Wirtschaftswurm-Blog

Wie sich Europa im Euro-Rettungsschirm verheddert und fällt

Modell des Euro-Rettungsschirms, Quelle: Yanis Varoufakis

José Manuel Barroso wurde schnell von den Regierungschefs zurückgepfiffen, als er letzten Donnerstag eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms vorschlug. Tatsächlich verunsicherte Barroso damit nicht nur „die Märkte“, auch fachlich lag der EU-Kommissionspräsident daneben. Yanis Varoufakis, griechischer Ökonomieprofessor, zeigt anhand eines Spinnennetzdiagramms, wie sich die europäische Politik im Euro und dem dazugehörigem Rettungsschirm EFSF verheddert hat. Und wie nun ein Staat nach dem anderen fallen muss, so wie hintereinander aufgestellte Dominosteine. Ein größerer Rettungsschirm befördert diesen Dominoeffekt nur.

Der ökonomische Mechanismus, den Varoufakis analysiert, ist nicht sonderlich kompliziert. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass durch den Rettungsschirm die solventen Staaten für die Rückzahlung der Schulden eines Partnerlandes garantieren, das insolvent geworden ist. Sobald das erste Land insolvent ist, wird man darum seine Schulden den (noch) zahlungskräftigen Staaten anrechnen.

Die Anrechnung erfolgt entsprechend des Anteils des Garantiestaates am Rettungsschirm, also entsprechend des jeweiligen Anteils am BIP aller verbleibenden Garantiestaaten. Somit steigt das Verhältnis der relevanten Staatsschulden zum BIP für alle Garantiestaaten. Dieses Verhältnis ist allerdings für die Anleger die Maßzahl, mit der sie das Pleiterisiko eines Staates messen. Für ein größeres Risiko werden sie höhere Zinsen verlangen. Die Zinslast nimmt zu. Für den unsichersten unter den Garantiestaaten nimmt die Zinslast soweit zu, dass sie untragbar wird. Er schlüpft selbst unter den Rettungsschirm.

Die Spirale aus steigendem Verhältnis Staatsschulden zu BIP und steigenden Zinsen beginnt sich zu drehen. Ein Staat fällt nach dem anderen. Das Verhältnis von solventen zu insolventen Staaten wird immer ungünstiger und bringt am Ende auch den finanzkräftigsten Staat zu Fall. Die zerstörende Kraft des Mechanismus, den die europäischen Politiker geschaffen haben, wirkt sogar, ohne dass die Summe der Schulden weiter steigt.

Ein Blick auf die Prämien für Kreditausfallversicherungen bestätigt Yanis Varoufakis These. Im Schatten der spanischen und italienischen Entwicklung sind bereits die Prämien für den Ausfall französischer und selbst deutscher Anleihen gestiegen. Der Blicklog sieht darin das „Ende des Mythos der risikofreien Geld- und Kapitalanlage“.

Weniger überzeugend ist Varoufakis leider mit seinem Lösungsvorschlag. Er möchte gemeinsame Eurobonds. Er möchte also quasi die Dominosteine im Block aufstellen, so dass sie sich gegenseitig stützen anstatt zu Fall zu bringen. Warum bloß fordert jemand, dessen Kindheit durch eine Militärdiktatur geprägt wurde, nun mehr Macht für undurchschaubare, nicht demokratisch legitimierte Eurostrukturen? Besser wäre es doch, die Dominosteine wieder mit mehr Abstand voneinander aufzustellen, so dass es die anderen nicht trifft, wenn einer umfällt. Die gemeinsame europäische Währung hat sich als Fehlschlag erwiesen.

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9 Kommentare

  1. Stimmt. Persönlich hätte ich kein Problem mit den Vereinigten Staaten von Europa und einer Fiskalunion. Aber da bin ich wohl der Einzige? Somit kann ich diese Idee unter dem Stichwort „pie in the sky“ ablegen.

    Wobei Yanis‘ Vorschlag ja noch geht hinsichtlich Demokratie. Sein Automatismus wegen der Auflage von Eurobonds macht das Ganze noch erträglich. Noch schlimmer finde ich die Vorschläge von Kantoos. Der will die EZB mit autoritären Weisungsrechten aufrüsten. Wer seine Fiskalpolitik nicht nach Wunsch von ein paar Auto-/Technokraten gestaltet wird mit Liebesentzug bestraft. Diese Quasi-Diktatur der EZB kann auch nur ein Quasi-Monetarist toll finden.

  2. Wirtschaftswurm sagt

    Hab jetzt die Vorschläge von Kantoos noch nicht gelesen. Aber Yanis Varoufakis will auch eine „EZB-Diktatur“. Das geht aus seinem Artikel vom 6. August hervor. Da schreibt er, „if the EFSF can enforce its terms and conditions on member-states under EFSF programs then the ECB can do so far more powerfully“.

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  4. Saito sagt

    Da lasse man sich doch nicht für dumm verkaufen.Alle wollen das Gleiche: An das Geld der
    Normalbürger, um die Banken zu „retten“.
    Wir sollen abgezockt werden, egal was man uns vorlügt.
    Die Finanzwirtschaft hat das Sagen und befiehlt, daß die Steuern der Bürger zur Rettung ihrer Profite bereit gestellt werden müssen.
    Und die Politiker aller Parteien im Bundestag machen dabei- bis auf einige wenige- mit.

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  7. Mich überzeugt die Dominotheorie nicht. Die insolventen Länder, die unter den Rettungsschirm kriechen, fallen doch nicht komplett aus. Entsprechend müsste Deutschland auch im ungünstigsten Fall die Schulden des Euro-Raums nicht alleine schultern. Wenn jedoch alle Euro-Staaten ihre gemeinsamen Schulden nicht mehr tragen können, nützen auch Eurobonds nichts.

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