Wirtschaftswurm-Blog

Erzwingt die Schuldenbremse eine Negativspirale nach unten? (II)

Wie schon in Teil I geschrieben, war die Grundidee des alten Artikels 115 des Grundgesetzes durchaus richtig. Dort heißt es nämlich:

Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.

Das Problem dieses Artikels und gleichzeitig die Ursache, warum er einen unaufhörlichen Anstieg der Bundesschulden nicht verhinderte, lag im Begriff „Einnahmen aus Krediten“. Der wurde nämlich mit der Nettoneuverschuldung gleichgesetzt. Um die Altschulden brauchte sich niemand Gedanken zu machen und hat sich tatsächlich niemand Gedanken gemacht. Es wurde immer brav umgeschuldet. Der alte Kredit wurde mit neuen Krediten getilgt.

Auch die aktuelle politische Diskussion ist zu stark auf die Nettoneuverschuldung fixiert. Ein Umdenken ist notwendig. Sinnvoll wäre darum folgende Schuldenbremse gewesen:

Die Nettoneuverschuldung darf die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen und Bildung abzüglich 4 % der Altschulden nicht überschreiten; Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts.

Zum einen habe ich in diesem Vorschlag den Begriff „Einnahmen aus Krediten“ durch das präzisere „Nettoneuverschuldung“ ersetzt. Das ist lediglich eine redaktionelle Änderung. Dann habe ich die Bildungsausgaben den Investitionen gleichgesetzt. Beides wirft erst in der Zukunft Erträge ab und es ist daher sachlich gerechtfertigt, beides erst in der Zukunft zu bezahlen; eben in dem man dafür aufgenommene Kredite abbezahlt.

Noch wichtiger aber ist, dass bei der von mir vorgeschlagenen Änderung Aufmerksamkeit auf die Altschulden gelenkt wird. Die Altschulden müssen jedes Jahr ein Stückchen kleiner werden, bevor man wieder neue Kredite für Investitionen und Bildung drauf sattelt. Der von mir vorgeschlagene Anteil von 4 % bedeutet, dass jede Staatsschuld im Durchschnitt nach 25 Jahren zur Gänze abgebaut ist. Das entspricht in etwa auch dem Durchschnitt der „Haltbarkeit“ vieler Investitionen.

Der Vorschlag kann und soll im Übrigen dazu führen, dass die Nettoneuverschuldung unter Umständen einmal negativ sein muss, tatsächlich also mal Schulden abgebaut werden. Das wird dann der Fall sein, wenn die Ausgaben für Investitionen und Bildung niedrig sind, die Altschulden aber hoch.

Ein Schuldenabbau ist durchaus möglich. Denn es ist wahr, was Klemens Himperle in seinem Artikel „,Schuldenbremse‘ als Politikverzicht“ sagt. Ohne die Steuersenkungen seit 1998 und mit einer vernünftigen Vermögensbesteuerung hätten wir schon heute kein Verschuldungsproblem.

Mit der gegenwärtig im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse droht aber tatsächlich eine Negativspirale nach unten. Da hat Himperle auch Recht; ein Kahlschlag bei Investitionen und Bildung. Nur eine Schuldenbremse, die Schulden wieder danach unterscheidet, welchem Zweck sie dienen, kann dies verhindern. Und nur eine Schuldenbremse, die auch die Altschulden ins Blickfeld rückt, wird eine uferlose Verschuldung verhindern.


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6 Kommentare

  1. Pingback: Erzwingt die Schuldenbremse eine Negativspirale nach unten? (I) | Wirtschaftswurm

  2. Teufel sagt

    Also rechtlich sehe ich da nur ein kleines Problem; nämlich in dem geschilderten Zwang, je nach Gefechtslage auch Überschüsse zu erwirtschaften: Durch die Verschuldung in der Vergangenheit würde für spätere Generationen natürlich der Spielraum sehr gering werden. Die Abgeordneten wären auch dann zum weiteren Sparen gezwungen, wenn ihre eigene Bilanz ausgeglichen wäre, weil ihre Vorgänger ordentlich verpulvert haben. Andererseits: Wenn der deutsche Bundestag auf ein paar DinA4-Seiten für das x-fache Volumen eines Bundeshaushalts den deutschen Steuerzahler zum Bürgen machen darf, ohne dass sich das Verfassungsgericht daran stört (die Hauptsacheentscheidung steht ja noch aus), sollte das auch gehen… Hinzu kommt, dass man natürlich auch heute schon durch die Zinslasten der Vergangenheit belastet ist und dass das Ziel, späteren Generationen solche Belastungen zu reduzieren, sicherlich gleichrangig zum eigenen Gestaltungswunsch in der Gegenwart ist.
    Generell haben sich aber die Versuche durch Verfassungsgesetzgebung, dem Schuldenmachen Einhalt zu gebieten, als recht nutzlos erwiesen.

  3. Wirtschaftswurm sagt

    @Teufel, sicherlich hast du Recht, wenn du sagst: „Generell haben sich aber die Versuche durch Verfassungsgesetzgebung, dem Schuldenmachen Einhalt zu gebieten, als recht nutzlos erwiesen.“ Doch meiner Meinung nach lag das eben daran, dass in der Verfassung nur die Nettoneuverschuldung geregelt wurde. Um die Altschulden brauchte sich niemand zu kümmern.
    Ich gebe aber zu, dass auch mein Vorschlag genug Schlupflöcher enthält, durch die eine Politik, die unbedingt Schulden machen will, schlüpfen kann. So kann mit dem Begriff „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ einiges an Schindluder getrieben werden. Man sieht das ja aktuell in NRW. Näheres muss darum in einem Gesetz geregelt werden.

  4. Teufel sagt

    Die Frage ist tatsächlich, ob ein noch engerer Spielraum des Gesetzgebers überhaupt Sinn macht. Wenn nur ein Teil des „Rettungsschirms“ beansprucht wird, sind Schulden mit denen Leistungen an die eigene Bevölkerung gezahlt werden, zum einen unvermeidbar und vielleicht auch geboten. Es ist ja geradezu pervers, für griechische Altersregelungen und irische Dumpingsteuersätze hier die Bedürftigen zu schlachten. Das Gesamtvolumen des Rettungsschirms entspricht ja mit 750 Mrd. mehr als einem Bundeshaushalt.

  5. Wirtschaftswurm sagt

    Sinn macht es insofern, als die Politik immer einen Anreiz hat, mehr auszugeben als einzunehmen. Dem muss man meiner Meinung nach entgegensteuern, denn langfristig geht das nicht gut. Zum Rettungsschirm: Da hätte man wohl ehrlicherweise gleichzeitig einen Eurosoli zur Vorsorge beschließen müssen. Aber klar, dass dann der Rettungsschirm nie durch den Bundestag gegangen wäre.

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