Wirtschaftswurm-Blog

Wider die naiven Produktivitätsapostel

Immer wieder gibt es diese Stimmen, die den demografischen Wandel/ die Alterung der Gesellschaft als völlig unproblematisch ansehen. Bezeichnend dafür ist z. B. Albrecht Müller von den Nachdenkseiten oder auch der Weissgarnix-Autor Frank Luebberding. Für sie sind alle Warnungen, die Zukunft der gesetzlichen Rente stehe auf dem Spiel, nur Teil einer gigantischen PR-Kampagne zugunsten der privaten Versicherer und ihrer Modelle wie der Riesterrente.

Ach wäre die Welt doch so einfach! Diese Hoffnung haben viele und sie glauben darum gerne das „Alles wird gut“-Mantra von Müller, Luebberding und anderen. Im Grunde genommen sitzen sie damit aber nur einer weiteren Verschwörungstheorie auf. Im Gegensatz zu völlig obskuren Verschwörungstheorien benutzt ihre immerhin ein bedenkenswertes ökonomisches Argument: Die Arbeitsproduktivität werde auch in Zukunft steigen. Immer weniger Leute können damit immer mehr herstellen. Darum werde es kein Problem sein, wenn in Zukunft weniger Junge mehr Alte über die Rentenversicherung zu versorgen haben.

Dieses Argument hat jedoch zahlreiche Schwachstellen. Immer wieder faszinierend zu beobachten ist, wie dieselben Leute, die im ersten Satz noch die angebliche Unsicherheit demografischer Prognosen herausstellen, im nächsten Satz meinen, die Produktivitätsentwicklung über 30, 40 oder 50 Jahre vorhersagen zu können. Die Vorhersagen, die dann folgen, schreiben allerdings lediglich den Trend der letzten Jahre oder Jahrzehnte fort. Das ist die primitivste Form der Prognose.

Tatsächlich gibt es einige Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsproduktivität in einer alternden Gesellschaft nicht mehr so einfach zu steigern ist. Innovationen kommen meistens von Jungen und die werden ja weniger. Außerdem fragen Alte typischerweise eher Produkte nach, bei denen eine Produktivitätssteigerung schwerer zu erreichen ist. Das betrifft etwa den ganzen Bereich Gesundheit und Pflege.

Will man eine ernst zu nehmende Prognose der Produktivitätsentwicklung wagen, müsste man sie aus einer Prognose des technischen Fortschritts entwickeln. Technischer Fortschritt bildet schließlich die Grundlage wirtschaftlicher Innovationen. Seine Prognose ist aber schwer, denn es gibt nicht nur den kontinuierlichen technischen Fortschritt und die Verbesserung von Produkten und Verfahren im Detail, sondern auch grundlegende technische Durchbrüche. Das gilt für die Vergangenheit wie die Gegenwart und die Zukunft. Niemand kann aber vorhersagen, welche technischen Revolutionen die Zukunft bereitstellen wird. Wird es überhaupt noch einmal solche Umwälzungen geben, wie sie durch den Computer oder das Auto in der Vergangenheit stattfanden?


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3 Kommentare

  1. gclooney sagt

    naja, als „völlig unproblematisch“ sehen die genannten herren die demografische frage auch nicht.

    tatsache ist einfach, dass die privaten versicherer die umlagefinanzierte rente auch nicht besser organisieren können als die deutsche rentenversicherung.

    was den ausgleich der ausfälle angeht: die förderung von nachwuchs wird vermutlich auch in der näheren zukunft noch in die hose gehen. ein wichtiger schritt wäre wohl auch die bessere integration von arbeitslosen ins (sozialversicherungspflichtige) erwerbssystem.

    aber eher sehe ich das problem zur lösung der finanzierung der rente in der uralten idee der besseren verteilung der geldes. wohin geht denn das geld, dass unternehmen durch den abbau von sozialversicherungspflichtigen beschäftigten und die dekadenlange stagnation der realeinkommen eingenommen haben? eben leider nicht in die sozialversicherungen…

  2. Wirtschaftswurm sagt

    Was Lösungen anbelangt, bin ich mit dir weitgehend einer Meinung. Vor allem wäre ein bedingungsloses Grundeinkommen ein Weg zu einer gerechteren Verteilung. Darüber hinaus halte ich aber auch die Rente mit 67 für sinnvoll.

  3. Pingback: Kleine Presseschau vom 2. Dezember 2010 | Die Börsenblogger

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