Alle Artikel mit dem Schlagwort: Euro-Rettungsschirm

Unendliche Risiken? Zur Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht

Bei der Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht zum Thema ESM ist der Eindruck entstanden, sowohl ein sofortiges Inkrafttreten als auch eine Verzögerung des Rettungsschirms würden unendliche Risiken bergen; so zumindest der Blogger Max Steinbeis. Etwas genauer kann und sollte das Gericht die jeweiligen Risiken allerdings schon abschätzen. In seinem lesenswerten Bericht über die Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht zum Thema ESM fasst der Blogger Max Steinbeis seinen Eindruck so zusammen: Hier dagegen lassen wir uns auf ins Unendliche gehene (sic) Risiken ein, sowohl wenn wir den ESM installieren als auch wenn wir es lassen. Nun, ich selbst war nicht in Karlsruhe und möglicherweise ist tatsächlich dieser Eindruck während der Anhörung entstanden. Dann allerdings war die Anhörung ziemlich nutzlos! Mit dem Unendlichen kann man ja nicht kalkulieren. Versuchen wir es im Folgenden eine Nummer kleiner. Konkret geht es für die Verfassungsrichter um die Frage, ob ein Inkrafttreten des ESM jetzt verantwortbar ist, auch wenn später möglicherweise die Verfassungswidrigkeit des Rettungsschirms festgestellt werden muss. Und umgekehrt muss das Richterkollegium entscheiden, ob eine Verzögerung des ESM verantwortbar ist, auch wenn …

Eurorettung – die nächste Runde

Der Fall der Dexia-Bank offenbart vor allem die Vergeblichkeit der Rettungsschirm-politik seit Mai 2010. Entscheidend sind nun die Bedingungen, unter denen die Banken rekapitalisiert werden sollen. Es ist keine drei Monate her, da vermittelte die europäische Bankenlandschaft den Anschein einer intakten Ökonomie. EU-Binnenmarktkommissar Olli Rehn meinte, die große Mehrheit der europäischen Banken sei inzwischen deutlich stabiler aufgestellt als früher. Wolfgang Schäuble sprach von der Krisenfestigkeit der Branche. Auch Journalisten wie Stefan Kaiser von SPON glaubten, man werde das Ziel erreichen, „den europäischen Bankensektor stabiler zu machen.“ Anlass für die Vertrauensbekundungen von Mitte Juli war der Bankenstresstest, an dem 91 wichtige Banken der EU teilnahmen und bei dem nur acht Banken durchfielen. Auch die belgisch-französische Dexia bestand den Test. Die steht jetzt vor der Insolvenz und wird verstaatlicht. Und es „gehört keine besondere prophetische Gabe zu der Vorhersage, dass die Dexia-Bank nur der Anfang ist“, schreibt Dirk Elsner im Blicklog. Der Fall Dexia zeigt, dass der Bankenstresstest 2011 für die Banken lediglich leichte Nadelstiche statt eines kräftigen Kinnhakens simulierte. Der Fall Dexia offenbart aber vor allem …

Eurobonds – clever, aber kein Allheilmittel

Eurobonds (wenn sie richtig konstruiert werden) sind besser als die gegenwärtigen Euro-Rettungsschirme. Ein Pleite Griechenlands und seinen Austritt aus der Eurozone könnten sie trotzdem nicht verhindern. Meine Ablehnung von Eurobonds hier im Blog war ja (zumindest für meine Verhältnisse) recht verhalten. Es ist unbestritten, dass Eurobonds sogenannte Synergieeffekte bringen. Wenn die Staaten der Eurozone sich zusammentun, um gemeinsam Schulden aufzunehmen und gemeinsam dafür zu haften, müssen Staaten wie Italien bedeutend weniger Zinsen zahlen, während Staaten wie Deutschland nur geringfügig mehr zu zahlen haben. Zumindest per Saldo ein Plus. (Und umsonst kommen die „Nordstaaten“ aus der ganzen Eurogeschichte sowieso nicht mehr raus.) Interessant im Zusammenhang mit Eurobonds ist ein Vorschlag, der ursprünglich am Brüsseler BRUEGEL-Institut entwickelt wurde und den z. B. auch die Jungs von FTD Wunder aufgegriffen haben. Er beinhaltet „blaue“ Eurobonds und „rote“ nationale Anleihen. Die roten, nationalen Anleihen werden nachrangig bedient. Wenn also ein Staat Liquiditätsprobleme hat, muss er zuerst die Zahlungen für die roten Anleihen einstellen, die blauen aber weiterhin bedienen. Die blauen Eurobonds dürfen nur bis zu einer Marke von 60 …

Was das Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht sagt

In seinem Urteil entschied das Bundesverfassungsgericht weder abschließend über die Rechtmäßigkeit des Euro-Rettungsschirms noch gar über seine volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit. Am Mittwoch entschied das Bundesverfassungsgericht über die Griechenlandhilfen und den Euro-Rettungsschirm. Das vollständige Urteil ist auch im Internet nachzulesen: Die Übernahme von Risiken in Höhe von 170 Milliarden € sei mit dem Grundgesetz vereinbar, sofern die Bundesregierung verpflichtet wird, „ vor Übernahme von Gewährleistungen jeweils die vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses einzuholen.“ In verschiedenen Medien, z. B. Welt Online, konnte man daraufhin nachlesen, der Euro-Rettungsschirm sei rechtens. Muss ich jetzt meinen Artikel vom 1. August widerrufen, in dem ich behauptet habe, der Euro-Rettungsschirm stehe über Recht und Gesetz? – Nein, ganz und gar nicht. Der Senat des Bundesverfassungsgerichts weist ausdrücklich darauf hin, dass ihm „eine Prüfung der beanstandeten Gesetze an unionsrechtlichen Bestimmungen verwehrt war“. Sprich: Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist ausschließlich zu prüfen, ob das deutsche Grundgesetz eingehalten worden ist. Es hat keine Kompetenz zu prüfen, ob europäisches Recht ebenfalls beachtet worden ist. Entsprechend äußert es sich hierzu nicht. Es bleibt jedem mit gesundem Menschenverstand frei, zu erkennen, …

Wie Europa fällt – eine Rechtfertigung

Nicht überzeugen konnte ich mit meinem letzten Artikel „Wie sich Europa im Euro-Rettungsschirm verheddert …“ den Blogger Wirtschaftsphilosoph. Meiner auf Yanis Varoufakis beruhenden Analyse hält Wirtschaftsphilosoph entgegen: Entweder ist die europäische Schuldenlast insgesamt zu groß, dann fallen alle Dominosteine, ob nun in einer Reihe durch den EFSF oder als großer Klotz mittels Eurobonds, oder das ist nicht der Fall, weil nur einzelne Länder überschuldet sind und die übrigen das in Summe ausgleichen können. Die Dominotheorie unterstellt, dass insolvente Staaten komplett ausfallen und am Ende Deutschland allein alle Schulden des kompletten Euroraums übernehmen müsste. Das ist jedoch nicht der Fall. Selbst Griechenland kann etwas zum Begleichen seiner Schulden beitragen, sie nur eben nicht mehr allein schultern. Zunächst einmal der Punkt, in dem ich mit Wirtschaftsphilosoph übereinstimme: Eurobonds sind keineswegs die Rettung oder um im Bild zu bleiben: Wenn man die Dominosteine zusammenstellt, ist keineswegs sichergestellt, dass sie nicht umkippen. Die entgegen wirkenden Kräfte sind unter Umständen so groß, dass sie die Steine auch im Block umkippen können. Insgesamt hatte die Eurozone bereits 2010 eine Schuldenquote von …

Wie sich Europa im Euro-Rettungsschirm verheddert und fällt

José Manuel Barroso wurde schnell von den Regierungschefs zurückgepfiffen, als er letzten Donnerstag eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms vorschlug. Tatsächlich verunsicherte Barroso damit nicht nur „die Märkte“, auch fachlich lag der EU-Kommissionspräsident daneben. Yanis Varoufakis, griechischer Ökonomieprofessor, zeigt anhand eines Spinnennetzdiagramms, wie sich die europäische Politik im Euro und dem dazugehörigem Rettungsschirm EFSF verheddert hat. Und wie nun ein Staat nach dem anderen fallen muss, so wie hintereinander aufgestellte Dominosteine. Ein größerer Rettungsschirm befördert diesen Dominoeffekt nur. Der ökonomische Mechanismus, den Varoufakis analysiert, ist nicht sonderlich kompliziert. Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass durch den Rettungsschirm die solventen Staaten für die Rückzahlung der Schulden eines Partnerlandes garantieren, das insolvent geworden ist. Sobald das erste Land insolvent ist, wird man darum seine Schulden den (noch) zahlungskräftigen Staaten anrechnen. Die Anrechnung erfolgt entsprechend des Anteils des Garantiestaates am Rettungsschirm, also entsprechend des jeweiligen Anteils am BIP aller verbleibenden Garantiestaaten. Somit steigt das Verhältnis der relevanten Staatsschulden zum BIP für alle Garantiestaaten. Dieses Verhältnis ist allerdings für die Anleger die Maßzahl, mit der sie das Pleiterisiko eines Staates messen. Für …

Der Euro-Rettungsschirm – über Recht und Gesetz

In der sogenannten Nichtbeistandsklausel, dem Artikel 104b des Vertrages von Maastricht (nun Artikel 125 AEU-Vertrag), heißt es klar: Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein … Der gegenwärtige Euro-Rettungsschirm EFSF ist also nichts anderes als eine illegale Organisation. Er spielt in derselben Liga wie Cosa Nostra und Camorra. Darüber sollten sich nicht zuletzt alle, die für oder mit dem EFSF arbeiten, im Klaren sein. Sie stehen mit einem Bein im Gefängnis. Auch die Rating-Agenturen sollten sich Gedanken machen. Kann eine illegale Organisation tatsächlich ein AAA-Rating halten? Bürgschaften und Garantien eines EU-Mitgliedsstaates sind juristisch zumindest nichts wert, sollten sich die politischen Einschätzungen ändern. Aber so sieht das neue Europa aus. Dafür streiten die deutschen Parteien von CDU/CSU über FDP, SPD, Grünen bis hin zu den Linken. Wenn es heißt, der Euro müsse um jeden Preis gerettet werden, dann war damit nicht nur Geld gemeint. Der Preis war …

Voll integriert: Merkozy

Stresstest für Gipfelbeschlüsse erforderlich

Die Eurogroßmeister haben die Krise einmal mehr abgewendet. Der gestrige Gipfel der Staats- und Regierungschefs war ein Erfolg. Die Finanzmärkte reagieren erleichtert; die Kurse griechischer Anleihen stiegen deutlich. Aber wie nachhaltig ist der Erfolg? Die Analysten versuchen sich zur Zeit noch an den komplexen Details der Einigung. Es soll mehrere komplizierte Optionen zur Umschuldung der in privater Hand befindlichen Anleihen geben. Das macht misstrauisch. Sollen hier mit schwer durchschaubaren Regelungen Schlupflöcher für die Privaten geschaffen werden? Es ist nur zu hoffen, dass die 50 Milliarden privater Gläubigerbeteiligung, die die Staats- und Regierungschefs in ihrer Abschlusserklärung nennen, auch am Ende tatsächlich 50 Milliarden bleiben. Bei den ersten Vorschlägen zur Gläubigerbeteiligung von Anfang des Monats schrumpften die zunächst genannten 3,2 Milliarden Beteiligung der deutsche Banken bei genauerem Hinsehen auf fast 0. Aber nehmen wir mal die Europagroßmeister beim Wort bzw. bei der Zahl. Laut SPON sinkt durch die Beschlüsse die griechische Staatsschuld von 160 % des BIP auf 136 %. Das kann kaum als großer Durchbruch gewertet werden. Das ist langfristig nicht ausreichend. Schuldenquoten über 100 % gelten als schwer …

Target-2-Schieflage: Ursachen und Gefahren

Wie im letzten Artikel geschrieben, das Eurosystem ist in einer Schieflage. Die Notenbanken der PIGS-Staaten stehen mit 314 Milliarden bei der EZB in der Kreide. Wie kam das zustande? Und welche Gefahren ergeben sich daraus? Seit Beginn der Finanzkrise 2007 gibt es einen Zahlungsmittelabfluss aus Portugal, Irland, Griechenland und Spanien unter anderem nach Deutschland. Olaf Storbeck rechnet in seinem nun online erschienenen Handelsblatt-Artikel nach und kommt zu dem Schluss, dass dieser Abfluss nicht aus dem nach wie vor vorhandenem Leistungsbilanzdefizit der PIGS-Staaten resultiert, also nichts damit zu tun hat, dass die PIGS-Staaten nach wie vor mehr importieren als exportieren. So bleibt als weitere Möglichkeit Kapitalflucht. Tatsächlich räumen etwa die Griechen ihre Konten bei den unsicheren heimischen Geschäftsbanken, um das Geld lieber in Deutschland anzulegen. Der befürchtete Bankenansturm findet, still und leise, bereits statt. Dabei läuft der Weg der griechischen Gelder nach Deutschland über die Deutsche Bundesbank. Sie überweist den Betrag an die deutsche Zielbank (z.B. an die Commerzbank). Im Gegenzug erhält die Bundesbank eine Forderung an die EZB. Die EZB wiederum bekommt eine Forderung gegenüber …

Der Euro-Rettungsschirm hilft dem Euro nicht

Claudia Aebersold Szalay macht es in der NZZ klar: Es geht überhaupt nicht um den Euro beim milliardenschweren „Euro-Rettungsschirm“ (offiziell Europäischer Stabilisierungsmechanismus ESM). Über Wohl und Wehe des Euros entscheide allein die Politik der Europäischen Zentralbank EZB. In der Tat hat die gesamte Schuldenkrise nur vorübergehend am Außenwert des Euros gekratzt. Gegenüber dem Dollar ist er seit Juni letzten Jahres wieder im Aufwind und selbst gegenüber dem Schweizer Franken ist er seitdem einigermaßen stabil. Nicht so gut sieht es beim Binnenwert des Euros aus. Die jährliche Inflationsrate im Euroraum lag nach ersten Schätzungen im März bei 2,6 %. Damit hat die EZB ihr Inflationsziel von maximal 2 % inzwischen deutlich verfehlt. Es gibt allerdings überhaupt keinen volkswirtschaftlichen Automatismus, nach dem die Schuldenprobleme eines Staates zu einer Geldentwertung führen. Die Schuldenprobleme werden nur dann zu Inflationsproblemen, wenn die Geldpolitik dies zulässt. Konkret, wenn die Zentralbank bereit ist, Geld „zu drucken“, damit ein Staat seine Schulden zurückzahlen kann. Und leider hat sich die EZB dazu hinreißen lassen. Der Sündenfall der EZB begann mit dem Ankauf von Staatsanleihen aus den …

Schlimm ist das neue Normal

Ich erlaube mir mal, einen SPON-Titel abzukupfern. Denn unter dem Titel „Schlimm ist das neue Normal“ beschreibt Stefan Kuzmany die Gewöhnung von Menschen und Medien an den Katastrophenzustand in Fukushima: „Vor einigen Tagen hätte es empfindliche Menschen hierzulande wohl noch den Schlaf gekostet, zu wissen, dass die Strahlenwerte im Meer vor Fukushima 3355fach über dem Normalwert liegen. Heute nehmen wir solche Meldungen achselzuckend zur Kenntnis.“ Warum ist das so? – Zum einen, weil wir uns innerlich bereits auf den schlimmsten Fall eingestellt haben , den unser Vorstellungsvermögen fassen kann. Mehr geht nicht, zumindest nicht in unserem Kopf, in der Realität natürlich schon. Oder wer kann sich eine 23 m hohe Tsunamiwelle vorstellen? – Zum anderen reagieren wir nur noch mit einem Achselzucken, weil wir eh schon lange den Überblick verloren haben. Und genauso sieht es auch im Falle der Euro-Schuldenkrise aus. Selbst mir war es in letzter Zeit zu müßig, die Milliarden und Abermilliarden zusammenzuzählen, die uns diese Krise kosten könnte. Wir steuern ohnehin auf eine Katastrophe zu. Glücklicherweise wurde ifo-Chef Hans-Werner Sinn (vielleicht, weil er …