Alle Artikel mit dem Schlagwort: europäische Schuldenkrise

Staatsschulden

Ist die Staatsverschuldung doch kein Problem?

Der Oxford-Professor Simon Wren-Lewis weist auf einen wichtigen Punkt hin: Wie sehr die Staatsschulden drücken, hängt weniger von ihrer Höhe als von der Höhe der Zinsen und des Wirtschaftswachstums ab. Wer nun auf dauerhaft niedrige Zinsen und ein dauerhaft hohes Wirtschaftswachstum setzt, sollte allerdings besser gleich Roulette spielen.

Michael Hudson, die europäische Schuldenkrise und der Finanzsektor

Die Analyse der europäischen Schuldenkrise, die Michael Hudson vor ein paar Tagen in der FAZ vorgestellt hat, kann man nur als wirr bezeichnen. Dabei fängt Hudson gut an: „Ein demokratisches Fiskalregime wird progressive Steuern auf Einkommen und Grundbesitz erheben und Steuerflucht ahnden.“ (Nebenbei: Ähnliches verbreite ich seit längerem auch hier im Blog.) Durcheinander kommt Hudson allerdings, wenn er dies als Alternativlösung zu Lohnkürzungen und Verringerungen des Lebensstandards anpreist. In der europäischen Schuldenkrise sind zwei Probleme miteinander verwoben. Da haben wir die hohen Staatsschulden einerseits und da haben wir die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit namentlich der südeuropäischen Staaten andererseits. Klar, die hohen Staatsschulden Griechenlands und Portugals sind eine Folge der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder, haben sich aber als Problem inzwischen verselbstständigt. Für zwei Probleme braucht man auch zwei Lösungen. Denn selbst Michael Hudson hat nicht die eierlegende Wollmichsau entwickelt. Das Problem A, das der Staatsschulden, kann man durch „progressive Steuern auf Einkommen und Grundbesitz“ angehen, das Problem B, das der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit, durch Lohnkürzungen. Mögliche Alternativen für A sind ein Schuldenschnitt, eine Entwertung der Schulden durch Inflation oder …

Wie Angela Merkel von der Schuldenkrise profitiert

Trotzdem Angela Merkel der Lösung der europäischen Schuldenkrise nicht näher gekommen ist, schneidet sie in Umfragen gut ab, gerade weil sie der Lösung der europäischen Schuldenkrise nicht näher gekommen ist. Die CDU steht gut da. Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären, bekäme sie (laut einer repräsentativen Umfrage des ZDF-Politbarometers) 35 % der Stimmen. Das ist deutlich mehr als die Herausforderer von der SPD, die es lediglich auf 30 % bringen. Angela Merkel steht gut da. In der Politbarometer-Umfrage bekam sie die zweitbeste Note unter den Spitzenpolitikern (fast gleichauf mit Peer Steinbrück). Vor allem sind inzwischen viele Bürger von ihrer Rolle in der europäischen Schuldenkrise überzeugt. 63 % finden, dass sie ihre Arbeit in der „Euro-Krise“ gut macht. Das sind sehr viel mehr als noch Anfang Oktober. Damals waren es lediglich 45 %. Das Umfrageergebnis verwundert zunächst, denn Angela Merkel ist bisher der Lösung der Krise keinen Schritt näher gekommen. Ganz im Gegenteil, die Anleger meiden inzwischen Staatsanleihen aus der Eurozone. Als Folge steigen die Renditen dieser Anleihen auf Rekordwerte. Gerade heute stieg z. B. die …

Kein Weg aus der Finanz- und Schuldenkrise ohne Umverteilung

Unser Wirtschaftssystem braucht alle paar Jahrzehnte eine Phase der Umverteilung von oben nach unten. Die aktuelle Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise zeigt: Nun ist es wieder soweit. Dirk Müller ist kein studierter Volkswirt. Aber er wäre als Börsenmakler, Buchautor und Talkshowgast nicht so erfolgreich, wenn er nicht neben großer Eloquenz auch über ein gesundes Maß an gesunder Intuition in Wirtschaftsdingen verfügen würde. Dirk Müllers Credo ist, dass unser Wirtschaftssystem alle paar Jahrzehnte eine Phase der Umverteilung von oben nach unten benötigt. Denn die Marktwirtschaft im Normalzustand führe zu einer stetigen Umverteilung von unten nach oben. Dies münde irgendwann in so große Ungleichheiten, dass die Menschen sie als untragbar empfinden. Vor allem werde das Funktionieren des Wirtschaftssystem selbst beeinträchtigt. Als Volkswirt darf ich ergänzen: Das ist natürlich nicht alles Dirk Müllers eigene Eingebung, sondern geht im Kern auf wen zurück? Ja, natürlich Karl Marx (1818-1883). Es ist eine Tragik des Westens, dass er mit der Entsorgung des real existierenden Sozialismus auch einige Einsichten dieses großen Wirtschaftsphilosophen vergessen hat. Den Gründervätern der sozialen Marktwirtschaft war Marx Analyse der …

Wie Europa fällt – eine Rechtfertigung

Nicht überzeugen konnte ich mit meinem letzten Artikel „Wie sich Europa im Euro-Rettungsschirm verheddert …“ den Blogger Wirtschaftsphilosoph. Meiner auf Yanis Varoufakis beruhenden Analyse hält Wirtschaftsphilosoph entgegen: Entweder ist die europäische Schuldenlast insgesamt zu groß, dann fallen alle Dominosteine, ob nun in einer Reihe durch den EFSF oder als großer Klotz mittels Eurobonds, oder das ist nicht der Fall, weil nur einzelne Länder überschuldet sind und die übrigen das in Summe ausgleichen können. Die Dominotheorie unterstellt, dass insolvente Staaten komplett ausfallen und am Ende Deutschland allein alle Schulden des kompletten Euroraums übernehmen müsste. Das ist jedoch nicht der Fall. Selbst Griechenland kann etwas zum Begleichen seiner Schulden beitragen, sie nur eben nicht mehr allein schultern. Zunächst einmal der Punkt, in dem ich mit Wirtschaftsphilosoph übereinstimme: Eurobonds sind keineswegs die Rettung oder um im Bild zu bleiben: Wenn man die Dominosteine zusammenstellt, ist keineswegs sichergestellt, dass sie nicht umkippen. Die entgegen wirkenden Kräfte sind unter Umständen so groß, dass sie die Steine auch im Block umkippen können. Insgesamt hatte die Eurozone bereits 2010 eine Schuldenquote von …

Wie sich Europa im Euro-Rettungsschirm verheddert und fällt

José Manuel Barroso wurde schnell von den Regierungschefs zurückgepfiffen, als er letzten Donnerstag eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms vorschlug. Tatsächlich verunsicherte Barroso damit nicht nur „die Märkte“, auch fachlich lag der EU-Kommissionspräsident daneben. Yanis Varoufakis, griechischer Ökonomieprofessor, zeigt anhand eines Spinnennetzdiagramms, wie sich die europäische Politik im Euro und dem dazugehörigem Rettungsschirm EFSF verheddert hat. Und wie nun ein Staat nach dem anderen fallen muss, so wie hintereinander aufgestellte Dominosteine. Ein größerer Rettungsschirm befördert diesen Dominoeffekt nur. Der ökonomische Mechanismus, den Varoufakis analysiert, ist nicht sonderlich kompliziert. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass durch den Rettungsschirm die solventen Staaten für die Rückzahlung der Schulden eines Partnerlandes garantieren, das insolvent geworden ist. Sobald das erste Land insolvent ist, wird man darum seine Schulden den (noch) zahlungskräftigen Staaten anrechnen. Die Anrechnung erfolgt entsprechend des Anteils des Garantiestaates am Rettungsschirm, also entsprechend des jeweiligen Anteils am BIP aller verbleibenden Garantiestaaten. Somit steigt das Verhältnis der relevanten Staatsschulden zum BIP für alle Garantiestaaten. Dieses Verhältnis ist allerdings für die Anleger die Maßzahl, mit der sie das Pleiterisiko eines Staates messen. Für …

Die EZB lernt nicht aus ihren Fehlern

Nun kauft die EZB wieder Anleihen europäischer Krisenländer. Auch spanische und italienische Papiere dürfen jetzt für Stimmung in der EZB-Bilanz sorgen. Dabei war es doch so etwas wie das Eingeständnis eines Fehlers, als die EZB im März die Aufkäufe von Ramschanleihen aus Griechenland, Irland und Portugal einstellte. Über rund 10 Monate hinweg hatte man 77 Milliarden € für das Aufkaufprogramm aufgewendet. Die Kurse fielen jedoch während dieser Zeit deutlich, sowohl bei griechischen, bei irischen als auch bei portugiesischen Papieren. Der Trend war in allen drei Fällen während der gesamten Dauer des EZB-Ankäufe klar negativ. Die Europäische Zentralbank hatte ihr Ziel verfehlt und sie hatte sich verzockt. Sie hat (auf Basis aktueller Marktpreise) enorme Verluste eingefahren. Genaues weiß man nicht, denn die Zentralbanker halten alle Einzelheiten geheim. Es ist unbekannt, welcher Anteil der Ankäufe auf griechische, irische und portugiesische Papiere entfallen ist, noch weiß man die Kurse, zu denen die EZB gekauft hat. EZB-Direktorin Tumpel-Gugerell meinte im April nur: „Wir haben keine Verluste erlitten. Wir halten die Papiere bis zur Fälligkeit.“ Falls man das jetzt wirklich …

Europa und die Spekulanten

Ja die Spekulanten, die Spekulanten sind unterwegs. Evans-Pritchard (The Telegraph) glaubt, sie setzen darauf, dass Italien es bei der nächsten notwendigen Finanzierungsrunde, die im September ansteht, nicht mehr schafft, neue Anleihen zu einem vernünftigen Preis loszuwerden. Und so sinken die Anleihekurse schon heute. Die Story mag damit zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden. Nun galt allerdings jahrzehntelang der Markt für europäische Staatsanleihen als Markt für Schlaftabletten. Spekulanten haben einen weiten Bogen darum gemacht. Hier war für sie nichts zu holen. Erst als das Versagen der Politik in der Krise deutlich wurde, sind sie aufgetaucht wie die Geier beim sterbenden Wild. Das sollte sich jeder Politiker klarmachen, bevor er über Spekulanten herzieht. Und Spekulanten sind nur erfolgreich, wenn ihre Story so plausibel ist, dass auch andere Marktteilnehmer mitziehen. Das galt im Übrigen schon 1992, als George Soros das Europäische Währungssystem EWS sprengte. Damals befand sich Deutschland im Vereinigungsboom und Europa hinkte hinterher. Die wirtschaftlichen Ungleichgewichte waren untragbar geworden für ein System quasifester Wechselkurse wie das EWS. Aktuell haben die Spekulanten recht schnell die Lücken in …

Voll integriert: Merkozy

Stresstest für Gipfelbeschlüsse erforderlich

Die Eurogroßmeister haben die Krise einmal mehr abgewendet. Der gestrige Gipfel der Staats- und Regierungschefs war ein Erfolg. Die Finanzmärkte reagieren erleichtert; die Kurse griechischer Anleihen stiegen deutlich. Aber wie nachhaltig ist der Erfolg? Die Analysten versuchen sich zur Zeit noch an den komplexen Details der Einigung. Es soll mehrere komplizierte Optionen zur Umschuldung der in privater Hand befindlichen Anleihen geben. Das macht misstrauisch. Sollen hier mit schwer durchschaubaren Regelungen Schlupflöcher für die Privaten geschaffen werden? Es ist nur zu hoffen, dass die 50 Milliarden privater Gläubigerbeteiligung, die die Staats- und Regierungschefs in ihrer Abschlusserklärung nennen, auch am Ende tatsächlich 50 Milliarden bleiben. Bei den ersten Vorschlägen zur Gläubigerbeteiligung von Anfang des Monats schrumpften die zunächst genannten 3,2 Milliarden Beteiligung der deutsche Banken bei genauerem Hinsehen auf fast 0. Aber nehmen wir mal die Europagroßmeister beim Wort bzw. bei der Zahl. Laut SPON sinkt durch die Beschlüsse die griechische Staatsschuld von 160 % des BIP auf 136 %. Das kann kaum als großer Durchbruch gewertet werden. Das ist langfristig nicht ausreichend. Schuldenquoten über 100 % gelten als schwer …

Gläubigerbeteiligung: Das Scheitern an der wohl überlegten Entscheidung

Hier im Blog gibt es einen schon mehr als 1 ½ Jahre alten Artikel mit der Überschrift „Staatsbankrott als wohl überlegte Entscheidung“. Und auch wenn es um Staatsbankrotte ging, im Grunde genommen war das ein sehr optimistischer Artikel. Er setzte nämlich voraus, dass Politiker eine Lage analysieren, verschiedene Alternativen abwägen, sich für die beste entscheiden und diese danach durchsetzen. Die Realität (zumindest in Europa) sieht anders aus. Über eine sogenannte Gläubigerbeteiligung bei Staatsschuldenkrisen (vulgo Schuldenschnitt) redet die Bundesregierung nun fast ebenso lange, wie die griechische Schuldenkrise offenkundig ist. Ihr Problem: Sie vermochte es weder, diese Pläne in der Öffentlichkeit zu konkretisieren, noch vermochte sie es (was dann fast schon folgt) diese Pläne auf europäischer Ebene durchzusetzen. Die Idee der Gläubigerbeteiligung war gerade formuliert, da wurde sie gleich auf eine Zeit nach 2013 verschoben. Und überhaupt, so Merkel noch im November letzten Jahres zur Anwendung: Man bewege sich hier in „‚Sphären von Unwahrscheinlichkeiten, die beachtlich sind“. Wer allerdings so Verhandlungen beginnt, wird auch genauso enden, nämlich in der Unbedeutsamkeit. Die ausgehandelten Entwürfe für den ab 2013 …

Kritik an Ratingagenturen: Lächerlich, aber nicht zum Lachen

„Lächerlich hoch drei“, so bezeichnet Thomas Strobl die gegenwärtige Kritik von Politikern an den Ratingangenturen. Doch so lächerlich die Politikeraussagen sein mögen, leider ist die ganze Situation überhaupt nicht zum Lachen. Denn wenn EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier überlegt, das Rating von Krisenländern zu verbieten, dann zeigt das vor allem Hilflosigkeit, dann ist das schon so gut wie ein Offenbarungseid. Auf Deutsch gesagt: Denen geht der Arsch auf Grundeis. Vorangegangen war bekanntlich die Abwertung von Portugalanleihen durch die Ratingagentur Moody’s auf Ba2. Die Anleihen gelten somit als spekulativ; die Medien reden von Ramschanleihen. Die Aussetzung des Ratings (wie von Barnier gefordert) hätte allerdings genau dasselbe Signal gebracht. Unter Umständen wäre das Signal sogar noch verheerender gewesen. Denn die Märkte sind meistens eher bereit schlechte Nachrichten zu akzeptieren als große Unsicherheit. Lieber eine schlechte Bewertung als gar keine. Auch der Ruf nach mehr Rating-Wettbewerb ist nicht zu Ende gedacht. Klar, wenn es statt dreier großer Rating-Agenturen sechs gäbe (wie von Barniers Kollegin Viviane Reding gefordert), verlöre das Votum einer einzelnen Agentur an Gewicht. Dies würde helfen, die Ratings …