Wirtschaftswurm-Blog

Krimkrise: Die meisten EU-Staaten haben viel zu verlieren

Außenhandelsvolumen mit Russland Ausschnitt

Sollten die Sanktionen gegen Russland zu einem Handelskrieg eskalieren, würde das die Konjunktur der meisten EU-Staaten empfindlich treffen. Die USA wären dagegen kaum betroffen. Auch innerhalb der EU würde es die einzelnen Länder höchst unterschiedlich treffen.

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Ausgerechnet jetzt soll Russland aus der G8, der Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsmächte, suspendiert werden. Dabei gehört Russland neuerdings tatsächlich zu den acht größten Wirtschaftsmächten der Welt. 2013 überholte es nämlich das vom Euro und von Wirtschaftskrisen geplagte Italien und liegt nun – am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen – in der Rangliste der Staaten auf Platz 8.

Italien darf dagegen in der G8 bleiben, genauso wie Kanada. Dabei hätte eigentlich schon längst beider Plätze von China und Brasilien eingenommen werden müssen. Die G8-Gipfeltreffen sind auf dem besten Wege zu einer bloßen weiteren Filterblase unserer Regierenden zu werden. Das ist das genaue Gegenteil von dem, was mit dem ersten Treffen der damals noch G6 1975 auf Schloss Rambouillet beabsichtigt war: ein informeller Informations- und Erfahrungsaustausch.

Putin wird es verschmerzen können.

Schwieriger könnte es für Russland und Putin werden, wenn sich die westlichen Sanktionen zu einem echten Handelskrieg ausweiten. So melden sich aus den USA immer wieder Stimmen, die harte Wirtschaftssanktionen fordern.

Die USA selbst wären aber von einem Handelskrieg praktisch gar nicht betroffen. Ich habe mir mal die Außenhandelsdaten der russischen Statistikagentur angeschaut. Und um die Bedeutung des Handels mit Russland für die Wirtschaft eines Landes abzuschätzen, habe ich das jeweilige Handelsvolumen mit Russland im Verhältnis zum BIP des Landes gesetzt. Das Handelsvolumen ergibt sich dabei aus den russische Exporte in das betreffende Land plus den russischen Importe aus dem Land. Die BIP-Daten stammen vom IWF.

Das Ergebnis für 16 EU Staaten und die USA im Jahr 2012 ist im folgenden Diagramm dargestellt:

Außenhandelsvolumen mit Russland im Verhätnis zum BIP für Deutschland, Österreich, die USA und 14 weitere EU-StaatenWährend der Handel mit Russland für die USA praktisch bedeutungslos ist (Relation des Handelsvolumens zum BIP 0,17%), ist er für die meisten EU-Staaten so wichtig, dass ein Handelskrieg die Konjunktur massiv beeinflussen würde.

Dabei nimmt die Abhängigkeit vom Handel mit Russland tendenziell mit der geografischen Nähe zu Russland zu. Irland (Relation 0,78%) und Spanien (Relation 0,80%) treiben nur wenig Handel mit Russland Auch in Frankreich und Großbritannien ist die Bedeutung des Handels mit Russland kaum größer. Mit am höchsten ist sie dagegen in den Ländern, die eine gemeinsame Grenze mit Russland haben. Für Polen (gemeinsame Grenze über das Kaliningrader Gebiet) beträgt die Relation 5,58% und für Finnland 6,87%.

Als Ausnahme vom allgemeinen Schema springen die Niederlande ins Auge. Die Relation des Außenhandels mit Russland zum BIP beträgt dort 10,73%, ein Spitzenwert. Das liegt daran, dass auch der Handel anderer EU-Staaten mit Russland häufig über Tochterfirmen abgewickelt wird, die aus steuerlichen Gründen ihren Sitz in den Niederlanden haben und/ oder mit dem Rotterdamer Hafen verbunden sind.

Ein großer Teil des russisch-niederländischen Handels ist wohl in Wahrheit russisch-deutscher Handel. Realistisch gesehen müsste man Deutschland darum in der Grafik wohl zwischen Tschechien und Griechenland einordnen.

Deutschland und die meisten anderen EU-Staaten haben in der Krimkrise viel zu verlieren.


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23 Kommentare

  1. Häschen sagt

    Wir in Österreich bekommen den überwiegenden Teil des Erdgases aus Russland und Touristen kommen auch viele nach Wien. So einfach ist die Sache nicht. Außerdem sind in unsere Schigebiete ja auch fast russische Enklaven. Wir verweigern den Menschen bestimmt nicht den Zutritt zu ihrem Eigentum und Plätzen an denen sie sich wohlfühlen…

  2. Interessanterweise hat Österreich aber einen relativ geringen Russlandhandel dafür, dass es schon relativ weit östlich liegt.

  3. Häschen sagt

    Trotzdem ist es kalt im Winter, wenn das Erdgas nicht kommt. Ein Weilchen kann man sich mit dicken Socken, Patschen mit lustigen Mausohren drauf, Jacke usw. durchkämpfen. Ich heize meine Wohnung und Büro (das ist in einem) ja nur auf max 18 bis 19 Grad auf. Im Winter kann man ja vor die Türe gehen, dann ist es drinnen wieder relativ wärmer.

    Deutschland liegt aber an sich auch sehr weit östlich und nicht nur geographisch. Wir sind ja eher westlich orientiert :). Wir liefern an amerikanische Großkonzerne die in der Welt expandieren.

    Wäre mal interessant zu analysieren wie sich die Exporte und Importe zusammensetzen bei jenen, die hohe Summen gemeinsam mit Russland bewegen. Hängt vermutlich mit den Produkten zusammen. Bei uns wird vermutlich eher im kleinen Geschäft getrieben, während Deutschland gleich mit Siemens und Anlagenbau auftrumpft. Wäre mal eine Vermutung. Italien möglw. ähnlich.

    Ich bin an sich jedem Ukrainer eine freie Ukraine vergönnt. Denke aber nicht, dass die E.U. der Wegbereiter dieser Freiheit ist.

    The wise bunny knows, the carrot will not hop to him. (bunnybuddhism).

    Selbst wenn nicht geplant, besteht die Gefahr, dass sich die E.U. gegenüber Russland schwächt und die Partner jenseits des Atlantiks sich ins Fäustchen lachen, da die E.U. blöd da steht. So blöd sind Österreich und Deutschland nicht. Russland und die U.S. schon gar nicht.

    Das ist wie am Spielplatz als Kind. Die großen haben sich zwar gerne geprügelt aber gegen die Kleinen, da waren sie sich einig. Das habe ich abgestellt. 5 Jahre älter ist wenn man selbst 7 ist durchaus fordernd. Es macht da wenig Sinn zwischen 2 Seiten zu tanzen, da muss man ins Risiko gehen und eskalieren. Dann hat auf einmal das Hirn wieder eingeschalten bei dem ein oder anderen. 8 gegen einen der 3-5 Jahre jünger ist, die Niederlage habe ich verkraftet und ausgeteilt wie ein großer aber wohl. Sie hatten ihren Sieg, aber sie waren nie mehr wieder gesehen. Vermutlich haben die blauen Flecken, dann doch bei den Eltern Fragen aufgeworfen.

    Das vermisse ich in der E.U. Die E.U. muss gewinnen oder hat verloren. Das ist der Nachteil der großen an denen man nicht vorbeikommt.

  4. #Sanktionen sind meiner Meinung nach in erster Linie ein politisches, kein wirtschaftliches Mittel und die Krim eine Blaupause für andere Staaten. Wenn die westlichen Staaten gar nicht reagieren, sinken für Putin die politischen Kosten für eine weitere Expansion.

    #G8: Auch hier sehe ich das eher politisch als volkswirtschaftlich: Putin ist Symbolpolitiker, der sich von Reputationsfragen extrem leiten lässt – von den Spielen in Sotchi bis zu internationalen Konferenzen. Wenn er nicht mehr am Tisch sitzen darf, aber Italien schon, trifft ihn das und konterkarriert das Bild von sich und Russland, das er in seinem Zarenreich verbreiten lässt. (Gilt übrigens noch viel mehr für die Fussball WM 2018 in Russland).

  5. @Florian Semle,
    die Politik des Westens wird von Russland als Einkreisung empfunden. Putin reagiert nun in der Krim darauf. Die Annektion der Krim ist darum ihrerseits ein Signal an den Westen, ganz genau in dem Sinne, wie eventuelle westliche Sanktionen ein Signal an Russland sein sollen. Vielleicht sollte der Westen besser Putins Signal hören und nun der Diplomatie ihren Lauf lassen?

  6. Pingback: Kleine Presseschau vom 19. März 2014 | Die Börsenblogger

  7. @arne küster : Ich fürchte Putin macht sich diese sicher bestehende Stimmung einfach nur zunutze und schürt sie noch mit Maßnahmen wie der Gleichschaltung der Medien, der der Internierung von Oppositionellen etc.

    Die andere Seite der Medaille ist nämlich, dass Russland wirtschaftlich und technologisch stagniert, die Armut wächst, während Mr. Putin inzwischen selber oligarche Züge annimmt (geschätztes Vermögen unter Putins Einfluss: 21 Mrd. laut Zeit, 40 Mrd. laut Polw. Stanislaw Belkowski). Da ist die Einkreisungstheorie einfach ziemlich praktisch, eine Art Potemkinsche Politik in Richtung eigenes Volk.

    Dass dagegen v.a. diplomatisch vorgegangen werden muss, glaube ich allerdings auch und v.a. mit Maßnahmen, die das Bild der Einkreisung nicht fördern und das Image des Vaterlandsretters konterkarieren.

    LG

  8. Pingback: Die EU bzw. deren Bevölkerung versagt komplett | Aus der neuen Welt

  9. „Vielleicht sollte der Westen besser Putins Signal hören und nun der Diplomatie ihren Lauf lassen?“

    Was ist nicht so ganz verstehe, wie stellt Du Dir diese „Diplomatie“ denn vor? Krim ist mittlerweile an Russland ganz offiziell angeschlossen, dies ist nicht mehr rückgängig zu machen, auch von Putin nicht – jeder Politiker, der er es in Rußland versuchte, könnte genauso gut einen politischen Selbstmord begehen.

    Daher geht es jetzt nur noch darum, ob dieser Anschluß (der erste dieser Art übrigens seit 1938) vom Westen widerspruchlos hingenommen wird, oder ob doch eine (wenn auch zahnlose) Reaktion erfolgt, die signalisiert, dass z.B. Anschluß der östlichen Ukraine noch mehr Kosten verursachen wird, und ein Einmarsch in Estland Krieg bedeuten würde (oder würde es?).

    Im Gegensatz zu Dir kann ich zufälligerweise russisch und schaute in der letzten Zeit immer wieder russisches Staatsfernsehen – mich hat vor allem erschrocken, dass es in diesen drei Wochen zur offiziellen russischen Linie wurde, dass Rußland das Recht hat und verpflichtet ist dort militärish einzugreifen, wo die Rechte einer russischen Minderheit angeblich oder tatsächlich verletzt werden. Das ist ein Paradigmenwechsel, der nichts gutes verheißt.
    Das Motto der von der Regierung organisierten Demonstrationen für den Krimanschluß lautete übrigens „Svoich ne brosaem“ – „die Unseren lassen wir nicht im Stich“ – sollte Dir zu denken geben.

  10. @Alex Hummel,
    Propaganda auf beiden Seiten. (Oder sind westliche Vorstellungen, überall einzugreifen, wo Menschrechte angeblich missachtet werden, anders zu werten als „Svoich ne brosaem“?)

  11. Pingback: Russland – stark oder schwach? | Wirtschaftswurm

  12. Nun gut, und wenn ich Dir jetzt sage, dass man in Rußland solche kritische Blogger wie Dich öfters in den Knast steckt, dann würdest Du wahrscheinlich sagen, dass es hier auch genauso ist – schreibst Du übrigens gerade aus dem Knast?

    Ich glaube, ich gebe es auf 🙂

    P.S

    Dann sind nach Dir westliche Vorstellungen, überall einzugreifen, wo Menschrechte angeblich missachtet werden auch nicht anders zu werten als „Heim ins Reich“, oder ?

  13. Man muss Demokratie doch im Kontext von Geschichte und Wirtschaft betrachten. Heute ist Russland viel freiheitlicher als vor 30 Jahren. Vielleicht sollte man einfach mal auch die Fortschritte sehen als immer nur mit dem Finger darauf zu zeigen, wo es in Russland noch hapert.
    Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Russland noch freiheitlicher wird, ist nun, dass es von der rohstofforientierten Wirtschaft weg kommt. Man weiß ja, dass Bodenschätze Autokratie begünstigen, denn die Verfügbarkeit über die Bodenschätze ist meist nur in der Hand von ganz wenigen. Wenn die EU Putin beim Aufbei einer diversifizierteren Wirtschaft helfen würde, würde das viel mehr bewirken als Sanktionen. Siehe auch Russland – stark oder schwach?.

  14. „Heute ist Russland viel freiheitlicher als vor 30 Jahren. Vielleicht sollte man einfach mal auch die Fortschritte sehen als immer nur mit dem Finger darauf zu zeigen, wo es in Russland noch hapert.“

    Du könntest ja auch den 18 Jahrhundert als Basis nehmen, dann wären die Fortschritte noch gewaltiger – damals war ein Großteil der Russen (ich glaube ca. 50%) noch in Leibeigenschaft. Wichtig ist die Tendenz und die ganze Regierungszeit Putin ist ein einziger Rückschritt in Sachen Freiheit (ökonomisch ist die Sache (noch) anders) und dieser Rückschritt geht immer weiter und weiter – ich denke in diesem Tempo wird man in 10 Jahren schon bei der Situation von 1984 sein, im benachbarten Weißrussland ist man jedenfalls schon soweit.

  15. „die ganze Regierungszeit Putin ist ein einziger Rückschritt in Sachen Freiheit“ – Hätte sich der Westen mehr um ein partnerschaftliches Miteinander gekümmert, als sich über unwichtige Einzelfälle aufzuregen („Pussy Riots“), wäre es vielleicht anders gelaufen.

  16. So, so interessante These. Du meinst also, daran, dass die russische Regierung massiv die Freiheit der eigenen Bürger einschränkt, ist der Westen schuld, da die Regierung es tut um den Westen (wofür auch immer) zu bestrafen.
    Die Russen haben dazu ein Sprichwort – „Nazlo mame uschi otmoroschu“, Übersetzung: Ich friere mir die Ohren ab, um die Mama zu bestrafen. Wirklich, sehr reif 🙂

  17. Jetzt missverstehst du mich aber absichtlich. In der Entspannungspolitik hieß das Schlagwort „Wandel durch Annäherung“. Genau das meine ich. Und genau diese Strategie ist die EU nie gefahren.

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