Wirtschaftswurm-Blog

Eurobonds – clever, aber kein Allheilmittel

Eurobonds (wenn sie richtig konstruiert werden) sind besser als die gegenwärtigen Euro-Rettungsschirme. Ein Pleite Griechenlands und seinen Austritt aus der Eurozone könnten sie trotzdem nicht verhindern.

Meine Ablehnung von Eurobonds hier im Blog war ja (zumindest für meine Verhältnisse) recht verhalten. Es ist unbestritten, dass Eurobonds sogenannte Synergieeffekte bringen. Wenn die Staaten der Eurozone sich zusammentun, um gemeinsam Schulden aufzunehmen und gemeinsam dafür zu haften, müssen Staaten wie Italien bedeutend weniger Zinsen zahlen, während Staaten wie Deutschland nur geringfügig mehr zu zahlen haben. Zumindest per Saldo ein Plus. (Und umsonst kommen die „Nordstaaten“ aus der ganzen Eurogeschichte sowieso nicht mehr raus.)

Interessant im Zusammenhang mit Eurobonds ist ein Vorschlag, der ursprünglich am Brüsseler BRUEGEL-Institut entwickelt wurde und den z. B. auch die Jungs von FTD Wunder aufgegriffen haben. Er beinhaltet „blaue“ Eurobonds und „rote“ nationale Anleihen. Die roten, nationalen Anleihen werden nachrangig bedient. Wenn also ein Staat Liquiditätsprobleme hat, muss er zuerst die Zahlungen für die roten Anleihen einstellen, die blauen aber weiterhin bedienen. Die blauen Eurobonds dürfen nur bis zu einer Marke von 60 % des BIP ausgegeben werden.

Da die roten Bonds wegen ihrer Nachrangigkeit ein hohes Risiko beinhalten, müssen die Staaten hohe Zinsen zahlen, wenn sie ihr Kontingent an blauen Bonds ausgeschöpft haben. Die Konstruktion schafft also einen starken Anreiz, die 60-%-Marke einzuhalten. In der aktuellen Krise würden Problemstaaten wie Italien durch die Ausgabe blauer Bonds mit niedrigen Zinsen Zeit gewinnen, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen.

Da die blauen Bonds als sehr sicher gelten werden, ist das Risiko, das die Nordstaaten durch die Haftungsübernahme eingehen, minimal. Anders als beim gegenwärtigen Euro-Rettungsschirm braucht man keinen Dominoeffekt befürchten, der einen Staat nach dem anderen zu Fall bringt. Es spricht alles dafür, die fatalen Rettungsschirme EFSF und ESM durch die blaue Eurobonds zu ersetzen. Ersetzten wohlgemerkt, nicht ergänzen!

Selbst eine so massive Erleichterung wie blaue Eurobonds wird allerdings Griechenland nicht vor der Pleite retten. Griechenland braucht allein in den nächsten drei Jahren 154 Milliarden €. (109 Milliarden aus dem zweiten Rettungspaket und 45 Milliarden, die aus dem ersten noch ausstehen.) Das sind bereits 67 % des griechischen BIPs. Das Kontingent an blauen Eurobonds wäre also sehr schnell ausgeschöpft, lange bevor die Griechen in der Lage wären, ihren Schuldendienst und ihre Ausgaben selbständig zu finanzieren.

Eurobonds lösen ferner nicht das Problem mangelnder Wettbewerbsfähigkeit, das nicht nur Griechenland trifft. Hier hilft letztlich am besten ein Austritt aus der Eurozone.

Und schließlich: Eurobonds lösen nicht das Glaubwürdigkeitsproblem der europäischen Politiker insgesamt und einiger italienischer Ministerpräsidenten insbesondere. Wer garantiert, dass die 60-%-Marke für blaue Bonds nicht angehoben wird, wenn es gerade opportun erscheint? Und wer garantiert, dass nicht zusätzlich neue Rettungsschirme für rote Bonds geschaffen werden? Rettungsschirme, die den Anreiz zu ordentlicher Haushaltsplanung wieder nehmen. Die gegenwärtige Missachtung der Nichtbeistandsklausel in den europäischen Verträgen zeigt, dass es sogar nicht ausreicht, diese Dinge im europäischen Recht zu verankern.


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14 Kommentare

  1. Pingback: “Eurobonds” – auf absehbare Zeit bitte nicht! | Wirtschaftswurm

  2. Genau meine Meinung: Die Hoffnung vieler, die Eurobonds seien die Lösung aller Probleme, wird enttäuscht werden. Aber Eurobonds nach Brügel wäre eine Verbesserung gegenüber dem Status-Quo und daher bin ich dafür.

  3. Guenni7 sagt

    Ich glaube, der wichtigste Satz in deinem Blogeintrag ist: „Eurobonds lösen nicht das Glaubwürdigkeitsproblem der europäischen Politiker insgesamt und einiger italienischer Ministerpräsidenten insbesondere.“

    Durch den Bruch aller EU-Regierungen mit den EU-Gesetzen ist eine Vertrauenskrise entstanden. Und eben Diese bekommen jetzt alle Mitgliedsländer zu spüren.

    Sie haben das Feuer mit Benzin gelöscht, könnte man sagen…..

  4. Wirtschaftswurm sagt

    Länder wie Griechenland kommen da auch nur noch heraus, indem sie wieder bei 0 anfangen – mit einer neuen Währung. Bei Italien reicht vielleicht eine neue Regierung, aber solche Bedingungen darf die EZB natürlich nicht stellen. Darum verschleudert sie nur Geld mit ihrem Ankauf italienischer Anleihen.

  5. Pingback: Kleine Presseschau vom 22. September 2011 | Die Börsenblogger

  6. Mir ist unklar welches Problem die Bruegel-Bonds loesen sollen.

    Erstens: sie schaffen junior Staatsschuld (Red Bonds) fuer alle Eurostaaten ausser Finnland, d.h. Deutschland eingeschlossen (dessen Staatsschuld ja auch ueber 60 Prozent des BSP liegt). Griechische oder portugiesische Red Bonds waeren offensichtlich sofort Trash. Aber auch der deutsche Steuerzahler muesste erst fuer griechische, spanische, italienische Bonds in Hoehe von 60 Prozent des GDPs aufkommen, bevor er fuer den „ueberschuessigen“ Teil (>60) seiner eigenen Staatschuld aufkommen darf. Die deutsche Red Bonds koennen da kein erstklassiges Papier sein, was heisst dass die Zinskosten fuer den deutschen Fiskus steigen wuerden.

    Zweitens: die Brueghel-Autoren pfluecken eine Behauptung aus duenner Luft die Euro-Blue-Bonds waeren billiger als deutsche Staatsschuld – angeblich soll es auf letztere eine Liquidtaetspreamie geben. Seltsam, zwischen deutschen und niederlaendischen Staatsanleihen gibt es auch kein Zinsdifferential, obwohl der deutsche Staatsanleihenmarkt viel groesser ist.

    Drittens koennen Eurobonds konzeptuell allenfalls bei Liquiditaetsproblemen helfen (nicht jedoch der Brueghel-Vorschlag), sie machen eine Loesung des Wettbewerbsfaehigkeitsproblem aber schwieriger wenn nicht unmoeglich. Wenn Land X aus dem Euro raus muss weil es Wettbewerbsafehigkeit nur ueber nominale Abwertung herstellen kann revaluiert sich seine Euro-Staatsschuld – 60 Prozent des BSP sind dann schnell 100 Prozent. D.h. dann muessten Deutschland et al. ploetzlich fuer die Blue Bonds des austretenden Staates einstehen (was weckt ob Blue Bonds wirklich sicher und billig waeren). Dies re-etabliert Glaeubiger-Schuldner Beziehungen zwischen europaeischen Staaten, nicht anders als in den 1920er Jahren, und waere politisches Gift. Wettbewerbsfaehige Staaten wuerden aus Sorge vor seinem solchen Szenario enormen Druck auf wettbewerbsunfaehige Staaten ausueben im Euro zu bleiben, was letztere dauerhaft zu Stagnation verurteilen wuerde.

    Viertens kann die EZB schon jetzt mit Anleihenkaeufen all das gewaehrleisten was Eurobonds gewaehrlesiten wuerden – nur werden mit diesen Kaeufen keine dauerhaften und auf Dauer schaedlichen Instituionen geschaffen.

    MAn sind Euro Bonds gefaehrlich und die meisten Vorschlaege mangelhaft durchdacht, und dies gilt uneingeschraenkt auch fuer den Brueghel-Vorschlag.

  7. Wirtschaftswurm sagt

    @Henry Kaspar,
    Zu erstens: Das Konzept ist wohl, dass nach Einführung der Eurobonds jeder Staat (auch Griechenland) die blauen Anleihen begeben darf, solange bis das 60-%-Kontingent ausgeschöpft ist. Damit wäre Zeit gewonnen, den Haushalt zu konsolidieren. Klappt das (und ich halte das auch bei Spanien und Italien für möglich), braucht man auch später keine (oder nur sehr wenige) roten Anleihen mehr auszugeben.
    Zu zweitens: Im Moment profitieren deutsche Anleihen ja von der Krise. Das gegenwärtig niedrige Zinsniveau kann darum nicht der Maßstab sein. Sollte die Krise (vielleicht auch dank Eurobonds) vorbei sein, werden die Kurse deutscher Anleihen wieder sinken und damit die Zinsen steigen.
    Zu drittens: Völlig deiner Meinung. Darum müssen Griechenland und das ebenfalls nicht wettbewerbsfähige Portugal raus, damit Eurobonds funktionieren. Wie auch im Beitrag geschrieben, würden selbst blaue Eurobonds nur die Pleite Griechenlands um etwa zweieinhalb Jahre verzögern. Insolvenzverschleppung kann aber nicht das Ziel sein.
    Zu viertens: Nein, ich verlasse mich lieber auf Regeln und Institutionen als auf eine hemdsärmelige Geldpolitik.

  8. @Henry Kaspar
    Ich stimme zu, dass der Brügel-Vorschlag nicht bei der Bewältigung der aktuellen Schuldenkrise hilft. Seinen Charme hat der Vorschlag danach. Red Bonds werden so unattraktiv und teuer, dass Länder davor zurückschrecken werden diese zu emittieren. So werden Verschuldungsgrenzen, z.B. die 60%, in Zukunft glaubwürdiger eingehalten als derzeit.

    Eine weitere wichtige, wenn nicht gar die wichtigste, Eigenschaft des Red Bonds ist das Verbot für Banken und die EZB diese zu halten oder als Collateral zu akzeptieren. Damit wird erstmals ein Staatsbankrott ermöglicht, ohne das andere Euroländer über ihre Bankensysteme erpressbar wären. Ich stimme zu, dass Austritte aus der Eurozone erschwert würden. Eurobonds als Instrument sind ein Schritt hin zu stärkerer Integration.

  9. @ lostgen, wirtschaftswurm

    Ich koennte den Charme des Bruegel-Vorschlags sehen wenn wir mit einer Waehrungsunion anfingen bei der alle Staatschulden von max. 50 Prozent des GDP haben, und wir Anreize schaffen wollten dass niemand ueber 60 geht — und sofern wir mal (unzulaessig) davon abstrahierten dass es sowas wie aysmmetrische Schocks und Wettbewerbsprobleme geben kann, welche Euroaustritt nahelegen (was bei Eurobonds praktisch nicht mehr geht).

    Aber heute wo fast alle Staaten weit mehr als 60 Prozent des GDP Staatsschuld haben, und die Bankensysteme vollgestopft mit Staatsanleihen sind? Da schafft der Bruegel Vorschlag doch lediglich SOFORT eine grosse Menge sekundaerer Papiere (red bonds), die noch niedriger bewertet waeren als die existierenden Staatsanleihen. D.h. sofort waeren die Bankbilanzen kaputt, und sofort kaemen die Staaten in groesste Refinanzierungsschwierigkeiten, schlimmer noch als das ohnehin schon der Fall ist. Von „Zeit zu Haushaltskonsolidierung“ kann keine Rede sein.

    Wirtschaftswurm: ich verstehe Deine Antwort auf 2 nicht – meine Einschaetzung hat nichts mit dem gegenwertigen Zinsniveau zu tun. Deutsche Red Bonds – von den es ja einige gaebe – waeren junior zu allen Eurozonen Blue Bonds, griechische und protugiesische Blue Bonds eingeschlossen. D.h. sie muessen teurer sein als gegenwartige deutsche Staatsanleihen (die nicht junior zu griechischer oder portugiesischer Staatsschuld sind), aus logischer Notwendigkeit.

    Um auch „hemdsaermlige Geldpolitik“ verstehe ich nicht recht. Staatsanleihen im Sekundaermarkt kaufen ist, allen gegneteiligen Beteuerungen (inl. Bundespraesidentereden) zum Trotz, keine unorthodoxe oder irgendwie suendhafte Geldpolitk. Zugleich haben sie den grossen Vorteil revidierbar zu sein – Eurobonds sind es nicht. Einmal eingefuehrt muessten wir mit der Schose leben.

    Mir scheint der Bruegel-Vorschlag mangelhaft durchdacht und mir ist ein Ratesel, weshalb er solchen Anklang gefunden hat (vielleicht wegen des Nachnames eines der Autoren).

  10. @ Wirtschaftswurm

    Sorry, ich sehe gerade dass Deine Reaktion sich auf meinen Punkt 2 bezieht. Aber auch der besteht fort. Wie kommen die Autoren darauf D Staatsanleihen koennten mit einer Liquidititatespraemie belastet sein, wenn z.B. zwischen D und NL Anleihen weit und breit keine Liquiditatespraemie zu erkennen ist? De Behauptung scheint mir schlicht aus duenner Luft gepflueckt, oder auch: frei erfunden, um ihrem Konstrukt zumindest irgendeinen positiven Aspekt andichten zu koennen.

    Gruss,
    HK

  11. Wirtschaftswurm sagt

    @Henry Kaspar,
    du magst bei der Liquiditätsprämie Recht haben. Das Liquiditätsargument ist aber nicht das entscheidende.
    Bereits existierende Staatsanleihen werden nicht automatisch „Red Bonds“. Das gilt nur für neue Anleihen, die nach Ausschöpfen des Blue-Bonds-Kontingents begeben werden. Ach so, Bankbilanzen sind mir sowieso sch…egal. Wenn eine Bank pleitegeht, wird sie eben verstaatlicht. Wozu die künstliche Aufregung?
    Die Staatsanleihenkäufe der EZB waren bisher wirkungslos. Gleichzeitig hat sich die EZB damit zur Geisel von Griechenland und Italien gemacht. Nicht umsonst hat ja die EZB am heftigsten gegen einen Schuldenschnitt gekämpft. Die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der EZB sind bereits dahin.

  12. Wirtschaftswurm sagt

    Ich möchte das auch noch mal klarstellen: Ich bin kein glühender Verfechter der Bruegel-Bonds. Ich sehe das allerdings wie Lostgen. Angesichts der zur Zeit diskutierten Alternativen sind sie das kleinere Übel. Dies umso mehr, nachdem jetzt die Diskussion aufgekommen ist, dem EFSF/ ESM die Geldschöpfung zu erlauben.

  13. Giorgos Papandreou sagte, sein Land stehe zu seinen Zusagen. Er könne garantieren, dass Griechenland „all seinen Verpflichtungen“ nachkommen werde, sagte Papandreou heute in Berlin. Na klar, wers glaubt wird seelig. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man einem Land, welches sich in den Euro gemogelt hat, überhaupt glauben kann. Die Zeche zahlen wieder wir.

  14. Wirtschaftswurm sagt

    Über die Motive der Poltiker kann man nur spekulieren. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es nur noch darum geht, den schwarzen Peter für das Scheitern des Euros jemand anderen zu geben. Merkel hofft vielleicht, dass die Griechen aufgeben und sie dann sagen kann: „Wir haben ja alles getan, aber Griechenland war undankbar.“ Papandreou hofft vielleicht, dass die Deutschen zuerst die Geduld verlieren. Wenn’s aber wirklich nur darum geht, dann ist das ein sehr teures Schwarzer-Peter-Spiel.

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