Wirtschaftswurm-Blog

Deutsche Übermacht?

Exporte der Euroländer Ausschnitt

Der aktuelle „Spiegel“ titelt „The German Übermacht“. Der Text dazu berichtet allerdings hauptsächlich von Stimmungen und Meinungen. Fakten findet man kaum. Schaut man sich die Fakten an, muss man nämlich ein ganz dickes Fragezeichen hinter die „deutsche Übermacht“ stellen.

Schon dort, wo der „Spiegel“ selbst Fakten liefert, passen sie nicht ins Bild der „deutschen Übermacht“: Laut „Spiegel“ wird Deutschland 2015 voraussichtlich 29,0% der Wirtschaftsleistung der Euroländer liefern. Aber im Jahr 2000 waren es mehr, nämlich 30,1%. Dieser Rückgang widerspricht der Behauptung, dass Deutschland „am meisten vom Euro profitiert“ hat. Und die BIP-Größe spricht auch nicht für Übermacht. Frankreich erwirtschaftet 21,1% des BIPs der Eurozone und Italien 16,0% (BIP von 2014 bezogen auf die aktuell 19 Eurostaaten). Die Nr. 2 und die Nr. 3 zusammen können also spielend Deutschland übertrumpfen.

Das gilt noch mehr für andere wichtige Länderdaten, nämlich Fläche und Einwohnerzahl. Bei der Fläche steht Deutschland sowieso erst an dritter Stelle in der Eurozone. Die Nr. 1 ist Frankreich und umfasst 23,3% des Gebiets der Eurozone, nämlich 669.000km2 inklusive Überseedepartements. Die Nr. 2 ist Spanien mit 17,6% des Gebiets der Eurozone. Erst dann kommt Deutschland, das 12,4% der Eurozone bedeckt.

Bei der Einwohnerzahl steht Deutschland mit 80,8 Millionen auf Platz 1. Hier wohnen 23,9% der Gesamtbevölkerung der Euroländer. Aber der Abstand zu Frankreich und Italien, den Nummern 2 und 3 ist nicht wirklich groß. In Frankreich wohnen 19,5% der Euro-Bevölkerung und in Italien 18,0%. Keine Übermacht also.

Noch viel mehr: Nach gegenwärtigen Prognosen wird Frankreich Deutschland in den 2050er Jahren an Bevölkerung überholen.

Doch wie steht es mit dem deutschen Außenhandel? Beruht die deutsche Übermacht nicht auf Deutschlands überragender Stellung im internationalen Handel? – Selbst das kann man so nicht sagen.

Die deutsche Exportleistung machte 2014 29,6% der addierten Exportleistung aller Euroländer aus. Der deutsche Exportanteil ist also kaum größer als der deutsche BIP-Anteil. Frankreich und Italien, die Nr. 2 und 3 beim BIP, sind allerdings relativ schwache Exportnationen. Auf Frankreich entfallen nur 13,6% der addierten Exportleistung aller Euroländer und auf Italien nur 10,6%. Und zwischen beiden schiebt sich noch Holland, das 12,1% der Exporte aller Euroländer verzeichnen kann. Hier muss man also schon die drei nächsten Verfolger zusammenrechnen, um Deutschland zu übertrumpfen.

Exporte der EuroländerAber wohlgemerkt: Es ist weniger Deutschlands Stärke als Frankreichs und Italiens Schwäche, die Deutschland eine gewisse Übermacht bei den Exporten verschafft.

Alle Daten von Eurostat, die Flächenangaben aus Wikipedia.


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10 Kommentare

  1. Konstantin sagt

    Das sind doch 2 Seiten der selben Münze: Gerade wegen Deutschlands Exportstärke sind Italien und Frankreich schwach in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Vor allem auf Frankreich trifft das zu, da Deutschland den größten Teil seiner Exportüberschüsse mit Frankreich erwirtschaftet.
    2014 gingen 68 % aller deutschen Exporte in die Eurozone. Da werden natürlich die anderen Länder an die Wand gedrückt. Stichwort Lohndrückerei.

    Und Deutschland hat denke ich schon am stärksten vom Euro profitiert. Aber natürlich erst nach den Anpassungsjahren in der Schröder-Ära .
    Deutschland ist am besten auf der Finanzkrise gekommen und steht aktuell in der Eurozone ziemlich gut da.
    Meiner Meinung nach halt zu Unrecht, wegen Lohndumping.

    Der Rückgang des deutschen Anteils an der Wirtschaftsleistung der Eurozone liegt vielleicht daran, dass in den letzten 15 Jahren neue Mitglieder in die Eurozone aufgenommen wurden??

  2. „Der Rückgang des deutschen Anteils an der Wirtschaftsleistung der Eurozone liegt vielleicht daran, dass in den letzten 15 Jahren neue Mitglieder in die Eurozone aufgenommen wurden?“ – Ist beim „Spiegel“ nicht genau erklärt, aber wenn man die ganze abgebildete Kurve verfolgt, unwahrscheinlich. Der Tiefpunkt des deutschen Anteils am Eurozonen-BIP war demnach schon 2009, seitdem geht es wieder leicht aufwärts. Und bitte nicht Exporte und Exportüberschüsse durcheinander bringen. Von den Überschüssen habe ich heute mal nicht geredet, vielleicht greife ich das noch einmal in einem eigenen Artikel auf.

  3. Tim sagt

    Politische Macht korreliert nicht notwendigerweise mit solchen wirtschaftlichen Indikatoren. Ich begreife die ganze Diskussion nicht und finde sie etwas esoterisch.

  4. Pingback: Kleine Presseschau vom 26. März 2015 | Die Börsenblogger

  5. @Tim,
    ich habe einfach ein paar Zahlen zusammengestellt. Das ist doch alles anderes als esoterisch. Und ja, politische Macht kann auch aus anderen Quellen als wirtschaftlicher Macht herrühren. Dazu findet man dann aber auch im Spiegel-Artikel nichts.

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  7. Häschen sagt

    Der Artikel im Spiegel scheint eine Meisterleistung zu sein. Der Spiegel ist wieder im Gespräch.

    Möge sich mal jeder überlegen was er kauft – Geld oder Güter? Deutschland stellt Wohlstand bereit. Das ist unbestritten. Das wird ja gerne übersehen.

    Es hat einen guten Grund warum man als Konsument Güter gegen Geld tauscht und nicht umgekehrt. Bei der Wirtschaft insbesondere der Marktwirtschaft geht es um die Versorgung der Bevölkerung und sonst genau gar nichts. Marktwirtschaft ist ein Bewirtschaftungsmodell. Wer keine Knappheit im Regal kennt verliert oft den Blick auf das Wesentliche. Es gibt die andere Seite auch.

    Wohl gibt es Argumente warum nicht im Land bereitgestellter Wohlstand in Form von Konsumgütern wird angeboten. Das ist eher eine qualitative Diskussion über Kompetenzen die nicht verloren gehen sollen. Auf der anderen Seiten erlauben Importe auch eine Flexibilisierung beim Aufbau der benötigten Kompetenzen. Simples Beispiel. Ich kaufe langlebig, bunt gemischt und schön ein Stück nach dem anderen. Die Abwesenheit von Komplementären ist fast schon ein wenig übertrieben. Das schafft Freiräume.

    Es bedarf einer ganz klar differenzierten Diskussion. Investitionsgüter vs. Konsumgüter und Beispiele in dem solch eine Abhängigkeit würde erzeugt, sodass der Ersatz von der Volkswirtschaft nicht erbracht werden könnte.

    Letzten Sonntag klemmte der hintere Scheibenwischer. Es gibt Menschen die fahren gleich in die Werkstatt und ich hab halt einfach Öl draufgegeben. Nach 10 Jahren darf das schon mal sein. Es kommt schon auf den Zugang und den Generalverdacht auch drauf an. Wenn jemand zum Schluss käme der Rost wäre erfunden worden damit Autos in die Werkstatt kommen oder ein Teil würde so gebaut, dass man in Werkstatt viel müsste zahlen, so ist das weniger der Natur der Sache geschuldet als der Erfahrung mit der Autoindustrie und den Werkstätten in der Vergangenheit. Oder?

    Das Joghurt im Regal im Supermarkt in Griechenland, ein Beispiel das substantiell zur Diskussion wenig beizutragen hat aber doch sehr einsichtig ist für die breitere Masse. War es der Preis? Und wann der Preis warum? Oder da es anders schmeckte? Möglw. ein Resultat, dass die U.S. kaum exportieren können – wehe dem Tag sie täten dies – und im heimischen Markt müssen eine Produktvielfalt anbieten. Der Preis wirkt klarerweise auf die Bewirtschaftung und die Struktur. Der Preis sollte das Resultat von Angebot und Nachfrage sein. Das hat schon seinen Grund. In dem Punkt kommen wir so auf die Diskussion auf welcher Geige spielt der Geiger und wie klingt das Lied am Ende. (‚Neo-Li(e)beral(l)es Wirtschaftsmodell).

    Der Arne Kuster hat vor langer Zeit oder ich habe nachgesehen man nachgeschaut wieviel Umsatz über Deutschland wird weitergereicht in den den EURO Raum. Belgien, Österreich, Tschechien (denke ich) liefern genauso.

    Wenn man die Finanzierung ansieht ist mal Vorsicht geboten. Konsumgüter bereitzustellen und Kredite damit diese bezahlt werden können ist mit Vorsicht zu sehen. Mit der Bezahlung einer Rechnung ist die Information verbunden, im Fall von Konsum, das selbe Gut bereitzustellen. Der Wohlstand wird mit dem Gut bereitgestellt.

  8. Häschen sagt

    Belgien, Österreich, Tschechien (denke ich) liefern indirekt über Deutschland genauso. Ich denke nicht, dass die Zahlen im Spiegel diesen Sachverhalt wiedergeben.

  9. Stefan Rapp sagt

    Interessant finde ich auch wenn man sich klar macht das die CDU circa 16,2 Millionen stimmen bekommen hat und damit jetzt eine gewisse Gestaltungskraft auf eine EU mit über 507 Millionen Einwohner hat. Um das noch klarer zum Ausdruck zu bringen über 490 Millionen Menschen also grob 97% aller EU Bürger werden von einer Politik bestimmt die Sie gar nicht gewählt haben.

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