Analyse

Wo Finnlands Finanzminister Alexander Stubb falsch liegt

Alexander Stubb Oct, 2014

16 Jahre Währungsunion, 16 Jahre Euro, aber wie eine Währungsunion ökonomisch funktioniert, haben einige Politiker noch immer nicht kapiert. Das jüngste Beispiel ist der finnische Finanzminister Alexander Stubb. Eine Widerlegung seiner Thesen.

Finnland ist bekanntlich gerade in einer Rezession und hat überhaupt in den letzten Jahren wirtschaftlich schlecht abgeschnitten. In einem Gespräch mit dem New-York-Times-Reporter Neil Irwan meint Alexander Stubb aber, ein Austritt aus der Eurozone und eine Abwertung sei ein „grober Flicken“ für die finnische Wirtschaft, den er ablehnt.

Stubb vergleicht Währungsabwertung mit Doping. Sie würde nur kurzfristig wirken; er setzte aber auf langfristige Strukturreformen.

Wenn ein Politiker versucht, langfristig zu denken, sollte man ihn eigentlich loben, denn das kommt viel zu selten vor. Leider baut Stubb jedoch einen künstlichen Gegensatz zwischen kurzfristig und langfristig auf, den es so ökonomisch nicht gibt. Denn warum kann Finnland nicht abwerten und gleichzeitig Strukturreformen durchführen?

Der zweite Fehler Stubbs ist, dass er einen Austritt Finnlands aus der Eurozone nur unter dem Blickwinkel der Abwertung betrachtet. Natürlich würde Finnland abwerten, träte es jetzt aus der Eurozone aus. Aber diese Abwertung wäre selbstverständlich nicht dauerhaft. Finnland hat noch immer eine wettbewerbsfähige Wirtschaftsbasis. Nachdem die Konjunktur wieder angezogen wäre, würde die Finnische Mark auch wieder aufwerten.

Man sieht, dass flexible Wechselkurse automatische Stabilisatoren sind. In einer Rezession stützt eine Abwertung die Wirtschaft, in einem Boom zähmt eine Aufwertung die Wirtschaft. Es gibt keinen sinnvollen Grund, auf die stabilisierende Eigenschaft flexibler Wechselkurse zu verzichten (vorausgesetzt natürlich der Währungsraum hat eine gewisse Mindestgröße erreicht). Es ist insbesondere nicht nachweisbar, dass flexible Wechselkurse dem langfristigen Wirtschaftswachstum schaden.

Leider verheddert sich Neil Irwan selbst in seinen Zahlen, mit denen er Stubb überprüfen will. Er stellt nur fest, dass Finnland 1998-2008 sehr gut mit dem Euro fuhr, 2008-2014 aber schlecht. Das sieht nach einem Unentschieden aus.

Rechnet man jedoch beide Perioden zusammen, wird gleich deutlich, dass Finnland langfristig, nämlich von 1998-2014, eine schlechtere Wirtschaftsentwicklung hatte als das vergleichbare Nachbarland Schweden. Und Schweden ist nicht in der Eurozone. Stubbs Argumente haben also keine Basis in den Statistiken.

Den Vergleich mit Schweden bringt übrigens auch Paul Krugman in seinem Blog. Dabei benutzt er eine Datenreihe ab 1989. Die ist insofern interessant, als sie zusätzlich zeigt, dass Finnland vor allem 1993-1998 bommte, also just vor Einführung des Euros.

Statt Alexander Stubb empfehle ich lieber das interessante Interview, das Gerald Braunberger von der FAZ mit dem deutschen, aber in den USA lehrenden Ökonom Rüdiger Bachmann führte. Aber Vorsicht! Rüdiger Bachmann glaubt, dass Preise und Löhne ohne besondere Probleme dirigistisch gekürzt werden können, was sehr unwahrscheinlich ist. Und selbst wenn, müsste man langfristig immer wieder neu dirigistisch eingreifen, um die automatische Stabilisation durch flexible Wechselkurse nachzuahmen. Bachmanns Vorschlag ist also für Griechenland nicht gleichwertig zu einem Grexit.

PS: Den Satz „Rüdiger Bachmann ist ein waschechter Neoklassiker“ habe ich gestrichen, da Bachmann dies selbst in einer E-Mail abstreitet und ich ihm momentan auch nicht das Gegenteil beweisen kann.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto (von Frankie Fouganthin): Alexander Stubb 2014 (Ausschnitt)


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3 Kommentare

  1. Häschen sagt

    Inwiefern besteht ein Zusammenhang zwischen Finnland und Griechenland?

    Arne Kuster – haben sie Zahlen zu den Investitionen in Griechenland über die letzten Jahre.

    BIP: Besteht aus Konsum + Investitionen von Unternehmen + Leistungsbilanz. Griechenland hat lange ein reales BIP Wachstum von gut 3% ausgewiesen bis mitte letze Dekade sogar mal gut 4. Also dürften Bedarfe zu decken gewesen sein. Investitionen habe ich keine Zahlen … ob die so relevant und wenn ja wie aussagekräftig?

    Das BIP Pro Arbeitskraft ist so übel gar nicht … Warum man jetzt auf die Idee käme zu halbieren …

    Die Zahlen habe ich von hier …
    http://www.factfish.com/de/katalog/wirtschaft

    Struktur der Im- und Exporte
    https://atlas.media.mit.edu/en/profile/country/grc/
    (Struktur Exporte und Importe von Griechenland)

    Über Finnland das auf hohem Niveau klagt, zerbreche ich mir mal nicht den Kopf. Vermutlich hat Schweden den Wechselkurs nachgestellt … das hat man vor Jahren mal beklagt so in 2011 oder 2012 sofern ich mich erinne. ..

  2. Pingback: Kleine Presseschau vom 27. Juli 2015 | Die Börsenblogger

  3. Pingback: Vom Euro-Wahnsinn zum Gender-Wahnsinn | Wirtschaftswurm

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