Zwischenruf

Sicherheitspartnerschaft und europäische Wirtschaftsregierung: Sinnvolle Projekte für Europa?

Hans-Werner Sinn 2013

Dass die EU wie ein zerstrittenes – um nicht zu sagen zerrüttetes – Paar wirkt, wurde schon häufig bemerkt. Entscheidend ist nun, dass die EU nicht einen ähnlichen Fehler macht wie manche zerstrittene Paare: versuchen, die Beziehung durch neue Gemeinschaftsprojekte zu retten, heißen diese nun für die EU „Sicherheitspartnerschaft“ oder „Europäische Wirtschaftsregierung“.

Eine Ermahnung unter anderem an Hans-Werner Sinn.

Ich zweitverwerte in diesem Artikel übrigens einen Vergleich, den ich im Blog „Zettels Raum“ gefunden habe. Dort hat Blogger Llarian den Vergleich im Beitrag „Ist Angela Merkel die Totengräberin von Europa?“ entwickelt. Aber er ist sehr treffend und ich bin mir recht sicher, dass ihn noch nicht genügend Leute gelesen haben.

Nach Llarian muss man sich Europa, also die EU, als ein Paar vorstellen, dass schon ziemlich lange liiert ist und sich nun in einer Krise befindet. Beide sind unzufrieden mit und unglücklich über den gemeinsamen Alltag. Und nun haben solche Paare nicht selten die Idee, ihre Krise ließe sich durch mehr Gemeinsamkeit überwinden. Llarian:

Da wird dann oft geheiratet oder ein Kind in die Welt gesetzt. Es ist die Reaktion auf eine eventuell zu grosse Nähe noch näher zusammen zu rücken oder zu den bestehenden Problemen ein noch grösseres hinzuzusetzen.

Diese Strategie geht fast immer schief. Während man sich aber vor dieser Idee noch unkompliziert und in Freundschaft hätte trennen können, endet es nun in Hass, Verbitterung und einem Scheidungs- oder Sorgerechtskrieg.

Ich musste an den Vergleich von Llarian denken, als letzte Woche Hans-Werner Sinn zum wiederholten mal mit folgender Forderung Schlagzeilen machte:

Europa sollte zu einer Sicherheitspartnerschaft zusammenfinden, die mehr ist als nur ein Anhängsel der USA. Es ist ein Anachronismus, dass wir 28 EU-Länder haben, die ein gemeinsames Parlament haben, gleichzeitig aber 25 Armeen unterhalten. Das muss man beenden. Dann könnte ein neuer Geist der Zusammengehörigkeit entstehen.

Das Zitat stammte dieses Mal aus einem Interview mit der NZZ.

Man erinnere sich, dass erst im Libyenkonflikt 2011 die Meinungen Deutschlands und Frankreichs ziemlich hart aufeinanderprallten. Wie hätte sich wohl wirklich der „Geist der Zusammengehörigkeit“ entwickelt, wenn deutsche Flieger auf Geheiß einer europäischen Mehrheit nach Libyen geschickt worden wären?

Schon allein logisch ist das faktische Scheitern der Gemeinschaftswährung Euro als Wohlstandsprojekt kein Grund nun ein anderes Gemeinschaftsprojekt namens Sicherheitspartnerschaft ins Leben zu rufen. Andere neue Projekten wie die Bankenunion (mitsamt gemeinsamer europäischer Einlagensicherung) oder die Fiskalunion haben aber wenigstens inhaltlich Bezüge zur Währungsunion.

Europäische Wirtschaftsregierung statt Sicherheitspartnerschaft?

Interessant ist, dass Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron das Projekt einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung mit fast demselben Argument begründet hat, mit dem Sinn eine gemeinsame Armee begründet. Macron möchte nämlich:

dass die Menschen ein Gefühl der Gemeinsamkeit spüren

Ob nun „neuer Geist der Zusammengehörigkeit“ oder „ein Gefühl der Gemeinsamkeit“, ganz offensichtlich haben wir hier ein Joker-Argument, mit dem selbst der größte Unfug gerechtfertigt werden kann, wenn er nur gemeinsam europäisch gemacht wird.

Michael Wohlgemuth hat es aber im „Open Europe Berlin Blog“ schon einmal gut dargelegt: Die Vorstellungen über eine gemeinsame Wirtschaftsregierung bzw. eine gemeinsame Wirtschaftsverfassung sind sehr gegensätzlich zwischen Süd- und Nordeuropäern. Frankreich und der Süden wollen eine Behörde, die interventionistisch mit EU-Finanzmitteln großzügig überall dort hilft, wo es brennt. Deutschland und der Norden wollen dagegen strenge Verschuldungsregeln für die nationalen Haushalte. Die Schnittmenge ist null. Die Konflikte, die sich bereits in der Eurokrise gezeigt haben, erhielten mit einer europäischen Wirtschaftsregierung nur ein weiteres Feld, um sich auszutoben.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto (von blu-news.org): Hans-Werner Sinn 2013


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/www/wp-includes/class-wp-comment-query.php on line 405

5 Kommentare

  1. Jimmy sagt

    Hätte mir nie gedacht, dass Herr Sinn wie angekündigt in Pension geht :). Dafür ist sein Geist ein zu streitbarer.

    Das Gefühl der Gemeinsamkeit im Urlaub am Strand zu entwickeln reicht vollkommen. Freie Märkte und Güterverkehr, freie Liebe. Just diese Teile werden wir uns behalten. Den Rest kann man vergessen.

    Es hat sich jetzt schon gezeigt, dass die Kommunikation der europäischen Regierungen untereinander schneller funktioniert. Wenn Männer mal zur Tat schreiben, dann ist Lösung schnell am Tisch. Der geübte Politiker schreitet zur Tat wenn es bereits brennt und nicht zur Tat und nachher brennt alles. Die E.U. handelt entlang der Devise – Brände bekämpfen die noch nicht gelegt wurden.

    Mich wundert, dass Herr Sinn für soetwas hergibt. Die NATO hat die sog. ‚europäischen‘ Institution geschaffen und braucht heute eine Armee. Sie liegen richtig. Das selbe Muster läuft bei jedem Thema.

    Gedanken dazu von Gregor Schrimer bei KenFM im Gespräch
    watch?v=mVwLHXtvgdo

    Auch wenn der Herr Schrimer eher ein Kommunist ist, so bringt er doch Bedenken vor die alle Menschen betreffen. Den Punkt hat er. Eine europäische Armee egal wie ‚klein‘ sie anmutet ist einerseits gerüstet für Angriffskriege und andererseits jederzeit zentral gegen die Bürger mobilisierbar. Der Tag wird kommen zu dem EADS weit über den Airbus hinaus ‚Erfolge‘ feiert. In dem Sinne ist der Hinweis auf den Imperialismus in dieser Diskussion gar nicht so weithergeholt, auch wenn das Argument sonst in Teilen des Spektrums inflatorisch wird gebraucht.

    Die sog. Gemeinschaft läuft Kriegsführen im Schuldensozialismus hinaus. Egal welche Form des Krieges. Am Ende wird der sog. Wohlstand der sehr bedingt wurde erarbeitet auch mit Waffengewalt verteidigt. Die Bildung in der E.U. produziert Konsumenten die im Rahmen der Scheinbewirtschaftung am liebsten umlagefinaziert Symptome bekämpfen und sich dafür noch das goldene Hamsterrad elektrogetrieben lassen in Schwung halten. Am Ende wissen sie nicht mehr wo ihnen der Kopf steht nachdem sie von der vermeintlichen Karriereleiter fielen. Grad solche landen in Brüssel …

    Die Logik der Nationalstaaten ist bestechend. Die hoch qualitative Beherrschung durch das Betreiben einer politischen Mülldeponie in Brüssel zu verhindern mutet doch an wie den Teufel vom Regen in die Traufe zu kommen. Der Schirm ist das Symbol für die ‚EUropäische‘ Gemeinsamkeit. Die Schirmherrschaft in Brüssel.

    Wirtschaftswurm. Das ist der Sozialismus und dessen Wiederkehr in einem Gewand in dem ich es nicht hätte wirklich vermutet.

  2. Die EU muss sich stärker integrieren z.B. mit einer Wirtschaftsregierung. Dafür braucht es aber Konzept, damit auch die demokratische Legitimation oder die Gewaltenteilung gewährleistet bleiben.

  3. @mister-ede,
    welchen Sinn macht es, den einen brüchigen Pfeiler, den Euro, durch einen anderen brüchigen Pfeiler namens Wirtschaftsregierung zu stützen.

  4. Hat schon mal irgendwas, was ich vorschlage, nicht funktioniert? Insofern sehe ich bei einer Europäischen Integration, nach einem Modell wie es mir vorschwebt, keine „Brüche“, sondern im Gegenteil Stabilität.

  5. Pingback: Wie schreibt man eine richtig gute Stellenanzeige? - KrausFinanz

Kommentare sind geschlossen.