Wirtschaftswurm-Blog

Wachsende Lohnspreizung in Deutschland – die Ursachen

Im ersten Artikel zum Thema Lohnspreizung konnte ich Zahlen präsentieren, nach denen sich schon seit Ende der 70er Jahre die hohen Löhne stärker von den mittleren absetzten. Und seit Anfang der 90er Jahre blieben gleichfalls die unteren Löhne stärker hinter den mittleren zurück. Aber was sind die Ursachen dieser wachsenden Lohnspreizung?

Für aloa5 in seinem Blog „libri logicorum“ ist die Sache klar: Waren, die mit vielen wenig qualifizierten Arbeitskräften hergestellt werden, importieren wir inzwischen aus China & Co., während wir dafür Sachen herstellen und exportieren, für die man nur wenige und dafür hochqualifizierten Arbeitskräfte braucht. Damit fallen viele Stellen im unteren Lohnbereich weg, während die Nachfrage nach Fachkräften steigt. Entsprechend wächst der Lohndruck unten, während die hohen Löhne überdurchschnittlich zunehmen.

Für Volkswirte ist das keine Überraschung. Das Phänomen wird im so genannten Heckscher-Ohlin-Theorem beschrieben. Die niedrigen Löhne sinken in Deutschland als Folge einer zunehmenden Spezialisierung des Landes im Welthandel auf Tätigkeiten, für die man hochqualifizierte Leute braucht.

Interessanterweise taucht das Thema Globalisierung in der (bereits erwähnten) Forschungsarbeit von Christian Dustmann, Johannes Ludsteck und Uta Schönberg zur deutschen Lohnstruktur nicht direkt auf. Die Wissenschaftler  untersuchen neben der technischen Entwicklung drei Ursachen der zugenommenen Lohnspreizung:

  1. Lohnunterschiede waren schon immer unter gut qualifizierten wie auch älteren Angestellten größer. Da der Anteil dieser Gruppen im Laufe des betrachteten Zeitraums 1975-2004 gewachsen ist, ist damit quasi als Nebenwirkung auch die Lohnspreizung gewachsen. Vor allem für die Abkoppelung der hohen Löhne spielt dies eine gewisse Rolle.
  2. Gewerkschaften haben einen bedeutenden Einfluss auf die Lohnentwicklung. So kann es nicht verwundern, dass die unbefriedigenden Lohnentwicklung vor allem im unteren Bereich mit einem schrumpfenden gewerkschaftlichen Organisationsgrad gekoppelt ist.
  3. Der Anteil der Geringqualifizierten auf dem Arbeitsmarkt ist zwar gesunken, seit den 90er Jahren allerdings nur noch gering. Eine wichtige Ursache ist hier die Einwanderung (etwa von Deutschstämmigen aus Osteuropa). Sie hat den Lohndruck im Niedriglohnsektor erhöht und damit den Abstand zwischen Niedrig- und Durchschnittslöhnern erhöht.

Nun zur technischen Entwicklung: Mit Verweis auf zahlreiche andere Studien legen Dustmann, Ludsteck und Schönberg dar, dass nicht einfach Stellen im Niedriglohnsektor wegrationalisiert wurden. Der betrachtete Zeitraum 1975-2004 ist die Zeit der Computerisierung der Unternehmenswelt. Der Computer ersetzt aber nicht die am schlechtesten bezahlten manuellen Tätigkeiten; er wird vor allem für einfache Analyse- und Bürotätigkeiten eingesetzt. Damit fallen vor allem Stellen im mittleren Bereich der Lohnskala weg.

Die von Dustmann, Ludsteck und Schönberg aufgezeigte Datenlage unterstützt die These, dass vor allem im mittleren Lohnbereich Stellen wegrationalisiert wurden. Leute, die hier tätig waren (oder früher geworden wären), bevölkern nun ebenfalls den Niedriglohnsektor und steigern dort den Druck auf die Löhne.

Es geht also um eine Polarisierung der Arbeitskräftenachfrage. Und das ist nun etwas ganz anderes als die immer wieder (und auch von aloa5) angeführte Verlagerung von gering bezahlten Stellen ins Ausland. Tatsächlich sind die am schlechtesten bezahlten Stellen in Deutschland verblieben und lassen sich gar nicht nach China verlegen: Frisöre, Verkäuferinnen usw.

„Was tun?“, ist nun die Frage. Meine Meinung dazu im nächsten Beitrag „Gegenmaßnahmen„.


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7 Kommentare

  1. Dr. Gonzo sagt

    Interessante Reihe! Bin schon auf den nächsten Teil gespannt!

  2. Habnix sagt

    Was tun?Versuchen wir,die im Niedriglohnsektor sind,doch eine weitest gehende Selbstversorgung,das Heist abkoppeln wir uns vom Staat so weit wie möglich ab.Wie das gehen könnte erfahren sie im Link unten.Wenn das was ich auf dieser Seite rein geschrieben habe funktioniert und der Text in alle möglichen Sprachen übersetzt wird und kopiert wird, dann ist es möglich das die Löhne für Gering qualifizierte Arbeitskräfte steigen werden.

    Unabhängigkeit ist das Schlüsselwort.Zurzeit steht viel auf dem Spiel für uns alle,daher bitte ich um Konstruktive Unterstützung und es eilt sehr.

    http://www.ginsterburg.de/t72f4-Die-wahre-Revolution-ist-die-Selbstversorgung.html

  3. Habe das Papier einmal grob überflogen (werde es noch genauer durchlesen). Ist interessant. Wenn ich mir am Ende aber einmal die Schaubilder durchklicke erscheint es mir wenig plausibel.

    Lohnunterschiede waren schon immer unter gut qualifizierten wie auch älteren Angestellten größer. Da der Anteil dieser Gruppen im Laufe des betrachteten Zeitraums 1975-2004 gewachsen ist, ist damit quasi als Nebenwirkung auch die Lohnspreizung gewachsen.

    Verstehe ich nicht. Wenn 2 wenig, 4 mittel und 4 gut verdienen hast Du eine Spreizung zwischen der ersten und der letzten Gruppe. Das gesagte würde bedeuten das sich die Spreizung erhöht wenn anstatt 2-4-4 beispielsweise die Beschäftigten sich in 1-4-5 aufteilen würden. Das halte ich für nicht plausibel, schon gar nicht wenn die Gruppe der älteren und damit der Aussage nach besser verdienenden im Verhältnis angewachsen sein sollte. Das wäre nur innerhalb der Einkommensgruppen der Fall (wenn das gemeint sein sollte – wäre aber für die Betrachtung der Lohnspreizung im gesamten nicht relevant).

    Aus dem Papier:

    We find that between 1995 and 2004, deunionization can explain one third of the increase in lower tail inequality.

    Ein Drittel resultierend aus Austritten aus der Gewerkschaft. Wobei ich hier ein Problem zwischen Kausalität und Korrelation sehe (bzw. Ursache/Wirkung). Aus den Gewerkschaften wurde ausgetreten weil die Arbeitslosigkeit da war. Also die Ursache der Ursache wird etwas wenig beleuchtet. Abgesehen davon erklärt das imho nicht die Entwicklung in den USA – dort sind imho die Gewerkschaften noch nie wirklich ein entscheidender Faktor gewesen. Und in UK, dem dritten angesprochenen Land gibt es sogar einen Mindestlohn und starke Gewerkschaften – trotzdem ein enteilen des oberen Lohnbereiches.

    Why did the slowdown in skill upgrading and the erosion in labor market
    institutions happen a decade earlier in the US than in Germany?

    Nette Frage ganz am Ende des Papiers (S.39). Leider haben die Autoren imho vergessen sie zu beantworten. Sie schreiben hinterher das es in Deutschland aufgrund des Zuzuges unqualifizierter Osteuropäer und wg. dem Zusammenschluß (mit den offenbar niedrig qualifizierten Ostdeutschen) dazu gekommen wäre.

    Das ist eine eher schwache Position. Das müsste sich inzwischen ausgeglichen haben oder zumindest angleichen – das Gegenteil ist der Fall. Die MIT hat für die USA stattdessen in den Jahren ab 2000 ein Anwachsen der Arbeitsplatzverluste durch den Handel mit China errechnet. Auf 32% aller Jobverluste wird vom MIT der Effekt geschätzt/errechnet, während es zwischen 1991 und 2000 nur 19% waren. Ich hatte einmal die gesamtwirtschaftlichen Stunden ausgerechnet und mit dem Bevölkerungsanteil nivelliert. Der Zusammenschluss hat ein niedrigeres Gleichgewicht bei Unterbeschäftigung erzeugt.

    Sieht man sich am Ende auch die Grafik auf Seite 59 an (Fig. 10B Unemployment by Education, also der Ausbildung) so wird deutlich das alleine die gut ausgebildeten auf dem „alten“ Niveau der 80er bis Mitte der 90er zurückgekehrt sind. Alle anderen, die mittel- bis nicht gut ausgebildeten, sind um etwa 50% häufiger arbeitslos (0,8 statt 0,5 bei den mittleren Ausbildungsstufen und 1,5 statt 1,0 bei den unteren). Auch das spricht dagegen das speziell die „Mitte“ wegfallen würde. Wenn, dann wären vermutlich Beide Bereiche in etwa gleich betroffen. Gut möglich das durch das gleichzeitige betroffen sein die mittel ausgebildeten nun auch Jobs im unteren Lohnsektor suchen.

    Es sind also einige Punkte. Abgesehen davon scheint sich das Papier nicht mit Heckscher-Ohlin zu befassen. Es wird das SBTC angesprochen und für unzureichend befunden. Grundsätzlich bleibt man bei allen Betrachtungen jedoch „im Land“ und betrachtet den Arbeitsmarkt von Deutschland wie auch den USA immer für sich. Das ist imho die Hauptschwäche der Arbeit. Es kommt wohl dadurch zustande das es auf der nationalen Empirie basiert und die Ursachen auch dort sucht.

    Grüße
    ALOA

  4. Wirtschaftswurm sagt

    Es ist schon logisch, dass mehr Hochqualifizierte die Lohnspreizung erhöhen. Früher hatten vielleicht 20 % Hochschulabschluss, heute sind es 40 %. Während früher also nur bei den obersten 20 % eine hohe Lohnspreizung war, gibt es sie heute bei den obersten 40 %. Damit wächst automatisch der Abstand zwischen dem 85%-Quantil (das in der Untersuchung herangezogen wird zur Bestimmung der hohen Löhne) und dem Medianlohnbezieher.
    Zu den Gewerkschaften: Klar, Korrelation ist nicht unbedingt Kausalität. Es wird aber von keiner Seite bestritten, dass Gewerkschaften höhere Löhne bewirken. Letztlich sind sie auch eine Form des Kartells. Dieses Fass brauchen wir, glaube ich, nicht aufmachen.
    Was den Zusammenhang von Einwanderung und dem (nicht mehr schrumpfenden) Anteil der Geringqualifizierten anbelangt, so bleibt das in der Forschungsarbeit von Dustmann, Ludsteck und Schönberg in der Tat eine reine Hypothese. Dies hätte ich vielleicht mehr herausstellen können. Zu den zitierten Quellen kann ich jetzt auch nichts sagen, Sarrazin ist aber nicht darunter. 😉
    Das wichtigste Thema der Arbeit ist wohl die Polarisation der Arbeitskräftenachfrage, sprich, dass Stellen mit mittleren Bezahlungen weniger werden. Diesen Befund magst du jetzt bezweifeln; da stecke ich aber jetzt zu wenig in den Daten drin, um dagegenzuhalten. Gesetzt aber, der Befund ist richtig, kann man ihn meiner Meinung nach nicht mit dem Heckscher-Ohlin-Theorem herleiten. Das sagt ja eine Verlagerung von Billigarbeitsplätzen voraus. Und darum ging es mir vor allem in meinem Artikel. Dustmann, Ludsteck und Schönberg sprechen leider das Thema Außenhandel/ Globalisierung nicht an. Dies ist in der Tat ein Manko, das ich durch meinen Artikel ausgleichen wollte.

  5. Das wichtigste Thema der Arbeit ist wohl die Polarisation der Arbeitskräftenachfrage, sprich, dass Stellen mit mittleren Bezahlungen weniger werden. Diesen Befund magst du jetzt bezweifeln; da stecke ich aber jetzt zu wenig in den Daten drin, um dagegenzuhalten. Gesetzt aber, der Befund ist richtig, kann man ihn meiner Meinung nach nicht mit dem Heckscher-Ohlin-Theorem herleiten. Das sagt ja eine Verlagerung von Billigarbeitsplätzen voraus.

    Jein.
    Wenn wir Heckscher-Ohlin einmal nicht streng nehmen sondern grundsätzlich, dann ist es Ricardos komparativer Wettbewerbsvorteil auf den Arbeitsmarkt angewendet. Die Folge daraus ist nicht zwingend das Billigarbeit abwandert sondern das es Ländern gibt welche sich spezialisieren. Das Billig- oder auch andere (z.B. die aus dem mittleren Bildungssektor) Arbeit abwandert wäre demnach die Folge einer Spezialisierung in einem anderen Land.

    Ich habe das Papier ja auch noch nicht im Detail gelesen und so spekulieren wir vermutlich Beiden einmal im Nebel. Wenn es technologisch induziert ein grundsätzliches Problem darstellen sollte und die mittleren Bildungsschichten nichts mehr zu tun hätten (Vulgo: Arbeit verschwunden), dann müsste das Problem m.E. zunehmend global in den Industrieländern zutreffen. Da hielte ich es (so aus der Hüfte geschossen) auch für den Fall das tatsächlich die „Mitte“ wegbricht für wahrscheinlicher das dieser Bereich verlagert wurde.

    Aber wie gesagt halte ich es auch aufgrund der anhaltenden Arbeitslosigkeit sowohl im mittleren als auch unteren Bildungsbereich für unwahrscheinlich das die Mitte grundsätzlich weggebrochen wäre und sich verteilt haben soll. Es scheint ja so zu sein das außerhalb des „Spezialsektors“ der gut ausgebildeten vermehrt Arbeitslosigkeit herrscht. Im Spezialsektor konnte offenbar auch ein Zugang an Arbeitskräften kompensiert werden. Von dort aus wird auch exportiert. Was unter der (u.a. daraus resultierenden) schlechten Verteilung der Einkommen leidet ist der Binnenmarkt/Nachfrage.

    Grüße
    ALOA

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