Zwischenruf

Zur neuen Rentendebatte

bettelnder Rentner

Sigmar Gabriel will das Rentenniveau nicht weiter absenken. Wer davon profitieren könnte und wer dafür zahlen müsste.

Nein, es droht nicht jedem zweiten Altersarmut. Das RWI Essen hat die Zahl, die der WDR in die Welt gesetzt hatte, korrigiert. Und doch wird Altersarmut in Zukunft zu einem Problem. Auch wer 40 Beitragsjahre mit einem Verdienst von 80% des Durchschnittslohns vorzeigen kann, wird voraussichtlich bei einem Rentenbeginn im Jahr 2030 nur eine gesetzliche Rente in Höhe der Grundsicherung bekommen.

Damit ist auch klar, dass Altersarmut kein großes aktuelles Problem ist, aber schon in 15 Jahren eines sein kann. Der Grund liegt in der kontinuierlichen Absenkung des Rentenniveaus. 2003 betrug die sogenannte Standardrente (nach 45 Beitragsjahre mit Durchschnittseinkommen) noch 53% des durchschnittlichen Nettolohns. 2015 waren es nur 47,5% und 2030 werden es 43% sein. Übrigens wird nach Vorausberechnungen der Deutschen Rentenversicherung das aktuelle Niveau die nächsten 6 Jahre fast konstant bleiben und erst ab 2023 bis auf die Untergrenze von 43% sinken. Betroffen von der weiteren Absenkung sind also alle, die ab 2023 in Rente gehen.

Nun fordert Sigmar Gabriel, dass das Rentenniveau stabil bleibt. Und gleich kam das Gegenargument, die Jungen sollten doch nur für die Alten zahlen. Das ist aber falsch. Die Jungen sollen zahlen, ja, aber für sich selbst. Das gilt zumindest dann, wenn man davon ausgeht, dass eine stabile Finanzierung gefunden wird, die die nächsten 50 Jahre trägt.

Diese Aufgabe ist zumindest prinzipiell lösbar. Denn wenn man sich die deutsche Alterspyramide anschaut, dann haben wir einen Bauch bei den heute 45-55jährigen. Dieser Bauch wird bis etwa 2037 verrentet sein. Zwar wird auch nach der zweiten Hälfte der 30er Jahre die Zahl der Beitragszahler sinken, dann sind wir aber schon so weit, dass auch die Zahl der Rentner sinkt. Das Verhältnis Beitragszahler zu Rentner wird sich höchstens noch weiter verschlechtern, weil die Lebenserwartung steigt. Es verschlechtert sich jedoch nicht mehr aufgrund der niedrigen Geburtenrate, denn die ist bereits seit den 70er Jahren (zumindest in Westdeutschland) konstant bei etwa 1,4.

Das Problem ist nur, dass sich Sigmar Gabriel vor der Frage gedrückt hat, wie seine Forderung stabil zu finanzieren ist. Wahrscheinlich hängt das mit einer Fehlfunktion unserer parlamentarischen Demokratie zusammen: Der Wähler honoriert bis zum bitteren Ende durchgerechnete Forderungen nicht.

Aber eigentlich gibt’s nur zwei Möglichkeiten für Sigmar Gabriel: höhere Beitragssätze oder eine längere Lebensarbeitszeit. Bei den höheren Beitragssätzen gibt es noch mehrere Varianten:

  • Man könnte z.B. Gutverdiener, Selbständige und Beamte in die Rentenversicherung einbeziehen. Das bringt aber nur etwas, wenn man gleichzeitig eine Höchstrente einführt bzw. beibehält, denn durch die Beitragsbemessungsgrenze (gegenwärtig 6200 Euro im Westen und 5400 Euro im Osten) gibt es sie ja faktisch bereits. Ohne eine Höchstrente stünden den hohen Beitragszahlungen nur entsprechend hohe Rentenverpflichtungen gegenüber und es wäre nichts gewonnen.
  • Man könnte die Riester-Rente wieder abschaffen, so dass die Riester-Sparer Spielraum für höhere Beitragssätze hätten.

Aber irgendeinen Tod muss Sigmar Gabriel nun sterben. Es bliebe aber noch die kleine (steuerfinanzierte) Alternative, Renten nicht voll auf die Grundsicherung anzurechnen. Das würde den tatsächlich von Altersarmut Betroffenen helfen, ohne gleich das gesamte Rentensystem umzukrempeln.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto (von Kate1kunst/Wikimedia Commons): bettelnder Rentner


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5 Kommentare

  1. Jimmy sagt

    Zumal keiner seine Pension einzahlt sondern einen Anspruch erwirbt …

  2. sagt

    „Aber irgendeinen Tod muss Sigmar Gabriel nun sterben.“

    Wenn er es denn doch endlich täte.

  3. Jimmy sagt

    War ein wenig lange der ursprüngliche Kommentar… geht in Ordnung.

    Auf was ich hinauswollte. Das Einkommen repräsentiert eine Stellung in der Hackordnung, noch nicht mal den Bedarf und egal wie man diese überhaupt noch begründet heutzutage so leitet sich daraus kein Anspruchshöhe nach dem Arbeitsleben ab.

    Allein im liberalen Model mit einer Verbindung von Güterbereitstellung mit Distribution über das Konzept des Wertes wäre (alle schreiben Rechnung) es überhaupt mal denkbar eine Höhe für den Anspruch abzuleiten, aber dann gäbe es keine wirkliche Umverteilung. Das wäre dann eher der Vorteil der privaten Vorsorge.

    Wenn man jedoch einen Anspruch eher willkürlich festlegt, so wie es im Moment passiert, so entsteht das Anspruchsdenken. Die Umkehrung der Idee des Fortschreibens des Anspruchs wird keiner gerne mögen. Stellen wir uns vor die Gesellschaft beschließt sämtliche Gesetzte über Board zu werfen … dann kann kaum einer sich darauf berufen, dass er soviele kannte oder nachschlagen konnte. Die Situation ist aber nicht anders als wenn Holz aus der Mode kommt und der Tischler mit 3 Fingern an der Hand und den kaputten Bandscheiben keinen Job mehr findet. Mal von den ganzen Jobs zu schweigen die existieren, da Gesetze zu exekutieren sind. Das betrifft auch viele Jobs in Unternehmen. Im Betrieb haben diese Gesetze zumindest mal eher noch ein Daseinsberechtigung auch wenn sie nicht unbedingt die beste Alternative zu Vernunft darstellen.

    Das Argument der Vernunft als treibendes Argument für die Stellung in der Hackordnung ist durch die vielen Gesetze widerlegt. Früher ging man davon aus, dass der Gebildete mit dem knappen Gut sorgsamer umgeht. Was ist heute knapp?

  4. @Jimmy,
    den Grundgedanken teil ich ja, nämlich dass es meistens gar nicht um das Einkommen als solches geht, zumindest dann, wenn man schon gut über dem Existenzminimum lebt. Meistens geht es um das Einkommen als Zeichen des Ranges. Der Mensch ist allerdings bestrebt, seinen Rang zu halten, keinen Rangverlust zu erdulden. Darum hat die Altersvorsorge natürlich seine Berechtigung.

  5. Jimmy sagt

    @Arne Kuster Das ist jetzt untergegangen. Stimmt. Das war bezogen auf den unteren Rand der Einkommensverteilung. Die Rentnerin mit 700 EURO. Das ‚planwirtschaftlich‘ anmutende Einkommen der Industriegesellschaft ist für den Großteil der Menschen entlang der Einkommensverteilung zufriedenstellend. Sobald man Netto hebt ziehen die Mieten nach. Früher hörte der (private) Vermieter die Einkommen sind gestiegen, da kann ich erhöhen.

    Ich persönlich habe mit den Beiträgen zur Sozialversicherung in Österreich auch nie ein Problem gehabt. Eine Pensionssystem kostet, aber das Geld bekommen meine Eltern. Mittlerweile stellt sich eine andere Frage.

    Ich habe keinen blassen Dunst, wie in einer stark nachfragegetriebenen Welt in 30 bis 40 Jahren eine Pension/Rente über Umverteilung realisiert werden kann. Besser bezahlt wird in so einem Modell vermutlich ‚manuell anmutende‘ Arbeit im weitern Sinne, aber eben in neuen Jobs. Damit sterben die Traditionellen Hierarchien und auch die Hackordnung vor der ‚Registriekasse‘ deren Ergebnis die Einkommensverteilung ist.

    Da ist schon der Widerspruch in Hartz IV. Erkannte wurde, dass das Einkommen zu subventionieren ist aus welchem Motiv auch immer dann genau. Man denke an den Selbstständigen der gute Ideen ausprobiert und ‚aufstockt‘. Mir stellt sich eher die Frage wie der Widerspruch mit der Begrenzung unterhalb des Mindesteinkommens sich kann auflösen. Ich habe ganz Beginn 2 Jahregeshälter netto investiert zwischenzeitlich :). Heute mit Open Source ist die Lage nicht mehr so tragisch … aber produktiv in unseren Breitengraden ist manuell klopfen auf ewig nicht viel.

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