Wirtschaftswurm-Blog

Missverständnisse über die BRIC-Staaten

Wachstum BRIC-Staaten

Einige Artikel der Wirtschaftspresse zu den BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China vermitteln einen falschen Eindruck von der wirtschaftlichen Entwicklung dort. Beispiel „Die Welt“: „Warum die BRIC-Erfolgsstory jetzt Geschichte ist“. Und ganz aktuell zum G-20-Gipfel in der schweizerischen Handelszeitung: „IWF warnt vor Abkühlung in Schwellenländern“.

Zunächst zum Aktuellen: Man lese sich mal den IWF-Bericht zum G-20-Gipfel durch und vergleiche ihn mit dem Artikel in der Handelszeitung.

Der IWF schreibt (auf Seite 2):

Staff’s growth projections for the near term are being revised downward for emerging economies with risks still to the downside.

Die Handelszeitung macht daraus:

Die Konjunktur in Ländern wie Brasilien, China und Indien habe sich zuletzt abgekühlt und es bestehe das Risiko einer weiteren Verschlechterung.

Der IWF gibt also lediglich Änderungen der Wirtschaftsprognosen für 2013 und 2014 bekannt. So hat z.B. der IWF für Brasilien im April noch ein Wachstum von 3,0% 2013 voraus gesagt, im Juli aber nur noch ein Wachstum von 2,5% 2013. Wahrscheinlich arbeitet man nun an einer weiteren Korrektur. Über das Phänomen solcher negativen Trends der Prognosen selbst, habe ich schon mal geschrieben („Was macht die Konjunktur?“).

Die Handelszeitung macht dagegen aus dem negativen Trend der Prognosen einen negativen Trend im Wirtschaftswachstum selbst. Das ist aber zumindest teilweise falsch, wie folgende Grafik zeigt:

Wachstum 2011-13, Brasilien: 2,7%, 0,9%, 2,5%, China: 9,3%. 7,8%, 7,8%, Indien: 6,3%, 3,2%, 5,6%, Russland: 4,3%, 3,4%, 2,5%

Daten laut IWF

Brasilien und Indien haben nämlich wahrscheinlich das Gröbste schon hinter sich. Auch wenn die Zahlen für 2013, die nur Prognosewerte sind, noch ein- oder zweimal nach unten korrigiert werden müssen, bleibt das Wachstum dort wahrscheinlich über dem von 2012. Die Konjunktur dort springt also wieder an.

Nun haben aktuell die BRIC-Staaten damit zu kämpfen, dass Investoren massenhaft Gelder abziehen. Wie „Die Welt“ schreibt, waren es in der ersten Jahreshälfte allein 13,9 Milliarden Dollar. Das entspricht 27% der Geldzuflüsse seit 2005. Der Kapitalexport bewirkt jedoch gleichzeitig Währungsabwertungen. Und die werden wohl schon nächstes Jahr die Exportwirtschaft der betroffenen Länder beflügeln. Konjunkturell sieht die Lage also nicht wirklich schlecht aus.

Nur die hohen Wachstumsraten der Nullerjahre werden wohl nicht mehr erreicht werden. Joachim Fels (Morgan Stanley) spricht gegenüber der Wirtschaftswoche von einer strukturellen Anpassungskrise („Das Modell der BRIC-Länder funktioniert nicht mehr“). Ganz in die gleiche Richtung geht die Analyse von Anders Aslund (Georgetown University) im Magazin Vox („The BRIC-Party is over“).

Ich meine: Anpassung ja, Krise nein. Wenn in China das Wachstum (letztes Jahr offiziell immerhin noch 7,8%), sinkt, muss das kein Beinbruch sein. Angesagt ist eher die Rückkehr zur Normalität. Ob sie gelingt, hängt entscheidend von begleitenden Maßnahmen der Politik ab.


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8 Kommentare

  1. Häschen sagt

    Danke. Sehr interessant. Der Alvin Toffler hat mal in einem Interview erwähnt, China hätte bei dem 3 Phasen Plan – Phase 2 wäre die verlängerte Werkbank (etwas salopp formuliert) – die 3 Phase die Hinwandlung zur postindustriellen Gesellschaft ‚gleichzeitig‘ begonnen, respektive ‚vorgezogen‘. Auch oder deswegen war die Entwicklung so rasant. Wäre durchaus auch stimmig – nach soviel Aktion kommt vermutlich auch mal eine Reaktion. Es ist nicht zu erwarten, dass ein Land der Hämmer und Sicheln auch .de ist die Großausgabe von .at da kann mithalten. Man kann auch im COMECON 2.0 (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe:) mit Sitz in Brüssel landen, wenn man sich auf das gewohnte bewährte Modell verlässt.

    Ich denke ein frischer Wind entstanden aus dem beherzten schwingen des eisernen Besens der Vernunft durch die verstaubten Hallen des Sozialismus schadet Europa nicht. Ob man jetzt rückwärts fährt oder die anderen schneller vorwärts ändert wendig wenn sie außer Sichtweite sind. Aus dem Auge aus dem Sinn und in Brüssel gibt man sich Tipps zur gegenseitigen Wirtschaftshilfe auf immer. Solange bis die Kubaner um deren materiellen ‚Reichtum‘ müssen beneiden.

  2. Häschen sagt

    Solange bis wir (Europa) die Kubaner um deren materiellen ‘Reichtum’ müssen beneiden.

  3. Pingback: Kleine Presseschau vom 6. September 2013 | Die Börsenblogger

  4. Sämtliche „Daten“ die hier zur Darstellung genutzt werden sind irreführend, ja irrelevant. Sogar zerstörerisch. Was sagt des BIP, was der ifo, was die Aussenhandelsbilanz? Nichts was der Mensch für wirklich wichtig erachtet. Der will Glück, Freiheit, Frieden, soziale Beziehungen. Davon ist in unserem System nie die Rede.

  5. Arne Kuster sagt

    @EuroTanic,

    es steht jedem frei, sein eigenenes Wertesystem zu haben.

  6. Blinse sagt

    Schöner Beitrag, relativiert die Berichterstattung der „großen“ Zeitungen. Danke.

  7. Pingback: Jugendliche Weltwirtschaft: Schwellenländer « LGT Finanzblog

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