eine Energie und Ressourcenverknappung eingegangen wird, die die Auswirkungen des Klimawandels nicht erwähnt und die die weltweiten Aufstände gegen die Herrschaft der Banken ignoriert, wird diskutiert, als wäre sie wirklich etwas anderes als eine wahnhafte Zahlenmystik.

    Auf diesem fremden Planeten der Ökomomen gibt es wohl 2023 noch Fische im Meer und seine Küsten sind noch nicht durch den Klimawandel gefährdet. Der fremde Planet kennt kein Fukushima und keinen Haiyan Taifun. Ich wünschte ich könnte dahin auswandern. aber leider ist er eine Fata Morgana in der intellektuellen Wüste der Ökonomie.

  10. Wirtschaftswachstumsprognose bis 2023!? Phänomenal! Was gibt es doch für viele schlaue und doch wohl gelangweilte Menschen auf diser Welt!

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