Zwischenruf

Menschen, Menschen, bloß noch Menschen

Welle Flut Lawine

Die politische Korrektheit verbietet es mittlerweile, zwischen Menschengruppen zu differenzieren. Doch solcher Dogmatismus schadet der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis und richtet sich letztlich gegen den Geist der abendländischen Aufklärung.

Die deutsche Sprache kennt wohl mehrere Tausend Wörter für Menschen. Strikte Synonyme wie Erdenbürger oder Sterblicher gibt es aber nur ganz wenige. Die meisten Wörter für Menschen sind aus dem Bedürfnis heraus entstanden zu differenzieren.

Differenziert wird nach allem möglichen;

  • nach dem Alter etwa: Kind Jugendlicher, Erwachsener, Greis;
  • nach dem Geschlecht sowieso: Mann, Frau, Mädchen, Junge;
  • natürlich nach dem Beruf: Metzger, Lehrer, Busfahrer, Verkäuferin.
  • Menschen können nach hervorstechenden Wesenszügen benannt werden: Hektiker, Faulenzer; Besserwisser, Gutmensch.
  • Aber auch die Unterscheidung nach Tätigkeiten ist häufig: Leser, Reisender, Autofahrer, Zuhörer. Achtung, ein Leser der FAZ bleibt Leser der FAZ, auch wenn er gerade Radio hört, ein Reisender verliert dagegen seinen Status, wenn er gerade zuhause ist.
  • Viele Schimpfwörter eignen sich ausschließlich für Menschen: Arschloch, Hexe, Schlampe, Kamel. Okay, Kamel nennt man auch eine Gattung Wüstentiere, aber wer beschimpft schon seinen Hund als Kamel?
  • Dann gibt es die Unterscheidungen nach dem Aussehen (Blondine, Schwarzer, Krauskopf, Dicker) oder nach der Herkunft und der Religion (Deutscher, Araber, Muslimin, Kölner).
  • Kurz und gut: es gibt eigentlich kaum ein Merkmal, das nicht auch zur Bezeichnung von Menschen benutzt werden kann: Drogensüchtiger, Mieter, Gefangener, Millionär, Akademiker und so weiter und so fort.

Offensichtlich gibt es ein riesiges Bedürfnis, den Menschen nicht einfach nur als Mensch zu betrachten, sondern weiter zu unterscheiden. Das ist kein Wunder, denn die Umwelt des Menschen besteht zuallererst aus anderen Menschen: Freunden, Feinden, Kollegen und Konkurrenten.

Differenzierung als Basis von Erkenntnisgewinn

Mit den vielen Unterscheidungen gewinnen wir nicht zuletzt einen ersten Erklärungsansatz. So stehen einige Menschen morgens früh auf und melken Kühe, weil sie Bauern sind. Andere Menschen begrapschen Frauen, weil sie Männer sind oder weil sie Muslime sind oder weil sie einfach Arschlöcher sind.

Nicht all diese Erklärungen sind gut. Die Silvestervorfälle damit zu erklären, dass da ein paar Arschlöcher waren, führt nicht weit. Niemand wird als Arschloch geboren. Wer sich mit der Arschloch-Erklärung zufrieden gibt, kommt über ein quasi-religiösen Verständnis der Welt nicht hinaus, in der Gut und Böse die beherrschenden Kategorien sind.

Die beiden anderen Differenzierungen (ich meine Männer und Muslime) führen dagegen vielleicht weiter. Da aber weder alle Männer noch alle Muslime Frauen begrapschen, muss offensichtlich feiner differenziert werden. Und hier beginnen dann so langsam die Wissenschaften, also die Sozialwissenschaften. Die Differenzierung zwischen Menschen ist die Basis des Erkenntnisgewinns der Sozialwissenschaften.

Politische Korrektheit als Hindernis für Erkenntnisgewinn

Doch da fangen dann die Probleme mit der politischen Korrektheit an. Es ist zur rhetorischen Pflicht geworden, bei jeder Gelegenheit das Menschsein zu betonen und weitere Differenzierungen abzulehnen. Sogar die AfD ist davor nicht gefeit, wenn ihr Chef Jörg Meuthen von „Menschen muslimischen Glaubens“ statt von Muslimen spricht.

Ja gibt es auch Katzen muslimischen Glaubens?

Wenn es bloß nur eine rhetorische Mode wäre. Bei Leuten, die sich als links sehen, ist aus der Rhetorik schon längst Dogmatismus geworden und aus dem Dogmatismus eine Feindseligkeit gegenüber jeglichen Erklärungsversuchen. Nur ein Beispiel unter vielen im Netz ist hier Nadia Shehadeh mit ihrem Text „Arabisch und nordafrikanisch aussehenden MenschenTM“. Shehadeh lehnt die Erklärung der Silvestervorfälle durch kulturelle Prägungen wortreich ab, bietet aber keine andere, geschweige denn bessere Erklärung. Aus jeder Zeile ihres Textes wird klar, sie will überhaupt keine Erklärung, sie will von der ganzen Sache nichts wissen.

Auch als Wolfgang Schäuble ein einfaches und bildhaftes Erklärungsmuster für die nun weit über 1 Million Einwanderer nach Deutschland fand, war die Empörung unter den Dogmatikern groß. Wir erinnern uns, Schäuble sprach von einer Lawine und sagte:

„Lawinen kann man auslösen, wenn irgendein etwas unvorsichtiger Skifahrer an den Hang geht und ein bisschen Schnee bewegt“

In den sozialen Netzwerken verbreitete sich als Reaktion eine andere bildhafte „Erklärung“:

Welle Flut Lawine

Und Wolfgang Unglaub, auf Twitter ein bekannter Vertreter der politisch korrekten Unterhaltung kommentierte:

Allerdings ist mit der Feststellung, dass Flüchtlinge Menschen sind, rein gar nichts erklärt. Soll es wohl auch nicht. Die Entscheidung vieler Syrer und Nordafrikaner, nach Deutschland auszuwandern, wird zu einem nicht-hinterfragbaren Mysterium stilisiert.

Artikel wie „Mehr Analyse, weniger Schwarz-Weiß-Denken“ hier im Blog sind da natürlich ein Sakrileg. Und die gesamte abendländische Aufklärung und die gesamten Sozialwissenschaften sind es bald auch, wenn sich diese im Kern wissensfeindliche Haltung endgültig durchsetzt.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!


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6 Kommentare

  1. Jürgen sagt

    „aber wer beschimpft schon seinen Hund als Kamel“
    Oh, also da muss ich mich jetzt bekennen. Ich habe wiederholt männliche Angehörige der Spezies Equus als „faule Sau“ und weibliche Angehörige als „blöde Kuh“ bezeichnet. 😉

  2. Jimmy sagt

    Sprechen wir die Sache mal. Rassismus. Vor ewigen Zeiten saß ein fränzösischer Adeliger zu Zeiten der Romantik und hat von jedem auf dem Erdteil ein Exemplar gezogen (ein wenig genauer schon) und die versammelten Kulturleistungen ohne Berücksichtigung des Umfeld dem *einen* Exemplar zugerechnet und verglichen.

    Es geht hierbei insbesondere um die wissenschaftliche Methodik – die hat sich geändert.

    Der Sozialismus ist sehr beschäftigt nach Äußerlichkeiten zu unterscheiden … so ist es auch nicht verwunderlich, dass sich eine spezielle Gruppe von Sozialisten einen in Norddeutschland geborenen ‚Iraner‘ mit skandinavischen Migrationshintergrund zum ‚Ideal‘ hat erklärt und die Differenz davon mit der Prügelstrafe und darüber hinaus zu bemessen. Heute sind das Steuern und Geldbußen als Ersatz für die Prügelstrafe. Es war zumindest die Kombination aus der gefehlten wissenschaftlichen Methodik und der Beurteilung des substanzlosen Scheins der die Menschen in die Misere stürzte.

  3. @Jürgen, aber haben sich die Hunde beleidigt gefühlt?
    @Jimmy, ich lass den Kommentar mal stehen, obwohl niemand ihn verstehen wird.

  4. Jimmy sagt

    Sehr blumig umschrieben habe ich den ‚Arier’… damit sollte der Absatz klar sein und die mögliche Verwirrung jener die sich auf diese höchst erstaunlich anmutenden Ergebnisse bezogen.

    Ich bezog mich in erster Linie auf ‚Doch solcher Dogmatismus schadet der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis und richtet sich letztlich gegen den Geist der abendländischen Aufklärung.‘

    Das war eben die Kritik an der wissenschaftlichen Methode. Zuvor erhoben sich eben einzelne Menschen zu Gelehrten und im konkreten Fall wurde ein Klassifiaktionsschemen aufgestellt in dem bspw. die Kulturleistung auf ein Exemplar wurde bezogen. Kühnes Beispiel: Der ‚Rassismus‘ sagt aus, ‚Ein Deutscher hat 2,5 Bio BIP‘ und vergleicht dann mit den BIPs der anderen – das Gedankenexperiment weitergeführt oder EU Bürger hat eine Wirtschaftsleistung um Umfang des BIP in der E.U.

    — Das war mal der substantielle Irrtum des ‚Rassismus‘. Man stellt die Klassifikation einem Exemplar gleich.

    Das BIP pro Erdeinwohner sagt wenig aus. Womit will man vergleichen und was?

    Man kann aber mit einem BIP/Kopf und der Kenntnis der Bewirtschaftungsstrukturen als Ergebnis der Güterbereitstellung im gegeben Umfeld zumindest mal Anhaltspunkte für Vergleiche finden, auch wenn am Ende den gemeinsamen Güterkorb hergezogen wird.

    Man sollte nicht diese Zahlen im Sinne von schneller höher stärker interpretieren. Jetzt kommt es drauf an auf welchen ‚kulturellen‘ oder ideologisch geplätteten Untergrund die gefundene Kennzahl fällt, insbesondere wenn diese interpretiert und kommuniziert wird.

    Für jemanden der in einem Stahl produzierenden Betrieb den Schrottplatz bewirtschaftet ist was andere als Schrott empfinden oder gedanklich ‚minderschätzen‘ (unwesentlich bspw. aus Sicht der Kosten) 1a Ware – klar aus Sicht des Kühlschrottes.

    Ein BIP/Kopf sagt auch über den Einzelnen wenig aus. Die Kulturleistung im Rahmen der Bewirtschaftung wurde gleichverteilt der Bewertbarkeit resp. ‚Mess’barkeit willen – ist aber der Vergleichbarkeit von Wirtschaftsräumen geschuldet und nicht jener einzelner Menschen. Auch wenn diese Kennzahl dies dem Laien könnte suggerieren.

    Es geht am Ende viel mehr um die saubere Kommunikation des Untersuchungsergebnisses. In dem Punkt ist ebene ein Vortrag gefordert und nicht eine Kurzmeldung in den Medien…

  5. Jürgen sagt

    @Arne Kuster: ich konnte zumindest keine Anzeichen für beleidigt sein erkennen und es kam auch keine Beschwerde. 😉

  6. @Jimmy,
    „Es geht am Ende viel mehr um die saubere Kommunikation des Untersuchungsergebnisses.“ – Ja, und dabei kann man viel verkehrt machen. Aber immer noch besser als gar nichts zu untersuchen.

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