Wirtschaftswurm-Blog

Target 2 als Rettung deutscher Sparergroschen?

Sebastian Dullien und Mark Schieritz haben tatsächlich noch einen neuen Aspekt der Targetsalden entdeckt. Beruhigen kann uns ihre Erkenntnis aber kaum.

Wenn’s nach mir gegangen wäre, man hätte die Debatte um die Targetsalden schon vor einem Jahr abschließen können. Nachdem ifo-Chef Hans-Werner Sinn, der Entdecker des Targetsaldenproblems der Bundesbank, seine Ausgangsposition etwas erweitert und korrigiert hatte, gab es keine wesentlichen neuen Erkenntnisse mehr. Es wäre nun Sache der Politik und der Bundesbank gewesen, aus der Debatte die Konsequenzen zu ziehen.

Gebäude der Bank von Griechenland

Ein Quell von Targetschulden: Das Gebäude der Bank von Griechenland

Stattdessen sind die Targetsalden der Bundesbank weiter exorbitant gestiegen, erreichen nun 700 Milliarden €. Und die Risiken eines Ausfalls dieser Forderungen sind mit dem drohenden Austritt Griechenlands aus der Eurozone ebenfalls gestiegen. Da vermag auch André Kühnlenz nicht zu trösten, wenn er meint, bei 1.100 Milliarden sei spätestens Schluss.

Immerhin gab es in letzter Zeit dann doch noch einen neuen Aspekt des Problems. Sebastian Dullien und Mark Schieritz weisen in einem Artikel für Vox darauf hin, dass durch die Targetsalden nicht nur das Leistungsbilanzdefizit der Süd-Euroländer alimentiert wird oder die Kapitalflucht ihrer Bürger hauptsächlich in den sicheren Hafen Deutschland finanziert wird.

Ein dritter Grund für den Anstieg der Salden sei der Abzug deutschen Geldvermögens aus der Eurozone, darauf weist Schieritz auch noch mal in seinem neuesten Blogbeitrag hin. Auch um diesen Abzug zu ermöglichen, mussten Griechen & Co. also neues Geld schöpfen und als Targetsaldo bei der Bundesbank anschreiben lassen. Schieritz feiert das als Rettung deutscher Sparergroschen durch das Targetsystem wie weiland 1940 die Engländer den Abtransport ihres eingekesselten Expedititonskorps bei Dünkirchen.

Zwei Einwände: Zunächst sind die Dimensionen wahrscheinlich nicht so groß, wie Dullien und Schieritz vermuten. Die beiden stellen den 390 Milliarden € Targetsaldo (das war Stand Januar 2012) die 320 Milliarden € gegenüber, die die Forderungen der deutschen Banken an das Euro-Ausland seit August 2008 abgenommen haben. Diese Forderungen wurden aber zunächst durch die Mittel aus dem Euro-Rettungsschirm für die Krisenländer und durch den Ankauf von Staatspapieren durch die EZB abgeglichen. Ein Teil wurde wohl auch einfach abgeschrieben. Nur was darüber hinaus noch abgezogen wurde, benötigte – wahrscheinlich – die durch das Targetsystem angetriebene griechische Druckerpresse.

Soweit aber Dullien und Schieritz recht haben – und damit nun zum zweiten Einwand – werden wieder einmal lediglich private Risiken durch die öffentliche Hand (in diesem Fall die Bundesbank) übernommen. „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ ist auch hier das Motto. Kein Grund zum Feiern für den Steuerzahler.

„Die Ursünde ist der Exportüberschuss, nicht das Target-System“, so Schieritz. Ja, natürlich, aber mich erstaunt immer wieder die Inkonsequenz, mit der Leute wie Schieritz argumentieren. Das Targetsystem mit der Möglichkeit, dort Salden zu bilden, macht selbst Exporte lukrativ, deren Abnehmer im Grunde genommen pleite sind. Es ist – wie der Euro insgesamt – ein gigantisches Exportsubventionsprogramm. Seine Kosten übersteigen aber den volkswirtschaftlichen Gewinn bei weitem.


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14 Kommentare

  1. Das Häschen sagt

    Stimmt. Die Bürger bezahlen die Exporte.

    Einige besondere Exporte fallen mir bezüglich Griechenland ein, die vermutlich ohne vorige Zustimmung so leicht nicht hätten den Zielort erreicht, wäre der deutschen Bevölkerung klar gewesen, dass ihre Steuergelder im Rahmen der Friedensunion dafür würden ausgegeben.

    Es kommt keine verwertbarer Güter-/Leistungstauschtausch in Richtung .de zustande, denn käme dieser Zustande könnten die Schuldnerländer über echte Exporte die Rechnungen begleichen. Gesehen auf der Ebene der Realwirtschaft. So cirka.

    Ich könnte ja noch damit leben, sagte man, die Gesamtheit der Bürger Europas kommt gemeinschaftlich im Sinne des regeren Gütertausches für das ursprüngliche Währungsrisiko auf, das wäre ein Akt der Solidarität und Toleranz …

    Eine Frage. Hans Werner Sinn hat unter anderem auch dargestellt, dass die die Rückflüsse bereits die gesamte Geldmenge in .de hätten verdrängt. Sprich ‚braves‘ systemisch notwendiges Geld wird durch ‚böses‘ neu gedrucktes Geld ersetzt. Hätte das dann Auswirkung auf Inflation wenn sich der von Herrn Sinn dargestellte Zyklus wiederholte und wiederholte zumal jetzt ja die Geldmenge komplett ersetzt scheint. Entstünde dadurch ein außerordentliches Inflationsrisiko?

  2. Das Häschen sagt

    Echter Export im Sinn von außerhalb des Europäischen Binnenmarkts.

  3. Wirtschaftswurm sagt

    „Hätte das dann Auswirkung auf Inflation wenn sich der von Herrn Sinn dargestellte Zyklus wiederholte und wiederholte zumal jetzt ja die Geldmenge komplett ersetzt scheint.“ – Kompliziertes Thema, ich denke ja. Die Steigerung der Geldmenge in den Südländern würde ohne Target-2-Salden dort zu Inflation führen. Mit Inanspruchnahme der Targetsalden verlagert sich der Inflationsdruck nach Deutschland. Ich muss aber sagen, das ist nicht meine größte Sorge.

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  5. Alex Hummel sagt

    @Wirtschaftswurm

    Ich habe auch eine Frage. Ich sehe zwar, wie Sie schon aus meinen letzten Kommentaren, denke ich, feststellen konnten, das Target2 System nicht als ein eigenständiges Problem, wie Sie und Hans-Werner Sinn, sondern nur als Symptom eine Zahlunsbilanzkrise in Euro-Währungsgebiet, wie Mark Schierlitz und andere.
    Was aber auch nach zwei Jahren immer noch nicht verstehe, wenn Target2 tatsächlich ein eigenständiges Problem wäre, was für eine Lösung schlagen Sie denn vor ? Anders gefragt, welche konkrete Maßnahmen/Regelungen soll man denn ergreifen, um die das Anwachsen der Target2-Salden zu stoppen, abgesehen natürlich von der Auflösung der Währungsunion.
    Hans-Werner Sinn schlägt in seinem Papier vor, das amerikanische System zu übernehmen, aber seine Ausführungen zeigen, das muß ich leider sagen, das er dieses System nicht versteht, sonst würde er wissen, dass dieses auf das Euro-Gebiet erstens nicht übertragbar ist und zweites höchswahrscheinlich nicht im deutschen Interesse wäre.
    Haben Sie vielleicht noch andere alternative Vorschläge ?

  6. Alex Hummel sagt

    @Haschen

    “Hätte das dann Auswirkung auf Inflation wenn sich der von Herrn Sinn dargestellte Zyklus wiederholte und wiederholte zumal jetzt ja die Geldmenge komplett ersetzt scheint.”

    Das hängt von der zukünftigen Politik der Bundesbank ab. Richtig ist, wie Hans-Werner Sinn sagt, dass die Bundesbank zum Netto-Schuldner der Geschäftsbanken in Deutschland geworden ist. Dadurch können die üblichen Zins-Instrumente nicht mehr (oder jedenfalls schlecht) bei der Inflationssteuerung eingesetzt werden. Es gibt jedoch auch andere Instrumente – wie z.B. Mindestreserveanhebung, Eigenkapitalanforderungen, und zur Not sogar direkte Kreditvergabeeinschränkungen. Das alles wird heutzutage als „makroprudentielle Politik bezeichnet“. Ich habe übrigens neulich gelesen, dass die Bundesbank ab dem nächsten Jahr bei der Bankenaufsicht maßgeblich mitreden wird – wodurch (Eigenkapitalanforderungen) die Geldmenge gesteuert werden kann.

  7. Das Häschen sagt

    Danke Wirtschaftswurm, danke Alex Hummel. Ich mache mir so meine Gedanken. Vermutlich sehe ich Dinge eher naiv aus der Sicht eines Profis. Danke für eure Zeit.

  8. Wirtschaftswurm sagt

    @Alex Hummel,
    „welche konkrete Maßnahmen/Regelungen soll man denn ergreifen“? – Das einzig sinnvolle ist, ein Land, dessen Targetdefizit auszuufern droht, aus der Währungsunion auszuschließen. Im Übergang sollte der Zahlungsverkehr eingestellt werden. Über Sinns Vorschläge bin ich mir nicht im Klaren. Warum meinen Sie, sie wären nicht im deutschen Interesse?

  9. Alex Hummel sagt

    „Das einzig sinnvolle ist, ein Land, dessen Targetdefizit auszuufern droht, aus der Währungsunion auszuschließen. Im Übergang sollte der Zahlungsverkehr eingestellt werden.“

    OK, das ist schon einmal eine ehrliche Antwort 🙂 Das heißt für mich, korrigieren Sie mich bitte, wenn ich falsch liege, ergibt sich im Rahmen der Währungsunion eine Zahlungsbilanzkrise, die zu persistenden Target2-Defiziten führt – ist die einzige Möglichkeit dem beizukommen, der Auschluß der Mitglieder mit Defiziten, also praktisch die Auflösung des Währungsverbunds mi allen dazugehörigen Risiken und Konsequenzen. Sie sehen anscheindend auch keine Möglichkeiten das Problem im Rahmen die Union zu lösen. Nun, das ist auch meine Meinung, und wäre Herr Sinn ähnlich offen in seinen Aussagen, würden wahrschenlich viel weniger Menschen seine Aussagen angreifen. Denn auf diese Weise sagt man ja im wesentlichen folgendes, das Problem ist nicht Target2 sondern die Währungsunion selbst, Target2 ist nur ein Zahlungsverkehrssystem das zu der Währungsunion gehört, und Target2-Salden sind Symptom für die systemischen Probleme dieser Währungsunion, Probleme übrigens, vor denen einige Ökonomen im englischsprachigen Raum schon bei der Einführung eindringlich gewarnt haben.

    „Über Sinns Vorschläge bin ich mir nicht im Klaren. Warum meinen Sie, sie wären nicht im deutschen Interesse?“

    Nun das ist wieder ein reichlich kompliziertes Thema, ich versuche es kurz zu fassen, und gebe ihnen ansonsten einen Link, wo das amerikanische System ausführlich behandelt wird.
    Herr Sinn behauptet überall und immer wieder, dass im amerikanischen ISKV-System, welches ein Analog zu Target2 ist die Salden zwischen den einzelnen Distrikt-Banken begrenzt werden, und schlägt daher vor die Regelungen ins Euro-System zu übernehmen.
    Ich versuche jetzt diese Regelungen zu erklären, indem ich erörtere (stark vereinfachend) was passieren würde, wenn man dieses System im Euroraum einführen würde.
    Die Idee ist im Prinzip folgende:
    Im Moment werden die Aktiva des Eurosystems (Geschäftsbankskredite) von den jeweiligen Zentralbanken verwaltet und auf ihren Bilanzen geführt. Das heißt – wenn z.B. die griechische Zentralbank ein Kredit von sagen wir 100000 EUR an eine griechische Geschäftsbank vergibt – entstehen in der Bilanz der griechischen Zentralbank ein 100000 EUR Eintrag auf der Aktiseite (Kredit) und ein 100000 EUR Eintrag auf der Passivseite (Zentralbankgeld). Fließen jetzt im Rahmen einer Target2 – Überweisung diese 1000000 EUR Zentralbankgeld nach Deutschland, wandern die dazugehörigen Aktiva nicht mit, sie bleiben bei der griechischen Zentralbank, während die Passiva (Zentralbankgeld) bei der Bundesbank landen. Um das kompensieren, haben wir die Target2-Posten in den jeweiligen Bilanzen welches dann bei der Bundesbank um 100000 EUR erhöht wird und bei der griechischen Zentralbank entsprechend reduziert wird. Damit sind Aktiva und Passiva bei den beiden Zentralbanken wieder im Gleichgewicht.
    Die Idee ist nun, stattdessen die Aktiva zentral zu verwalten, sagen wir bei der EZB selbst. Man führt dann ein spezielles Portfolio, das wir EOMA (Euro Open Market Account) nennen könnten, und jeder Zentralbank wird einAnteil an diesem Portfolio zugewiesen, welches nun auf der Aktivseite der Bilanz auftaucht. Damit hat z.B. die deustche Bundesbank keine Kredite an die deutschen Geschäftsbanken in ihrer Bilanz mehr , sondern nur einen einzigen allgemeinen Posten „Anteil an EOMA“. Fließen nun 100000 EUR aus Griechenland nach Deutchland, wir einfach der EOMA-Anteil bei der Bundesbank erhöht und bei der griechischen Zentralbank reduziert. Target2-Salden entstehen somit gar nicht.
    Und das war es. Es handelt sich um eine Änderung der Bilanzregeln, die darunterliegenden Probleme bleiben nach wie vor bestehen, die Zahlungsbilanzprobleme sind nach wie vor da, sie werden schlicht anders verbucht.
    Und jetzt zu der Frage, warum dieses System nicht im deutschen Interesse ist. Nun im Moment hat die Bundesbank ca. 700 Mrd Forderungen an das Eurosystem. Das heißt der Schuldner ist das Eurosystem. Im neuen System würde die Bundesbank 700 Mrd Anteil an EOMA haben, d.h Forderungen direkt gegenüber Geschäftsbanken aus Gesamteuropa. Meiner Meinung nach es ist einfach besser das Eurosystem als Schuldner zu haben als europäische Geschäftsbanken, ganz besonders die aus dem Süden, sehen Sie das nicht auch so ?
    So, ich hoffe, ich habe sie nicht zu sehr gelangweilt, aber die Materie, in die wir alle uns, dank Hans Werner Sinn, seit zwei Jahren reinbeißen, ist nun mal sehr trocken.
    Und bevor ich mich verabschiede, möchte noch einmal betonen – ich habe wirklich STARK vereinfacht. Das wirkliche amerikanische System ist historish gewachsen und ist weit komplizierter, weil detailreicher. Falls Sie sich das antun wollen, hier ein Link, wo die Details erklärt werden: http://www.oekonomenstimme.org/artikel/2012/05/das-fed-system-ist-nicht-die-loesung-in-der-target2-debatte/?utm_source=feed&utm_medium=main. Aber aufpassen – es sind ein Paar Fehler im Artikel vorhanden, auf einen davon habe ich in einem Kommentar hingewiesen.

    P.S

    Den Kürzel EOMA habe ich übrigens geklaut – in den USA heißt es nämlich SOMA (System Open Market Account) .

  10. Wirtschaftswurm sagt

    @Alex Hummel,
    vielen Dank und ein großes Lob für die eingängige Erklärung. Mir kam Sinns Vorschlag immer etwas komisch vor, ich hatte aber auch nicht die Muße, mich näher damit zu befassen. Tatsächlich haben Sie recht, dass ein System wie in den USA nicht zu unserem Vorteil wäre.

  11. Michael Seidel sagt

    Wie kann man die Target2 Salden am günstigsten einsetzen, um sie zu reduzieren?
    MaW, gibt es ein für Deutschland günstiges Gegenmodell?

  12. Wirtschaftswurm sagt

    @Michael Seidel,
    ohne die Währungsunion aufzulösen? Schwer möglich, aber der Wirtschaftsphilosoph kam ja schon auf den Gedanken, dass Zölle die Ungleichgewichte in der Eurozone auch beseitigen könnten. Zusätzlich müsste man wohl Kapitalverkehrskontrollen einführen. Auch die Idee, für die Targetsalden eine Obergrenze festzusetzen ist natürlich letztlich nichts anderes als eine Kapitalverkehrsbeschränkung.

  13. Ich denke Sinn hat schon recht . Unser Schuldner “ Eurosystem “ ist nicht besser . Die EZB zahlt zwar an die Bundesbank , aber die wird damit zum SCHULDNER ! Es is eine absurde Situation das Staaten ihre Haushalte mit Importen finanzieren können . Das Geld ist auf deren Staatsbanken angekommen . Aber nicht mehr da . Das amerikanische System hätte nie so absurd hohe Salden auflaufen lassen . Naja “ Hätte “ . Heute eingeführt würde es einfach zum Bankrott insolventer Staaten führen . Denn die Schuldner der bis Heute aufgelaufenen Summen sind keine Geschäftsbanken . Es sind die Staatsbanken ! Und freiwillig wird keiner die Eurozone verlassen .

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