Wirtschaftswurm-Blog

Wenn wir unter einem neoliberalen Regime leben, ist es zumindest nicht neoliberal

Demonstration Occupy Wall Street 2011

Linke „Aufklärer“ beklagen gerne die „Ausbeutung“ und verurteilen dafür ein „neoliberales Regime“. Hinter diesen Begriffen steckt allerdings meist wenig Substanz. – Teil 2

Ausbeutung und Neoliberalismus sind politische Kampfbegriffe. Der erste war es schon immer, der zweite wurde es im Laufe der letzten Jahrzehnte. Darum mag ich diese Begriffe in einer um Sachlichkeit bemühten Debatte nicht. Darum habe ich in meinem letzten Artikel zunächst dargelegt, dass der Begriff Ausbeutung keine reale Grundlage hat (sieht man vielleicht einmal von Zwangsarbeit ab).

Nun bestreite ich allerdings keineswegs, dass es wirtschaftliche Macht gibt. Eine ganz gute Übersicht über Formen der wirtschaftlichen Macht gibt übrigens Norbert Härings Buch „Markt und Macht“ aus dem Jahr 2010.

Wirtschaftliche Macht ist aber nicht einseitig verteilt. Auch Arbeitnehmer können wirtschaftliche Macht besitzen, insbesondere, wenn sie sich in Gewerkschaften zusammentun. Das sieht man ja ganz aktuell wieder an den sehr gut verdienenden Piloten bei der Lufthansa. Wirtschaftliche Macht tritt dann auf, wenn eine Marktseite weniger alternative Optionen hat als die andere. So hat z.B. die Lufthansa bei einem Pilotenstreik keine Alternativen und muss ihren Betrieb einstellen.

Die Folge wirtschaftlicher Macht sind verzerrte Löhne und Preise, wir dürfen auch sagen, ungerechte Löhne und Preise. Die Antwort darauf muss allerdings keineswegs die Revolution sein. Man kann auch versuchen, durch günstige Rahmenbedingungen die Zahl der Alternativen für alle Marktteilnehmer zu erhöhen.

Und damit bin ich dann schon direkt beim Neoliberalismus, dem zweiten Kampfbegriff. Den ersten, die sich Neoliberale nannten wie z.B. Walter Eucken, einer der Vordenker der sozialen Marktwirtschaft, ging es gerade darum, die Vielfalt der Alternativen auf den Märkten zu sichern und zu fördern. Ihr Ideal war die vollkommene Konkurrenz, also ein Markt mit sehr vielen kleinen Anbietern und Nachfragern. Bei vollkommener Konkurrenz hat keine Seite eine Preissetzungsmacht.

Die frühen Neoliberalen waren sich sehr wohl bewusst, dass vollkommene Konkurrenz keineswegs von selbst entsteht. Darum wandten sie sich sehr strikt gegen Monopole und Kartelle und forderten vom Staat eine strenge Wettbewerbskontrolle.

Gibt es viele kleine Anbieter, fallen allerdings keine Skalenerträge an. Das sind Einspareffekte in der Produktion allein durch die Menge. Noch wichtiger: Erfindungen und technischer Fortschritt führen fast zwangsläufig zu einem Monopol des technisch Überlegenen, siehe Google. Die Neoliberalen in der alten Tradition arbeiten darum an Konzepten, wie man das Ideal von Märkten ohne Marktmacht mit den Anforderungen einer innovativen Gesellschaft in Einklang bringen kann.

Heute nennt man diese Neoliberalen besser Ordoliberale, denn Linke wie Noam Chomsky haben den Begriff umdefiniert und zu einem Kampfbegriff gemacht. Kommentator AlienObserver hatte mich auf Chomskys Definition von Neoliberalismus aufmerksam gemacht:

Neoliberalismus … bezieht sich auf Politiken und Prozesse, bei denen einer verhältnismäßig kleinen Zahl privater Interessen erlaubt ist, so viel wie möglich des gesellschaftlichen Lebens zu kontrollieren, um ihren persönlichen Profit zu maximieren.

Mal abgesehen von den sprachlichen Unschärfen (jeder von uns kontrolliert „so viel wie möglich“ das gesellschaftliche Leben, bei den meisten von uns ist diese Möglichkeit dummerweise jedoch nur knapp über null): Leben wir in einem „neoliberalen Regime“ nach Chomskys Definition? Ja oder Nein?

Ich weiß es nicht (und es ist auch keine volkswirtschaftliche Frage). Es gibt Anzeichen für ein „neoliberales Regime“, allen voran die Bankenrettungen mit Milliardensummen nach der Krise 2008. Maßnahmen wie die Rente mit 63 kann man allerdings kaum durch ein „neoliberales Regime“ erklären.

Foto (von David Shankbone): Occupy Wall Street, 30. September 2011 (Ausschnitt)


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/www/wp-includes/class-wp-comment-query.php on line 405

55 Kommentare

  1. Pingback: [Wirtschaftswurm] Wenn wir unter einem neoliberalen Regime leben, ist es zumindest nicht neoliberal | netzlesen.de

  2. Man sollte doch einfach die Definition von „neoliberal“ verwenden, die auch diejenigen verwenden, die sich selbst als Neoliberale bezeichnen. Und das ist nun mal das, was Du oben unter „ordoliberal“ gefaßt hast. Was Chomsky oder andere Theorie-Spaßvögel später für sich daraus gemacht haben, kann ja – außerhalb soziologischer Seminare – nun wirklich nicht relevant sein.

    Wirklich alle Neoliberalen, die ich kenne, beklagen, daß neoliberales Denken heute praktisch nirgendwo Einfluß hat. Das kontrastiert natürlich ein wenig mit der populären Behauptung linker Kreise, die Neoliberalen seien verantwortlich für jedes zweite Problem auf der Welt. Wobei diese Dinge dann de facto meist am crony capitalism in vielen Ländern liegen, siehe etwa die Bankenrettung.

  3. Schöne Zusammenfassung. Danke.

    Jetzt bin ich gespannt, wer mir die Augen öffnen kann und ob von den diversen Kommentatoren der letzten Beiträge, die wegen der unterträglichen neoliberalen Regime auf die Revolution hoffen/setzen, ob von diesen endlich mal etwas konkrete Aussagen gemacht werden, z.B.

    – welche Indizien für ein neoliberales Regime in Deutschland sprechen,
    – wie groß/klein (prozentual) denn der (?im Hintergrund) herrschende Personenkreis sein soll,
    – welcher Personenkreis das konkret sein soll,
    – auf welche Weise der Einfluss dieser Personen zur Maximierung Ihres persönlichen Reichtums führen könnte

    Ich selbst bin nicht der Auffassung, dass wir ein neoliberales Regime haben. Allein eine Staatsquote von rund 50% spricht m.E. dagegen, zumal diese zu einem Grossteil als soziale Umverteilung daherkommt.

    Die von Arne genannte Bankenrettung sehe ich nicht als Indiz für neoliberale Regime an sondern als Resultat (?berechtiger) Befürchtung der Politik/EZB vor einem Wirtschaftskollaps mangels Kreditbereitstellung an die Realwirtschaft und der Banken untereinander bzw. Vernichtung von Spareinlagen z.B. der Lebensversicherungen via Dominoeffekt reihum pleite gehender Banken.

  4. @uwe,
    gute Fragen. Ein bisschen mehr empirische Daten zum „neoliberalen“ Regime hätte ich nämlich auch gerne. Die Bankenrettung hätte man allerdings erheblich billiger haben können. Vielleicht ist also nicht die Tatsache, dass Banken gerettet wurden, Anzeichen für ein „neoliberales“ Regime, sondern die Tatsache, wie Banken gerettet wurden. Dazu gibt es auch eine alte Artikelserie hier im Blog, die mit Muss Bankenrettung immer teuer sein beginnt.

  5. @Arne

    Ja, sogesehen ist die Art der Bankenrettung doch ein Hinweis.

    Den Blogbeitrag kannte ich noch nicht, da ich Deinen Blog viel später entdeckt habe. Allerdings habe ich mich schon öfter gewundert, warum die Europäer die Bankenrettung nicht analog AIG durchgezogen haben. Sollte das wiederum bedeuten, dass das Mutterland des Kapitalismus und die Brutstätte der Milliardäre NICHT neoliberal (im Chomsky Sinne) ist? Dafür aber das alter Europa mit viel höherer Staatsquote und Nachtwächterstaaten? Na so was!!?

  6. Häschen sagt

    Ist nicht ein Element des Neoliberalismus der Weg über Investition Produkte zu verbilligen, sodass bei gleichbleibender Kaufkraft mehr materieller Wohlstand rauskommt. Grob hat das wohl funktioniert, wenn man sehr lange Zeiträume betrachtet.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Neoliberalism

    Ich sehe die bösen Unternehmer und Konzerne nicht. Eigentlich ist nichts anders passiert als dass die Finanzierung von riesen Konzernen auch durch Börsengänge ihnen Zugriff auf bis dahin ungeschöpftes Potential gab. Es gab mal eine Phase, angeblich, in der oft mehr als 3 Banken notwendig waren eine Weiterentwicklung schon großer Unternehmen zu finanzieren und das hielt nicht.

    Man kann anmerken, dass die letzen 100 Jahre der Sozialismus mit staatl. Umverteilung, die an sich zu Konkurrenz statt Kooperation führte und an die Haltung der Menschen in Konkurrenz zueinander unter dem Deckmantel von Demokratie und sog. staatl. Ordnung. Wird der Schäferhund zum Wolf, haben alle den Scherben auf. Fletscht die Zähne!

    Der Konsument oder der Mensch hat es an sich in der Hand. Irgendwo muss selbst brutalste Inflation über den Wirtschaftskreislauf drüber bevor sie abgeschöpft wird. Eines muss einem schon klar sein, wer Massenprodukte mit solchen Vertriebsaufwand muss an den Kunden bringen – der deckt keine Bedarfe. So ein Break Even Point … kann zur Hürde werden.

    Aber in Wahrheit kommt mir vor ist es schlicht der gute alte Merkantilismus im demokratischen Gewand der eher für die Ungerechtigkeiten sorgt, egal welche Symptome man beschreibt. Die Deutschen zahlen am Ende stellt man eine Gegenrechnung an die gesamte Kriegsmaschinerie der U.S. Das ist teuer. Österreich vermutlich jene von den Russen, deswegen können die sich auch nur ein Zehntel leisten:) Die Proportion stimmte auch wenn das jetzt nicht ganz ernst gemeint war.

  7. Ich muss ja jetzt quasi wa schreiben, aber über was eigentlich?
    Über Begriffe? Über die Wirtschaftspolitik der letzten Jahrzehnte? Über einige (längst wissenschaftlich obsolete) Figuren der Wirtschaftswissenschaft wie Hayek oder Eucken? Über Macht? Über Reichtum? Über Kapitalismus?
    Wo siehst Du eigentlich das Problem?

    Erstmal zur Gegenmacht. Die Gegenmacht ist da, aber wieviel Macht hat sie im Gegensatz zu den Superreichen und den Casinobanken? Ohne einen öffentlichen Diskurs, der auch mit Schlagworten wie Neoliberalismus geführt wird, kann sich dies Gegenmacht auch nicht äussern. Irgendwie muss man das Kind nunmal nennen.

    Warum haben Thatcher und Kohl sich auf die neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler berufen als sie die Tore für die skrupellosen Spekulanten öffneten die sofort sich auf die Bevölkerung stürzten wie ein Rudel Wölfe auf eine Herde Schafe. Wie nennt man die Wirtschaftspolitik oder Wirtschaftliche Ausrichtung von Larry Summers, Hank Poulson, Glenn Hubbard, Timothy Geithner, Alan Greenspan, Lloyd C. Blankfein, Josef Ackermann und all den anderen, die sich doch heute auf die gleichen neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler berufen?

    Wie steht es um die Macht der Reichen? Gibt es ein absolutes Regime? Ist Goldmann Sachs allmächtig? Ist Blankfein unser Diktator? Ziemlich sicher nicht, aber das will der auch gar nicht sein. Es geht allein um die Gier und nicht um die Macht. Politische Macht erfordert Verantwortung, Rechenschaft und Legitimation. Es Zeichnet die Macht des Geldes aber aus ohne Rechenschaft, Verantwortung oder Legitimation zu funktionieren.

    Wie stark war Goldmnan Sachs nicht nur bei Mappus unsauberen Geschäften sondern auch in allen Phasen der „Pleite“ Griechenlands beteiligt? Ihre Berater haben die Bücher gefälscht und die Gelder für Europameisterschaft und Olympiade auf sehr Fragwürdige Weise herbeigeschafft. Und dann als alles Aufflog haben ihre Berater in der Krise noch viel mehr Geld verdient und waren plötzlich an Regierungspositionen überall.

    Als die Sub Prime Krise kam, war zufällig der Goldman Sachs Ex Chef Poulsen am Ruder in den USA und liess den größten Konkurrenten seiner Ex Firma Pleite gehen, in wessen Namen hat er das Getan? Im Namen des Volkes? Warum wurde dagegen AIG Gerettet die bei Goldman Sachs milliarden ausstehen hatten?

    Warum wechselte Roland Koch plötzlich in den Vorstand von Bifinger und Berger und der UBS. Warum verschenkte die Regierung Merkel die IKB Bank an die Geier von Lonestar? Wer sind die Namen der Spender von Helmut Kohl? Warum wurde in der Leuna Affäre nie ermittelt? Warum wurde das Eigentum der Bürger der ehemaligen DDR ohne wirkliche demokratische Aufsicht zu Schleuderpreisen an zwielichtige Investoren verscherbelt?

    Wo war die politische Meinungsbildung zu „Publik Private Partnership“ und „Offshore Leasing“? Wieso wurde welche Bank mit wessen Geld gerettet? Warum wurden Alternativen dazu nie erörtert? Warum nicht mit dem Geld der Milliardäre und Multimilliardäre deren Geld auf diesen Banken lag? In wessen Interesse waren diese Geschäfte? Das war alles wurde Begründet durch den freien Markt! Wie steht es in all diesen Beispielen mit Verantwortung, Rechenschaft, Legitimation?

    Waren Gewerkschaften und Bürger nur zu Faul und konnten das deshalb nicht verhindern oder hat man denn den Superreichen das Geld von Seiten der Politik aufgedrängt und die konnten sich nicht wehren? Das war sicher nur Zufall dass sich seit den 90ern das Vermögen der Superreichen verfielfacht hat, „das haben die sich verdient“.

    Autoren wie Chomsky oder Naomi Klein zeigen die Geschichte einer Wirtschaftspolitik auf, die zuerst im faschistischen Chile ausprobiert wurde (nachdem man den Sozialisten Allende beseitigt hatte) und die dann von der Weltbank protegiert, in der gesamten Welt umgesetzt wurde wann immer sich die Gelegenheit ergab.

    In hunderten von Einzelfällen wird von ihnen Dokumentiert wie die Welt geplündert wurde seit Friedman und Hayek aufs Parkett traten. Diese systematische Plünderung nennen sie Neoliberalismus und benutzen dafür einen Begriff der damals von der NY-Times geprägt wurde (soweit ich weiss).

    Wann immer die Weltbank in einem Land tätig wurde, wurde die Austeritätspolitik die wir jetzt in Griechenland sehen gegen die Proteste der Bevölkerung durchgeführt. In Griechenland (einem Land mit 5 Mio Einwohnern) waren zeitweise 500 TSD bis 1 Mio Menschen im Protest auf der Strasse, konnten aber diese Politik nicht abwenden. Wie sieht es also aus mit der Macht der anderen „Marktteilnehmer“ im Gegensatz zur Macht des Kapitals? Wer treibt die Troika, wer steht ihr vor?

    Zu guter letzt: Meiner Meinung nach geht es schon längst nicht mehr darum unter welchem Namen an dem System geflickt wird. Diese Diskussion ist inzwischen Müßig. Diese Diskussion hier geht über Flicken auf dem Gewand des Kaisers, aber der ist Nackt und alle wissen es. Die Macht tritt deshalb heute anders auf. Heute wird nicht mehr vom Wohlstand für alle gesprochen, sondern davon, dass „wir“ (und wir sind nicht die Reichen) den Gürtel enger schnallen müssen.

    Wir, das gemeine Volk, die Minderleister, Sozialschmarotzer, Wutbürger, das Präkariat etc. sind es die „über unsere Verhältnisse gelebt haben. Proteste gegen die politischen Maßnahmen werden mit brutaler Härte zusammengeschlagen.

    Denn die Versprechungen die der Kapitalismus macht zünden nicht mehr. Die Innovation, das Wachstum, Wohlstand für alle, tolle neue schöne Sachen, immer größere Autos, usw. Das alles wird überdeckt von den Problemen die die Auswüchse des Kapitalismus geschaffen haben.

    Klimawandel, das Ende des Wachstums, die Ressourcenkrise, die Plünderung der Weltmeere, den Hunger und die immer offensichtlichere Korruption ganz Oben, haben die Strahlkraft des Kapitalismus zerstört. Auch hier versuchen die listigen Schneider wieder ihre Spiele und versuchen uns eine heile Welt einzureden in der derKlimawandel eine Lüge ist und Peak Oil nie kommen wird und Finanzcasinos nicht kriminell sind. Vergeblich.

    „Der Markt“ wird diese Probleme nicht überwinden, denn sie sind Systemisch und nicht „Flickbar“. Es hat lange funktioniert jeden für Dumm zu erklären der das Gewand nicht sehen kann („Its the economy stupid“) aber das ist vorbei.

  8. Weil offenbar noch nie einer von euch sowas erlebt hat, hier eine kleine Kostprobe was diejenigen gegen die Auswüchse des Kapitalismus aufstehen zu befürchten haben, die Räumung der Plaza Cataluña und der friedlichen Protestierdenden der Demokratiebewegung in Spanien:

    https://www.youtube.com/watch?v=CjmyNsKJQkU

    Warum geht man mit Menschen die in Europa Demokratie und soziale Gerechtigkeit fordern so um und in wessen Namen wird dies getan? Was haben die Proteste eurer Meinung nach politisch Bewirkt? Welche Mittel der demokratischen Meinungsäusserung ist angesichts dieser Bilder noch geeignet die Macht des Kapitals einzuschränken? Wie soll eine spanische Jugend die keine Arbeit, keine Wohnung uns keine Zukunft hat weil sie Verspekuliert wurde reagieren. Welche andere Schlußfolgerung als das Versagen des Systems ist möglich?

    Hier ein Video aus Griechenland: https://www.youtube.com/watch?v=4RAJoTx1v9o

  9. @alienobserver

    Viel Text und viele Fragen. Sorry, Du überforderst mich. Falls das jetzt in irgendeiner Weise ein paar Anworten auf meine Fragen bringen sollte – ich habe es nicht verstanden! Geht das auch einfacher – so ganz platt für Naturwissenschaftler mit Zahlen, Daten, Fakten? Über was schreibst Du da, um Deine eigene Frage aufzunehmen – ich habe keine Ahnung und hätte doch gerne eine.

  10. @uwe
    mein Beitrag richtete sich eher an Arne Kuster.
    Falls du dich ernsthaft mit den Deutschen Eliten in Zahlen auseinandersetzen willst gibts dazu wenig konkretes, denn die Eliten wollen nicht beforscht werden.
    Der Bekannteste Deutsche Elitenforscher ist Michael Hartmann.
    Von ihm sind einige Vorträge im Netz verfügba.
    Beispiel hier: https://www.youtube.com/watch?v=AAyYRyL_lfU

  11. @alienobserver
    Vielleicht kann ja Arne mehr mit Deinen Ausführungen anfangen als ich. Viel Erfolg.

    Sorry, ich bin frustriert und auch wütend. Ja, ich habe auch ein ungutes Gefühl z.B. bezüglich Vermögensakkumulation und relativer Zunahme der Reich/Arm Schere. Nur fehlen mir bisher jeglicher konkret Beleg oder wenigstens starkes Indiz irgendeiner Nachträglichkeit dieser Entwicklung, von Lösungsansätzen zur Behebung mal ganz abgesehen („kommt die Revolution“ ist kein Lösungsansatz bzw. einer auf dem Niveau „Tag der Auferstehung, lasst uns beten“ ).

    Ganz im Gegenteil, dieses pöhse angeblich neoliberale System (im Sinne Chomsky) funktioniert zum Wohle sowohl der existentiell Armen als auch der westlichen Armen weltweit eigentlich recht gut. Nicht, dass es nicht noch besser ginge. Nur geht es den Armen heute messbar besser (wirtschaftlich, Kaufkraft) als noch vor 20 oder 50 oder noch mehr Jahren. Den Armen in den reichen Ländern fehlt es eher an Zufriedenheit / Anerkennung da kein Job, nur Almosen als an Geld.

    Ein Lösungsansatz für diesen Mangel an Zufriedenheit, das wäre die Aufgabe der Sozialwissenschaften – aber die drücken sich, sind offenbar völlig ratlos um nicht zu sagen ahnungslos. Revolutionstheoretisieren ist auch einfacher, als etwas real Brauchbares, Konstruktives auf die Beine zu stellen. Sehr traurig.

    Für den simpel gestrickten Naturwissenschaftler wie mich wären ein paar fassbare Daten, am liebsten in Tabellenform, ganz toll. Mit sowas bin ich wirklich leicht von einer Sache zu überzeugen. Vor allem, wenn es dann auch noch eine kausal argumentierende und durch diese Daten nachvollziehbare Interpretation gibt. Allerdings habe ich da nicht mehr viel Hoffnung.

    Sorry, Frust, das musste mal sein.

  12. „dieses pöhse angeblich neoliberale System (im Sinne Chomsky) funktioniert zum Wohle sowohl der existentiell Armen als auch der westlichen Armen weltweit eigentlich recht gut“

    Hast du dazu Fakten? Oder ist das nur ein Gefühl?
    Ich bin eigentlich nicht dein Faktensammler, aber gut.

    Die Initiative Umfairteilen hat hier eine Menge Fakten zusammengestellt.
    http://umfairteilen.de/start/info/

    1% der Deutschen besitzen 35 % des Vermögens in DE
    1% der US Amerikaner besitzen kanpp 40%
    das Vermögen des 1% hat sich zwischen 1980 und 2019 verdoppelt
    das der top 0,01 % verdreifacht, das der 0,001 % Vervierfacht

    Vermögen sind dabei zu klein berechnet da immer größer Menge im Schattenbankensystem geparkt werden. Dazu gibt es nur Schätzungen, sonst würde man das nicht machen.
    Das Welteweite Vermögen übersteigt das BIP ca um das 7 Fache (Ich habe auch schon das 10 Fache gehört) und ist in den Händen einiger weniger. Das hat einige sehr gravierende Konsequenzen.

    Den unteren 10 – 20 % geht es immer schlechter. Im genannten Zeitraum ist das Vermögen der Untersten 50 um 5 % in DE gesunken.

    In Europa, falss es dir nicht aufgefallen ist, gibt es gravierende Soziale Missstände die zu Unruhen, Rechtsextremismus und in einigen Teilen (GR) zum Zusammenfall des Staates führen.
    .
    In Deutschland hat sich im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 die Schere zwischen Arm und Reich (laut Michael Hartmann) schneller entwickelt als anderswo.
    Hartmann führt diese Entwicklung vor allem auf Änderungen in der Gesetzeslage zurück. (Druck auf Artbeitnehmer, (Hartz4) Steuererleichterungen für Reiche, Lockerungen in der Finanzbranche usw.)

    Armut in Griechenland, Portugal, Spanien, Italien, Bulgarien, Rumänien, und andere Länder Südosteuropas hat in Teilen extreme Ausmaße angenommen, während sich die Vermögen der Reichsten dort trotz Krise vermehrt haben. http://www.fr-online.de/arbeit—soziales/armutsrisiko-in-der-eu-wer-ist-arm–kommt-drauf-an,1473632,22229600.html

    Armutsschwelle in DE 15, 8% (Platz 13)
    Bulgarien 22,3 % (Platz 1)

    Die Frage die ich mir hier stelle ist, warum Wirtschaftswissenschaftler nicht den Nachweis bringen müssen, dass ihre Behauptung (uns geht es doch gut) stimmt. Meiner Ansicht nach geht es uns NICHT gut.

    Wissenschaft soll nicht in den Politikbetrieb eingreifen sondern Information bereitstellen. Es gibt ohne Ende Lösungsvorschläge von Sozialverbänden und anderen Gruppen. (Beispiel UmFairteilen).

    Ich sehe darin aber auch keine Lösung, denn mein Wichtigster Kritikpunkt ist das fehlende langfristige Denken. Wir denken gerade von 12 bis Mittag. Was in 20 Jahren ist, interessiert im Wirtschafts und Politikbetrieb niemanden. Naturwissenschaften werden wie die Sozialwissenschaften Ignoriert, wenn ihre Ergebnisse dem Profit im Wege stehen.

    Siehe Beispielhaft diese Veröffentlichung im Wissenschaftsjournal Nature (Über Peak Oil, es gäbe auch genug über Klima, Meere, etc.) https://www.washington.edu/research/.SITEPARTS/.documents/.or/Nature_Comment_01_26_2012.pdf

  13. @ uwe

    Mir geht es wie Dir. Vielleicht steckt in diesem Theoriegeschwurbel (meist) linker Theoretiker ja wirklich sogar irgendwo etwas Sinn, aber durch die vernebelnde Sprache und die i.d.R. fehlende Zahlenbasis ist die Beschäftigung damit eigentlich Zeitverschwendung.

    Es ist ja nicht nur hier so, sondern in vielen Kommentarbereichen. Da argumentieren Leute mit Schaum vor dem Mund, die gern überall Elend sähen und fast enttäuscht sind, daß die angeblich verarmten Massen nicht revoltieren. Konkretes Wissen über wirtschaftliche Zustände und Zusammenhänge ist hingegen oft Mangelware.

    Das hat manchmal fast etwas Religiöses, finde ich.

  14. „Konkretes Wissen über wirtschaftliche Zustände und Zusammenhänge ist hingegen oft Mangelware. “

    Hallo, ich kann das lesen!
    Weil meine Ansichten anders sind als deine, fehlt konkretes wissen`?

    Wir werden hier eine Diskussion über den Kapitalismus in einem Forum nicht führen können.
    Wir führen diese Diskussion seit Marx. Ich kann hier nur Verkürzte Darstellungen geben.

    Noch etwas, Meiner ansicht nach benühen sich Kritiker wie Chomsky weit mehr darum gut recherchierte Daten zu präsentieren als wenn die „Evangelisten“ des Kapitalismus von der INSM in die Talkschows geschickt werden. Auch das hat System und auch hier ist eine einseitige Prägung im öffentlichen Diskurs durch „die Wirtschaft“ (die interessen weniger reicher) zu sehen, wenn man seine Scheuklappen abnimmt.

    Statt dessen wird diese Haltung auch hier transportiert. Andere Sichtweisen wie die der herrschenden Elite müssen Argumentiert werden, die der Eliten nicht.

  15. @ AlienObserver

    Ich meinte und meine das ganz allgemein. Es gibt in Wirtschaftsblogs unglaublich viele Leute, die eine Meinung haben, sich aber nicht für Fakten interessieren. Das ist sehr frustrierend.

    Aber es hilft alles nichts, wenn man über Reichtum, Armut, Eurokrise, Energiewende usw. diskutieren möchte, muß man sich in die Statistiken einarbeiten. Wer darauf keine Lust hat, sollte sich vielleicht lieber erst mal keine Meinung gönnen.

  16. @alienobserver

    >Weil meine Ansichten anders sind als deine, fehlt konkretes wissen`?

    Ansichten / Meinungen / Theorien sollten auf konkretem Wissen basieren. Wissen ist nach meinem Verständnis mit Daten untermauert. Soweit diese Daten fehlen ist dieses vermeintliche Wissen schlicht und einfach Glaube. Nach diesen Daten habe ich wiederholt gefragt. Ausbeute soweit: für mich nichts Erkennbares.

    > Andere Sichtweisen wie die der herrschenden Elite müssen Argumentiert werden, die der Eliten nicht.

    Ich vermute mal, Du meinst mit „Sichtweisen der Eliten“ durchaus auch die hier von Arne und Tim vertretenen Sichtweisen. Zumindest ich habe mehrfach konkrete Zahlen, Daten zum Wohlstandsniveau und dessen Entwicklung herausgesucht und mitgeteilt. Diese Daten passen prima zu den Interpretationen von Arne oder Tim und nicht zu denen von aristo, stefan siewert oder Dir.
    Und was an Daten haben Die Kollegen aristo, stefan siewert und Du gebracht? Nichts. Meinung, Glauben, Ansichten. Aber keine Zahlen, Daten, Fakten. Bzw. wenn mal ein paar sehr wenige Daten dabei waren, dann waren sie falsch verstanden und haben die Argumentation keineswegs gestützt (z.B. Arbeitssklaven, die Rendite für Finanzderivate erarbeiten müssen). Wie Tim richtig sage: Sehr frustrierend.

  17. @uwe:
    Meines erachtens habe ich mit dem Vortrag von Dr. Schürz den Beitrag mit dem besten Fakten geliefert. Zahlen müssen auch interpretiert werden.

    Dass Du dich einerseite an den Derivaten aufhängst und andererseits die Realität des Verhätlnisses der Vermögen zum BIP nicht sehen willst und mich für die eine Sache Angreifst in der ich gleichzeitig offen eingestanden habe kein Experte zu sein ist unredlich.

    Ich kann aber wiederum auf einen Volkswirtschaftler verweisen, der die Vermögensentwicklung in der Krise im Detail behandelt. Stefan Eichner hat in seinem Blog einen 6 Teiligen Bericht zu diesem komplexen Thema verfasst.
    http://stefanleichnersblog.blogspot.de/2014/01/vermogensentwicklung-in-der-krise-teil.html
    Wir Diskutieren in einem Forum. Jede nicht aus dem Kontext gegriffene Zahlenbasis spreng eigentich die Möglichkeiten eines Forums. Es ist unredlich in einem Forum dies einseitig von einem Diskutanten zu verlangen.
    Ich habe oft auf vielerlei Informationsquellen hingewiesen und diese verlinkt.

  18. @Tim.
    Aber es hilft alles nichts, wenn man über Reichtum, Armut, Eurokrise, Energiewende usw. diskutieren möchte, muß man sich in die Statistiken einarbeiten. Wer darauf keine Lust hat, sollte sich vielleicht lieber erst mal keine Meinung gönnen.

    Wieder halte ich diesen Diskussionsbeitrag für Einseitig uns Unredlich. Ich habe wie gesagt ständig Quellen genannt. Daher kann ich das Argument nicht verstehen und möchte dich bitten dich doch dann wenigstens mit den Quellen auseinanderzusetzen die ich genannt habe.

  19. Ich verabschiede mich mit einem Versuch das ganze Aufzulockern:

    Ich empfehle dazu diese Sendung John Oliver (Daily Show= Heute Show Amerikas) zu „Wealth Gap“ in the USA

  20. @alienobserver

    – unredlich
    Ist es unredlich, den Gesprächspartner auf massive Irrtümer in seiner Argumentation aufmerksam zu machen? Gerade der selbsterklärte Nicht-Fachmann sollte seine Argumentation anschliessend überdenken.
    Oder ist es unredlich, wenn man den Gesprächspartner, der auf seinen Thesen verharrt ohne anstelle der als fehlerhaft entlarvten Argumente neue Argumente zu liefern, wenn man diesen Gesprächspartner an seinen Irrtum erinnert?

    – beste Fakten
    „Meines erachtens habe ich mit dem Vortrag von Dr. Schürz den Beitrag mit dem besten Fakten geliefert.“
    Das ist ja das Traurige. Das sind die besten Fakten, die Du geliefert hast. Welche Fakten waren das und was geben Sie uns neues bezüglich Revolution/Ausbeutung/neoliberale Systeme etc.? Der Mann stellt die Ungleichheit der Vermögen dar. Sonst nichts. Das war weder bezweifelt noch in Frage gestellt. Interesssant wird es doch erst bei den Konsequenzen und Lösungsansätzen. Und da kommt leider gar nichts. Weder von Herrn Schürz in seinem Vortrag noch von Dir.

  21. Meines Erachtens geht es vor allem um „Nutzen“. Sie haben z.B. keine Macht, wenn Sie der einzige Anbieter von etwas sind, das aber keiner haben will.

  22. @mister-ede
    >>Meines Erachtens geht es vor allem um “Nutzen”.

    Nutzen von was? Ich dachte, in dieser Reihe (ab Han) geht es um die Konsequenzen der Reich/Arm Schere und damit verbunden die Themen Ausbeutung und „neoliberale Regime“.

  23. @Arne

    evt ein Thema für einen Blogbeitrag:
    Wie kann man zu einem Abbau der Vermögensungleichheit kommen?

    Dazu habe ich bisher keine praktikable Idee gesehen.

    Stichworte
    – Vermögensteuer (ich behaupte, darüber lacht das oberste Promille nur und sucht sich in schweren Fällen einen neuen Wohnsitz und ggf. eine neue Staatsbürgerschaft)
    – Erschaftssteuer (dito)
    – Einkommensteuer (trifft kaum das vorhandene Vermögen; zusätzlich gilt dasselbe wie oben)
    Alle drei treffen sicherlich die obere 2-3 Dezile der Vermögensverteilung, nur treffen sie diese umso weniger, je höher das Vermögen ist, da dann vermehrt Ausweichmöglichkeiten bestehen.

    Gruss
    Uwe

  24. @ uwe, Arne

    Wie kann man zu einem Abbau der Vermögensungleichheit kommen?

    Ein spannendes Thema, über das ich auch gern einen Artikel lesen würde. Meiner Meinung hat gibt es keinen einheitlichen Grund für wachsende Einkommens- und damit langfristig Vermögensungleichheit.

    In Deutschland liegt es aber wohl ziemlich eindeutig an den privatwirtschaftlichen Investitionen, die seit langem viel zu niedrig sind. In den letzten 20 Jahren hat der Anteil der importierten Vorleistungen in der deutschen Industrie stark zugenommen, d.h. man kauft lieber Teile in z.B. Polen ein, statt sie hierzulande zu fertigen. Das führt dazu, daß viele Industriebereiche weniger Facharbeiter als früher benötigen, was real stagnierende Löhne erklärt. Das gilt aber natürlich nicht für hochspezialisierte Tätigkeiten z.B. von Ingenieuren.

    Zudem sind auch viele gesetzliche Regulierungen, lange Genehmigungsverfahren, mangelnde Qualifikation von Schul- und Uni-Absolventen, teilweise schlechte öffentliche Infrastruktur usw. eine ziemlich deutliche Aufforderung an Firmen, lieber anderswo zu investieren. Meiner Meinung nach muß Deutschland eine Investitionsquote wie in der Schweiz anstreben, d.h. 2-3 Prozentpunkte mehr als derzeit.

    Deutschland steht trotz der viel besseren Stimmung eigentlich gar nicht besser da als das desaströse Frankreich. In beiden Ländern erodiert die wirtschaftliche Basis. In Frankreich hat das wegen der bizarren Arbeitsmarktgesetze zu hoher Arbeitslosigkeit geführt, in Deutschland zu stagnierenden Einkommen der Mittelschicht.

    Fazit: Man kann IMHO schon was gegen Vermögensungleichheit tun, aber Reformen wären auch aus anderen Gründen dringend nötig.

  25. @Uwe
    Ich beziehe mich auf den Text und die Ausführungen zum Thema Macht-Ungleichgewichte. Die Grundlage für das Machtungleichgewicht z.B. zwischen Stromproduzenten und Verbrauchern hängt nicht mit der Menge der Anbieter zusammen, sondern damit, dass man auf Strom nicht verzichten kann. Die wenigen Anbietern, verschärfen aber die Machtungleichgewichte.

  26. @mister-ede

    Ich verstehe nicht, was Du sagen willst. Den verlinkten Text habe ich gelesen, siehe Kommentar dort.
    Dass Monopole auch wirtschaftliche Macht ausüben (können) sehe ich auch so. Aber was hat das mit dem Thema hier zu tun und was meinst Du mit Nutzen (von was? für wen?)

  27. @Tim

    Investition in Deutschland. Auch ein interessantes Thema. Hhatten wir das hier nicht schon mal?

    Aus meiner Sicht ist das Problem, dass die Inlandsnachfrage schlicht fehlt, die die Installation in ein Mehr an Produktionskapazität sinnvoll scheinen liesse. Die Nachfrage fehlt sicherlich auch wegen mangelnder Kaufkraft der ärmen Kreise und dieses Mehr an Kaufkraft bekommen wir aufgrund der globalen Konkurrenzsituation nicht hin (wenn zu teuer, dann wird importiert und die zu teuren Arbeitskräfte sind arbeitslos/unterschäftigt). Mindestlohn geht ja durchaus in diese Richtung.

    Das dickste Problem ist m.E., dass uns die Arbeit ausgeht. Immer mehr Leute sollen beschäftigt werden. Immer weniger Leute werden zur Produktion benötigt. Was machen wir mit den nicht Beschäftigten? Wie geben wir Ihrem Leben einen Sinn. Wie finanzieren wir das Ganze? Steuern nur auf die wenigen Arbeitenden scheint mir keine tragfähige Lösung. Steuern auf die Investitionen auch nicht. Steuern aufs Vermögen ebensowenig, siehe oben. Da fehlen mir Ideen.

  28. @ uwe

    Naja, die deutsche Konsumquote ist ja keinesfalls schlecht, sie liegt im europäischen Mittel. Das Argument mit der angeblich so niedrigen Binnennachfrage hat mich noch nie überzeugt. Zudem importiert Deutschland sehr viel pro Kopf der Bevölkerung, auch sehr viel aus Euro-Staaten. Es geht auch keinesfalls die Arbeit aus, siehe: http://www.vgrdl.de/Arbeitskreis_VGR/tbls/tab.asp?tbl=tab17

    Nehmen wir aber mal an, man könnte die deutsche Binnennachfrage steigern – welche Waren für die Leute dann zusätzlich kaufen? Wären das Dinge des täglichen Bedarfs oder eher Luxusgüter? Und wären es Dinge, die eher deutsche oder ausländische Hersteller liefern? Alles spannende Fragen, aber vom Gefühl her würde ich sagen, daß das nicht sehr viele zusätzliche Hochlohn-Arbeitsplätze schafft. Wäre mal interessant, das zu recherchieren, aber sehr aufwendig.

    Nein, ich bleibe dabei: Das Haupt“problem“ ist die extrem erfolgreiche Internationalisierungsstrategie der Industrie. Deutsche Unternehmen hecheln von einem Rekord zum nächsten, aber der heimische Standort wird stark vernachlässigt. Das trifft vor allem Facharbeiter und bürgerlichen Mittelstand.

  29. @Tim
    Ich verstehe wohl nicht recht, was Du mit „heimischem Standort wird stark vernachlässigt“ meinst.
    Investiert wird dann, wenn es Rendite gibt, die gibt es dann, wenn Bedarf für das Produkt besteht. Der Export ist schon sehr hoch, der Überschuss auch. Bleibt m.E. eher Konsum.

    Wg. uns geht die Arbeit aus:

    Die Zahl der Erwerbstätigen ist heute
    2013 mit 41,8 Mio höher als
    1991 mit 38,7 Mio (http://www.vgrdl.de/Arbeitskreis_VGR/tbls/tab.asp?tbl=tab16).

    Schön soweit. Das erkaufen wir aber mit niedriger Stundenzahl pro Arbeitnehmer. Denn die jährlichen Arbeitsstunden (Arbeitnehmer und Selbständige) in Mill sind seit Anfang der 90er erst mal um ca. 10% runtergegangen und per heute noch nicht ganz wieder auf dem damaligen Stand
    1991 ca. 60000 Mio Stunden,
    2003 ca. 55000 Mio Stunden,
    2013 ca. 58000 Mio.
    (Zahlen IAB, 1991ff habe ich vor einiger Zeit mal rausgesucht, Link müsste ich erst wieder googeln).

    8% mehr Erwerbstätige leisten rund 3,5% weniger Stunden, macht eine durchschnittliche Stundenverminderung von 1,08*1,035 = 1,12 knapp 12%. Dazu Arbeitslosenrate derzeit bei knapp 3 Mio, Unterbeschäftigte ebenfalls rund 3 Mio (hatte ich die letzten Tage mal gegoogelt, auf den Seiten der Bundesanstallt für Arbeit). Somit wäre da rund 20% ungedeckter Arbeitsbedarf, nur aus den gemeldeten Zahlen.

    Verständlich auch, dass die Nettogehälter von 2000-2010 kaum gestiegen sind, wenn gleichzeitig die Stundenleistung reduziert wurde. Netto nach Steuern ist pro geleistete Stunde dann doch ganz gut was hängengeblieben, nur gibt das nicht mehr Konsum, weil der absolute Betrag nach Infla ziemlich unverändert war. Der steigt erst wieder seit ca. 2010.

    Vermutlich müsste ich sagen, uns geht die geringer qualifizierte Arbeit aus, weniger die hochqualifiziert. Und das scheint mir auch keineswegs verwunderlich sondern völlig klar aufgrund der Globalisierung. Und weil ich unter den internationalen Rahmenbedingungen (globalen Handel finde ich gut, ist aber auch globale Konkurrenz um Arbeitsplätze) keine Umkehr sondern eine Verschärfung des Arbeitsmangels insbesondere bei den weniger Qualifizierten sehe, deshalb …. siehe letzter Beitrag.

    Übrigens sehe ich genau bei der Globalisierung auch einen Grund (Automatisierung wäre noch einer) für das Aufgehen der arm/reich Schere was Einkommen angeht (weniger bei Vermögen). Inbesondere die weniger qualifizierten trifft die Konkurrenz um die Arbeit durch die Globalisierung. D.h. insbesondere deren Arbeit wird niedriger bezahlt bzw. die Bezahlung kann nicht steigen, sonst fällt die Arbeit weg.

  30. PS
    weil der absolute Betrag nach Infla ziemlich unverändert war. Der steigt erst wieder seit ca. 2010.
    muss heissen
    weil der absolute Betrag nach Infla pro Beschäftigtem (nicht pro Stunde) ziemlich unverändert war. Der steigt erst wieder seit ca. 2010.

  31. @ uwe

    Naja, immer mehr Frauen arbeiten, bei Frauen liegt der Anteil der Teilzeittätigen höher, inzwischen gibt es sogar einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeit – ist doch klar, daß insgesamt dann die Arbeitsleistung pro Arbeitnehmer zurückgeht. Das würde ich mal als gesellschaftlichen Fortschritt und nicht als Problem betrachten. Insgesamt geht uns in den letzten 15 Jahren keinesfalls die Arbeit aus. Der negative Trend aus den Jahrzehnten vorher ist eindeutig gebrochen.

    Natürlich stimme ich Dir zu, daß gering qualifizierte Tätigkeiten besonders betroffen sind von Automatisierung und Globalisierung. Insbesondere deutsche Unternehmen haben extrem profitiert von der Nähe zu Polen, Tschechien & Slowakei. Dort bauen sie Produktionen auf, die sie eben in Deutschland nicht mehr aufbauen. Das meinte ich mit „Der heimische Standort leidet“.

    Ein Teil der Lösung ist also, die gering Qualifizierten höher zu qualifizieren. Firmen haben schon heute enorme Schwierigkeiten, gute Leute in technischen Bereichen zu finden.

  32. @Tim

    Der Trend abmehmnder Stunden pro Jahr bezogen auf alle Erwerbstätigen ist seit ca. 2005 in Deutschland gebrochen (und das zu Lasten unserer Handelspartner). Pro Nase reicht die Entwicklung aber gerade mal, die Kaufkraft zu halten und seit ca. 2010 ein bisschen zu stärken.

    Qualifizieren. Ja sicher. Auch das müssen wir versuchen. Ein zusätzlicher Teil ist sicherlich qualifizierbar. Ich fürchte, nur dass das ein recht kleiner Teil ist. Und was ist mit denen, die wir nicht ausreichend qualifizieren können? Bei IQ 80 geht nicht wirklich was. Und bei 90 auch nicht viel. Da machst Du keinen Ingenieur draus Das dürften locker 25% der Bevölkerung sein. Gesucht wird größer 110, besser 120 etwa ab Abitur und möglichst MINT. D.h. mehr als die Hälfte hat oder bekommt ein Problem und damit wir alle als Gesellschaft.

    Ich kann mir zwar vorstellen, dass das intelligentere Viertel der potentiell Erwerbstätigen (evt. sogar weniger) mit entspechender Ausbildung und guter Infrastruktur und Unterstützung durch weitere 25% dann ausreichend Wirtschaftskraft entwickelt, der gesamten Bevölkerung das gewohnte Wohlstandsniveau zu sichern, aber …. die verbleibenden 50% werden m.E. ziemlich unzufrieden ohne Aufgabe, Ziel, Bestätigung, Erfolgserlebnis und haben viel zu viel Zeit für allerlei Unsinn. Da ist unser Problem. Genau da. Und das Problem zu lösen wäre eigentlich Aufgabe unserer datenphoben Freunden von den Sozialwissenschaften.

    Ups, wir sind ganz schön off topic. Aber das treibt mich wirklich um.

Kommentare sind geschlossen.