Wirtschaftswurm-Blog

Die Exportüberschüsse sind tatsächlich schädlich – vor allem für Deutschland selbst

Unter den Linden Richtung Brandenburger Tor

Die EU-Kommission will also nun überprüfen, ob Deutschlands Exportüberschüsse wirtschaftlich schädlich sind. Da wird jetzt eine Horde von Bürokraten in Brüssel mit Fragen beschäftigt, die auch jeder Wirtschaftsblogger beantworten kann und viele Wirtschaftsblogger bereits beantwortet haben. Als konstruktiv mitdenkender Europäer will ich aber den Brüsseler Mitarbeitern die Arbeit weiter vereinfachen und auch ein paar Absätze schreiben, die sie dann für ihren Bericht kopieren dürfen.

Die neuesten Zahlen, die für September 2013, zeigen einen neuen Anstieg des deutschen Handelsbilanzüberschusses an. Deutschland exportierte in diesem Monat Waren im Wert von 94,7 Milliarden €, importierte aber nur Waren im Wert von 74,3 Milliarden €. Macht ein Überschuss von 20,4 Milliarden. Das ist Rekord.

Wenn die deutsche Wirtschaft Waren im Wert von 94,7 Milliarden € exportiert, hat sie auch Anspruch auf eine entsprechende Gegenleistung. Das heißt, sie hat Anspruch auf Importe in gleicher Höhe. Ein Exportüberschuss in Höhe von 20,4 Milliarden € bedeutet dann, dass die Deutschen in dieser Höhe auf Waren aus dem Ausland verzichten. Wenn sie wollten, könnten sie mehr konsumieren oder investieren, verzichten aber in Höhe des Handelsüberschusses auf Konsum- oder Investitionsgüter.

Wir lassen anschreiben.

Anschreiben lassen kann für einen Kaufmann sinnvoll sein. Theoretisch auch für Deutschland, denn Deutschland altert. Die produktive Bevölkerung wird schrumpfen. Mehr Rentner werden wir vielleicht nur versorgen können, wenn wir zukünftig mehr konsumieren als produzieren. Dafür wäre es gut, Forderungen anzusammeln.

Allerdings legen die Deutschen das Geld im Ausland nicht gut an. Ob Stahlwerke in Brasilien, Immobilien in Spanien, zweitklassige US-Hypothekendarlehen oder griechische Staatsanleihen, immer wieder gibt es enorme Abschreibungen. Das DIW hat in seinem 26. Wochenbericht (S. 11ff.) Daten zur Entwicklung des deutschen (Netto-)Auslandsvermögens seit 1999 ausgewertet. Demnach ist seine Rendite negativ. So ist z.B. der gesamte Exportüberschuss 2005-2011 dafür drauf gegangen, Verluste bei Auslandsanlagen zu kompensieren.

Andere Länder haben dieses Problem übrigens nicht. Man könnte das so interpretieren: Die deutsche Wirtschaft neigt dazu, auch für zweifelhafte Schuldner noch anschreiben zu lassen. Nur so wird sie anscheinend ihren Exportkram los. Das ist das Gegenteil von Wettbewerbsfähigkeit.

Damit zurück zur Ausgangsfrage: Der Exportüberschuss ist tatsächlich schädlich – vor allem für Deutschland selbst.

Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!

Foto: Bürohaus Internationales Handelszentrum in Berlin (von Liralina)


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13 Kommentare

  1. Moritz sagt

    @Arne
    Ich empfinde den Beitrag als etwas dünn, da man solche allgemeinen Aussagen auch z.B. in SPON lesen kann. Interessant wäre es die Ursachen zu beleuchten, und zwar nicht exzessives Lohndumping in Folge der Agenda 2010, sondern das europäische System des fixen Wechselkurse (Euro). Der Euro ist für die Stärke der deutschen Exportindustrie zu schwach. Eine Aufwertung der Währung würde den Leistungsbilanzüberschuss abbauen, aber der „deutsche“ Euro kann nicht aufwerten und es kommt zu Fehlallokationen in der Wirtschaftsstruktur zugunsten der Exportindustrie und Wohlstandsverlusten durch das „Verschenken“ von Leistungen an das Ausland.
    Ein Guter Artikel dazu heute im Blog Lost in EUrope :
    http://lostineu.eu/das-china-der-eurozone-2/

  2. Andena sagt

    Exzellenter Artikel.

    Der deutsche Exportüberschuss hat mehrere Väter. Einerseits haben wir in der #brd eine geradezu perverse Produktivität gepaart mit einem fast unmenschlichem Bedürfnis, zu schaffen. Das alleine reicht und reichte schon aus, um wettbewerbsfähig zu sein und immer grandiösere Überschüsse zu erwirtschaften. Und nun kommt auch noch die massiv unterbewertete Währung hinzu, die die Produkte auch noch preislich so stellt, dass sie in der Qualität vergleichbare unterbieten.

  3. Arne Kuster sagt

    @Moritz,
    ich habe in der Tat noch einen zweiten Artikel zum Thema geplant. Hier ging’s mir nur um die Frage, ob der Exportüberschuss schädlich ist. Im zweiten Artikel wird’s dann darum gehen, was man dagegen tun kann (wenn überhaupt).

  4. PotzBlitzDonner sagt

    Nehmen wir mal an Deutschland wäre im Moment nicht im Stande seine Strukturellen Probleme zum Teil anderst zu lösen als wie mit der Konsequenz eines hohen Exportüberschusses. Nehmen wir weiter an Exportüberschuss=zusätzliche Abeitsplätze in Deutschland. Würden wir nun jedem Arbeitsplatz einen Gewissen Wert zuordnen, der zwar nicht direkt im BIP auftaucht, aber der, der diesen Arbeitsplatz hat wird wohl den Wert dessen bestätigen können. Die genaue quatifizierung ist wohl schwierig. Trotzdem muss man die Summe der Arbeitsplatzwerte den Auslandsabschreibungen gegenüberstellen. Meine ich zumindest, um das ganze richtig deuten zu können, wenn man mal weitere Aspekte der Vor- und Nachteile des Überschusses unberücksichtigt lässt….

    @Moritz also das mit den Abschreibungen des Auslandsvermögens und desen schlechte Rendite, davon hab ich jetzt bei Spon noch nix gelesen, das finde ich schonmal recht aufschlussreich wobei ich denke das die ganze Thematik doch noch komplexer ist, wer nämlich durch Abschreibungen verliert und wer gewinnt durch den Export das sind unterschiedliche Parteien und das man das so einfach aggregieren kann und auf Deutschlanebene ins Verhältnis setzt, da hab ich auch etwas bauchschmerzen.
    Einen Trost hab ich, vieleicht werden wir ja mal in Zukunft Importmeister und das Ausland muss unsere Staatsanleihen abschreiben weil die dann irgendwann nix mehr Wert sind, dann schließt sich der Kreis.
    Und ein gutes Mittel gegen den Überschuss wäre ein NEEG (Nicht Erneuerbare Energien Gesetz) Jeder der seinen Ölverbrauch verdoppelt bekommt eine Prämie und kann auch irgendwann im Winter Kamelkaravanen an seinem Fenster vorbei ziehen sehen.

  5. @Arne Kuster

    Ich denke, vielleicht wäre noch ein dritter Artikel sinnvoll, der auf die Frage der Ursachen der ausufrenden Überschüsse eingeht, oder zugespitzt formuliert der Schuldzuweisung.

    Die Bewohner meines Geburtslandes sagen dazu immer, bei jedem Problem muß als erstes unbedingt geklärt werden wer die Schuld trägt. Erst dann (wenn überhaupt) befasst man sich mit der Frage was gegen das Problem unternommen werden kann… 🙂

    P.S.
    Simon Wren-Lewis hat hierzu folgenden interessanten Beitrag verfasst: http://mainlymacro.blogspot.de/2013/11/eurozone-morality-plays.html.

  6. Pingback: Kleine Presseschau vom 15. November 2013 | Die Börsenblogger

  7. Jürgen sagt

    Könnte es sein, dass die Exportkreditgarantien der Bundesrepublik Deutschland mit dafür verantwortlich sind, dass Waren an wackelige Schuldner geliefert werden? Für den Exporteur ein gutes Geschäft, vor allem falls die „Versicherungsprämien“ (ggf. politisch gewollt) unter den tatsächlichen Kosten (d.h. Ausfallraten) lägen. Das wäre dann eine versteckte Subvention für die Exportindustrie. Die Kosten trüge, wieder einmal, der Steuerzahler.

  8. Arne Kuster sagt

    @Jürgen,
    ich halte die Exportkreditversicherungen für überflüssig und mit Blick auf den Exportüberschuss ist sie wahrscheinlich sogar schädlich. Andererseits werden nur 3,4% der Exporte versichert, die Bedeutung ist also nicht übermäßig.

  9. Pingback: Was tun gegen schädliche Exportüberschüsse? | Wirtschaftswurm

  10. Pingback: Debatte um deutsches Importdefizit (früher Exportüberschuss) mit falschen Prioritäten?

  11. Pingback: Debatte um deutsches Importdefizit mit falschen Prioritäten? | Carta

  12. Daniel Wichtig sagt

    Hallo Herr Kuster,
    ich habe eben ein sehr informatives Interview mit Ihnen gesehen und bin auf Ihren Blog aufmerksam geworden. Dort habe ich festgestellt, dass da doch etwas nicht stimmen kann.
    Zitat:
    Viele Grüße
    Daniel

  13. Ich denke die Exportkreditversicherungen sind zu vernachlässigen . Diese sind in das Zahlsystem in der Eurozone ( Target 2 )integriert ! Exporte sollen mit Importen verrechnet werden . Es fließt kein Geld . Deutschland hat eine halbe Billion plus in seinen Targetsalden ! Die mit Defizit können unmöglich zahlen weil sie das Geld in ihren Haushalten verbraten haben . Das Schöne ist – sie brauchen auch nicht zahlen .

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