Zwischenruf

Warum Angela Merkel machen kann, was sie macht

Angela Merkel Cebit

Politik aus reiner Gesinnungsethik heraus ohne Blick für die Konsequenzen? Der deutsche Föderalismus macht es möglich. Angela Merkels Politik in der Flüchtlingskrise ist das Musterbeispiel.

Als Angela Merkel die Dublin-Regeln der EU außer Kraft setzte und entschied, die deutschen Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen, da hatte sie sich keine Gedanken darüber gemacht, welche Konsequenzen das hat. Sie wusste nicht wie viel Leute kommen werden. Sie wusste nicht, wo man die Leute unterbringt. Sie wusste nicht, wie viel die Versorgung der Flüchtlinge kosten wird, und auch nicht, wie man später die Zuwanderer in die Gesellschaft und ins Arbeitsleben integrieren kann. Vieles von dem, weiß sie wohl bis heute nicht, auch nicht, dass der Flüchtlingsschock für die deutsche Wettbewerbsfähigkeit langfristig nachteilig sein wird.

Angela Merkel entschied aus einer Gesinnungsethik heraus, das heißt, sie folgte wohlklingenden Prinzipien. Sie missachtete die Verantwortungsethik, das heißt, sie ignorierte absehbare und mögliche Folgen ihrer Entscheidung.

Aber wie konnte sie nur?

Das Grundproblem ist der deutsche Föderalismus

Meine These ist, dass die deutsche Verfassung es verantwortlichen Politikern sehr einfach macht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das Grundproblem besteht unabhängig von Personen und heißt Föderalismus. Genau genommen ist es die spezifisch deutsche Ausprägung des Föderalismus.

Die Trennung zwischen Bund und Ländern verläuft in Deutschland meistens nach dem Grundsatz: der Bund macht die Gesetze, die Länder (mitsamt den Kommunen) führen sie in eigener Verwaltung aus. Man könnte auch sagen: Länder und Kommunen müssen ausbaden, was der Bund verbockt.

Das gilt auch für die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Der Bund hat hier die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. Er hat sogar wichtige Verwaltungskompetenzen, denn er entscheidet über den Aufenthaltsstatus und das Bleiberecht der Zuwanderer. Dafür gibt es das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dem Bund obliegt nicht zuletzt die Grenzsicherung, also die Entscheidung vor Ort, wer überhaupt ins Land darf.

Für die Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden sind allerdings die Bundesländer zuständig. Damit obliegt den Ländern der Teil der Aufgabe, der die weitaus größten Kosten und den weitaus meisten Organisations- und Personalaufwand verursacht. Die Länder wiederum verschieben diese Aufgaben so weit es geht an die Kommunen.

So kam es, dass Angela Merkel, als sie über die Öffnung der Grenzen entschied – unter großem, allerdings nur von den Medien geschaffenen, Zeitdruck –, dass sie da nicht viele Gedanken darüber verschwenden musste, wo die Leute, die sie ins Land holte, unterkommen und wer sie wie betreut. Dafür gab es ja die Verwaltung der Länder und Kommunen.

Angela Merkels Entscheidung wäre vielleicht anders ausgefallen, wenn sie gleichzeitig Anweisungen darüber hätte geben müssen, wie man die Zuwanderer unterbringt. Dann hätte sie wahrscheinlich erst einmal prüfen lassen, welche Unterbringungsmöglichkeiten und freien Plätze der Bund noch hat.

Aber selbst wenn Angela Merkel trotzdem die Fehlentscheidung begangen hätte, die Grenzen einfach zu öffnen, Merkel hätte sie sehr schnell revidiert, nämlich sobald das Chaos offensichtlich geworden wäre und die Bundesregierung allein die Verantwortung für obdachlose Flüchtlinge hätte auf sich nehmen müssen.

Nun mag man einwenden, der Bund beteilige sich ja zumindest an den Kosten für die Asylsuchenden. Aber bis zum September war das eine rein pauschale Kostenerstattung. Ob es mehr oder weniger Asylanten gab, hatte auf die Ausgaben des Bundes keinen Einfluss. Erst nach der Grenzöffnung hat man beschlossen, dass sich die Kostenerstattung des Bundes nach der Zahl der im Verfahren befindlichen Asylsuchenden richtet. Das ist eine Verbesserung. Aber mit 670 € pro Person und Monat erstattet der Bund noch immer nur einen Teil der bei Ländern und Kommunen anfallenden Kosten.

Die Entlastung von Verantwortung funktioniert allerdings auch in die andere Richtung. Wenn ein Bürgermeister eine Turnhalle für die Flüchtlingsunterbringung zweckentfremdet, kann er auf die Sachzwänge verweisen. Die Flüchtlinge seien nun mal da, irgendwo müssen sie unterkommen. Für die Politik in Berlin könne er nichts. Wie anders würde aber die Diskussion vor Ort laufen, wenn der Bund die Turnhallen von den Kommunen anmieten müsste? Oder wenn der Bund gar kommunale Turnhallen enteignen würde?

Der deutsche Föderalismus bewirkt leider eine ungute Trennung von Haftung und Verantwortung. Aus ordnungspolitischer Sicht ist er ein Monster.

Dass die negativen Folgen meist weniger spürbar sind, liegt an der Unzahl von Bund-Länder-Gremien, über die Informationen und politischer Druck von unten nach oben wie von oben nach unten weitergegeben werden. Für tatsächlich oder auch nur scheinbar drängenden Situationen sind solche Gremien aber nicht geschaffen.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto von Ralf Roletschek: Angela Merkel bei der Eröffnung der Cebit


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/www/wp-includes/class-wp-comment-query.php on line 405

7 Kommentare

  1. Quasi-Sklave sagt

    Es geht hier in Deutschland immer nur um EIN’S: GELD! Da springt der letzte, verkiffte Hobby-Abzocker, wie nach der Wiedervereinigung (Schrottautos verkaufen). Integration (von Menschen)?? Keiner weiß , was das soll. Ich beobachte: es kann keine Integration geben, weil die Deutschen gar keine Kultur haben (Kultur-Vakuum)- außer Untertan, Sklave, quasi-Faschist im Dienste des Systems zu sein! Geanauso die Smartphone-Zombies: warten den ganzen Tag auf Signale, die völlig unrelevant sind! Widerstand gegen das System gibt es nicht!

  2. selberDenken sagt

    Das es am Förderalismus liegt, ist zumindest ein origineller Erklärungsversuch. Das habe sonst noch nirgendwo gelesen.
    Zutreffender scheint mir aber, die Gründe im Versagen der Akteure zu suchen. Die erste Frage lautet: Kann die Kanzlerin im Alleingang eine EU-Regel außer Kraft setzen? Faktisch schon, rechtlich nicht. Folgefrage: Wer muss tätig werden, wenn die Bundeskanzlerin Recht bricht?
    Bitte ankreuzen:
    a) der Generalstaatsanwalt
    b) das Parlament
    c) Fernsehen und Presse
    d) der Souverän (das Volk)
    Weitere Folgefrage: Müssen nachgeordnete Stellen (Länder, Gemeinden, Behörden) offensichtlich rechtswidrige Anweisungen befolgen?

  3. Wieso dachte ich bei dem dämlichen Grinsen an den doofen von Dick und Doof !?

  4. Mariele sagt

    Nun, so oder so, egal wie man es wendet, er ist und bleibt ILLEGAL.
    Grundgesetz, Strafgesetz, Genfer Konvention – Frau Merkel hat kriminell gehandelt
    und der Tag wird kommen, an dem sie und die ganze Gruppe zur vollen Verantwortung gezogen werden.

    Die illegalen Einwanderer werden entweder hier die Herrschaft übernehmen
    oder einer nach dem anderen zurückgeschickt werden, denn sie haben auf ihrer Herreise
    mehrmals die Gesetze gebrochen.

    Möge die deutsche Volksseele endlich erwachen und wie Phönix aus der Asche aufsteigen
    und für GERECHTIGKEIT in DEUTSCHLAND sorgen.

  5. EuroTanic sagt

    „Der deutsche Föderalismus bewirkt leider eine ungute Trennung von Haftung und Verantwortung.“
    Nicht der Förderalismus ist das Problem, nicht das Geldsystem, nicht die Politiker, sondern der Zwang dazu dabei mitzumachen. Meinetwegen können alle so föderal sein wie sie wollen, das Geld nutzen das sie wollen, Politiker wählen die sie wollen, etc. solange ich frei entscheide ob ich dabei mitmache.

  6. Angela Merkel, „Person of the Year“? Auch das Time-Magzain hat den deutschen Föderalismus nicht verstanden. „Menschlichkeit, Güte, Toleranz“, das wird in Deutschland den Kommunen überlassen – bis zur Überlastung. Das Kanzleramt sorgt mit einem „Wir schaffen das“ nur für die propagandistische Begleitmusik.

  7. Stefan Rapp sagt

    Ich kann mich im Grunde immer nur Widerholen, das Asylgesetz gehört fast gänzlich abgeschafft. Das Elend der Welt welches im Grunde noch Privilegiert genug ist an unsere Tür zu klopfen geht es Global betrachtet noch verhältnismäßig gut. Die Verantwortung die hinter dem Asylgesetz steckt braucht einen neuen Rahmen um den heutigen globalen Problemen besser gerecht zu werden. Die Resourcen die jetzt Deutschland durch sein Asylgesetz bindet können in anderen Ländern wesentlich effektiver Verwendung finden und mit einem weit geringeren Risiko, das diese Unterstützung am Ende doch nicht nachhaltig ist, Verwendung finden. Beispiel wäre mehr Kindern in der Welt eine entsprechende Schulbildung, Unterbringung, ausreichend Nahrung und medizinische Versorgung zu gewärleisten, die SOS Kinderdörfer schaffen das mit einem Euro am Tag. Würde man hier ansetzen und diesen Menschen schon in jungen Jahren auch vermehrt westliche Werte vermitteln, beispielsweise den von Deutschland geförderten auch die deutsche Sprache vermitteln aber natürlich noch viel mehr darüber hinaus, ihnen auch in Aussicht zu stellen wenn sie sich ausreichend Qualifizieren und bei einer entsprechenden Arbeitskraftnachfrage in Deutschland nach Deutschland migrieren könnten, zum Studium, zur Lehre usw. , wäre es damit auch möglich durch frühe Förderung eine nachhaltige, von Anfang an besser integriebarere und weniger konfliktgeladene Zuwanderung nach Deutschland zu etablieren, die für alle Parteien von vielen Vorteilen geprägt sein dürfte. Das Asylgesetz sollte hauptsächlich nur noch dort Anwendung finden wo oppositionelle Personen, Gruppen eines nicht demokratischen Landes AKTIV für mehr Gerechtigkeit und Demokratie usw. kämpfen um Sie darin besser zu unterstützen.

Kommentare sind geschlossen.