Ich war ja nicht vor Ort, als gestern im Bundestag über das zweite Griechenland-Hilfspaket debattiert wurde. Meine Zwischenrufe zu den Reden von Angela Merkel, Peer Steinbrück, Rainer Brüderle, Gregor Gysi und Renate Künast darum nun hier im Blog.
Angela Merkel: Seit dem Beginn dieser Krise vor zwei Jahren sind wir ein gewaltiges Stück vorangekommen.
Oh ja, die griechische Wirtschaft schrumpfte 2010 um 4,5 % und 2011 um 6,8 %. Die Arbeitslosigkeit stieg innerhalb von zwei Jahren von 13,9 % auf 18,9 %. Die Staatsschuldenquote stieg von 129,3 % 2009 auf 171,0 % Ende 2011.
Angela Merkel: Europa scheitert, wenn der Euro scheitert.
Frau Merkel, setzen Sie bitte nicht sich selbst und die anderen Staats- und Regierungsschefs mit ganz Europa gleich. Was für eine Hybris!
Angela Merkel: Solidität, Wachstum und Solidarität, sie sind auch die Grundlage des neuen Griechenland-Pakets …
Solidität: Das sogenannte Basisszenario der Troika für das Griechenland-Paket ist geschönt und unrealistisch. Wachstum: Es kommt nicht, indem man es nur beschwört. Solidarität: Beispielhaft sind die reichen Griechen in der Schweiz. Originalton: „Warum sollte ich mein Geld jemandem geben, den ich als nutzlos empfinde“.
Angela Merkel: Eine hundertprozentige Erfolgsgarantie kann niemand geben.
Ich würde mich ja vielleicht auch mit einer zwanzigprozentigen zufrieden geben, aber auch die bekomme ich nicht.
Angela Merkel: Dass der IWF weiterhin einen signifikanten Beitrag leistet und seine Erfahrung und Expertise einbringt, ist für die Bundesregierung unabdingbar.
An den neuen 130 Milliarden € für Griechenland beteiligt sich der IWF mit nur 10 % und auch das ist noch unklar.
Angela Merkel: Niemand kann abschätzen, welche Konsequenzen eine immer noch ungeordnete Insolvenz Griechenlands für uns alle und damit auch für die Menschen in Deutschland hätte.
Noch mehr kann niemand abschätzen, ob das 164 Milliarden schwere zweite Griechenland-Hilfspaket tatsächlich die „ungeordnete“ Insolvenz abwendet.
Angela Merkel: In Portugal konnte sich die Regierung Coelho mit den Sozialpartnern auf weitreichende Maßnahmen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine aktive Arbeitsmarktpolitik verständigen.
Und trotzdem ist jedem klar, der die Wirtschaftsdaten Portugals studiert, dass die Pleite auch dieses Landes kaum noch abzuwenden ist.
Angela Merkel: Wir müssen Schritt für Schritt eine politische Union schaffen.
Das Wort Zentralisierung beschreibt die Richtung, in die es geht, besser als Ihr Euphemismus „politische Union“.
Angela Merkel: Die europäische Staatsschuldenkrise zeigt, wie eng die Geschicke der Euro-Länder, aber auch der übrigen EU-Mitgliedstaaten inzwischen miteinander verflochten sind.
Nämlich erstaunlich gering. Die deutsche Wirtschaft boomt, während (ja gerade weil) die Südländer in die Depression abgerutscht sind.
Angela Merkel: [Mit dem ESM] werden wir schon im Sommer dieses Jahres über ein dauerhaft schlagkräftiges Instrument verfügen.
Wirtschaftswissenschaftler wie der Grieche Yanis Varoufakis zeigen allerdings auf, wie gerade der Euro-Rettungsschirm die Ansteckungsgefahren in Europa erst schafft.
Peer Steinbrück: Ökonomisch sind Sie es, Frau Bundeskanzlerin, die für die einseitige Fixierung auf das Defizit und die Spiralbewegungen nach unten in Griechenland verantwortlich ist.
Herr Steinbrück, Ihr Satz belegt nur, wie das heutige Europa zu einer Verwischung der Verantwortlichkeiten führt. Geteilte Verantwortung ist aber letztlich überhaupt keine Verantwortung. Kann man sich nicht wieder darauf einigen, dass für Missstände in Griechenland die griechischen Politiker verantwortlich sind, für Missstände in Deutschland die deutschen?
Rainer Brüderle: Die Grünen wollen, dass Deutschland keine Exportüberschüsse mehr macht. Meine Damen und Herren, das ist natürlich nichts anderes als Deindustrialisierungspolitik.
Schon mal überlegt, dass man Exportüberschüsse auch durch mehr Importe abbauen kann? Schon mal überlegt, was Exporte nützen sollen, für die man nur faule Schuldtitel einhandelt?
Gregor Gysi: Die Deutschen haften in einem Umfang von 100 Milliarden Euro.
Leider ist die deutsche Haftung für Griechenland noch größer. Herr Gysi, Sie haben die Target-2-Kredite an die griechische Notenbank vergessen! Das sind noch einmal 104,75 Milliarden €, für die Deutschland mit 27,1 % (das ist sein Anteil an der EZB) haftet. Macht 28 Milliarden zusätzliche Haftung.
Gregor Gysi: Das ist für Sie ein Wohlstandsstaat? Die Löhne müssen um 22 Prozent gekürzt werden.
Wer das beklagt, muss aber auch die Alternative nennen: Die Alternative zu Lohnkürzungen in Griechenland ist ein Austritt des Landes aus der Eurozone und eine Abwertung.
Gregor Gysi. Die Griechen brauchen aber Marshall.
Wie alle Oppositionsführer gestern, Herr Gysi, missbrauchen Sie den positiven Klang, den der Begriff Marshallplan in Deutschland hat. Tatsächlich ist aber ein Marschallplan für Griechenland völlig unpassend. Beim Marshallplan ging es um Wiederaufbau, man brauchte nur die alten Pläne noch einmal aus der Schublade zu ziehen. Für die damalige Zeit moderne gesellschaftliche Strukturen erleichterten dies wesentlich. In Griechenland ginge es allerdings um einen völligen Neuaufbau innerhalb ineffizienter gesellschaftlicher Strukturen. Das ist um mehrere Dimensionen schwieriger und langwieriger.
Renate Künast: Eine gute, prosperierende Entwicklung in Europa, eine gute Wirtschaft, gute Jobs und gute Einnahmen in Bund, Ländern und Kommunen sind nur bei einer funktionierenden Euro-Zone und einer neuen Wirtschaftsregierung in Europa möglich.
Das dokumentieren hervorragend Staaten wie Großbritannien, Norwegen, Schweden oder die Schweiz, deren Wachstum in den letzten zehn Jahren über dem von Eurozonenstaaten wie Deutschland, Frankreich oder Holland lag.
Pingback: Kleine Presseschau vom 29. Februar 2012 | Die Börsenblogger
Die Merkel hat wohl keine Ahnung über was sie spricht, sie muss sich halt auf Ihre vorbereiteten Texte verlassen..
Pingback: Blockiert Griechenland Wachstums- und Innovationshilfe?
Pingback: Neues Quartal – neue Zahlen | Wirtschaftswurm
Pingback: Sarrazin, Steinbrück und der Euro zu Gast bei Jauch | Wirtschaftswurm