Wirtschaftswurm-Blog

Deutschland ist nun verpflichtet, die Eurozone zu verlassen

Gegen den Draghi-Beschluss, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, kann man als Staatsbürger nicht klagen. Für Deutschland ergibt sich nun aber das eindeutige Recht und sogar die Pflicht, die Eurozone zu verlassen.

Das Bundesverfassungsgericht bleibt bei seinem Terminplan. Morgen will es darüber entscheiden, ob der ESM in Kraft treten darf oder nicht. Den Zusatzantrag Peter Gauweilers, die Entscheidung zu verschieben, lehnten die Richter ab.

Gauweiler hatte seinen Zusatzantrag mit den Beschlüssen der EZB vom letzten Donnerstag begründet, in Zukunft unbegrenzt Staatsanleihen der Staaten aufzukaufen, die Unterstützung durch die Euro-Rettungsschirme erhalten. Mit diesem Beschluss ändert sich die Bedeutung des ESM. Er wird nicht nur Kredite verteilen, er wird auch für klamme Staaten die Tore zu den Gelddruckmaschinen der Europäischen Zentralbank öffnen. Das Zusammenspiel von ESM und EZB führt so früher oder später zu einer Inflationspolitik. (Ich teile übrigens weitgehend die Einschätzung des Commerzbank-Chefvolkswirts Jörg Krämer zu den Folgen dieser Politik: „Die EZB wird Deutschland zum Absturz bringen.„)

Das juristische Problem: Das Grundgesetz kennt kein Grundrecht auf stabile Währung. Das ist auch gut so, denn in Notsituationen (vergleichbar mit der Zeit nach 1945) ist es wenig sinnvoll, Inflation zu bekämpfen. Damit hat allerdings Gauweilers Zusatzantrag wenig Chancen und kann in der Tat schnell abgelehnt werden.

Die Probleme, die in den Hauptanträgen der Kläger gegen den ESM geschildert wurden, bleiben natürlich: die Unkündbarkeit, die unbeschränkte Haftung, der mögliche Missbrauch der eingeräumten Immunitätsrechte. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ob diese Regeln mit dem Grundgesetz vereinbar sind, bleibt spannend.

Aber zurück zur Inflation. Kann man gegen die EZB tatsächlich nichts machen, wie auch Franz Mayer in einem zweiteiligen Artikel im Verfassungsblog glaubt?

Ich meine doch. Sollte Draghi seine Ankündigung unbegrenzter Käufe von Staatsanleihen wahr machen, handelt die EZB außerhalb ihres in den Europäischen Verträgen festgelegten Auftrags, die Preisstabilität zu gewährleisten (Art. 127 AEUV). Gegen die EZB klagen können allerdings nur die Mitgliedsstaaten und die anderen Europäischen Institutionen.

Man braucht allerdings gar nicht den umständlichen Klageweg zu beschreiten. Der Bruch der Europäischen Verträge durch die EZB ist Rechtfertigung genug, gleich aus der Eurozone auszutreten. Auch aus nach der Intention unkündbaren Verträgen wie die zur Europäischen Währungsunion kann man gemäß völkerrechtlichen Grundsätzen aussteigen, wenn sich die Umstände grundlegend geändert haben und eine solche Änderung bei Vertragsabschluss nicht absehbar war. Eine solche (negative) grundlegende Änderung liegt aber mit der neuen EZB-Politik vor.

Deutschland hat allerdings nicht nur das Recht, aus der Eurozone auszutreten, aus dem Grundgesetz ergibt sich sogar eine Pflicht zum Austritt. Denn Artikel 88 GG besagt:

Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.

Die Möglichkeit an einer europäischen Währungsunion teilzunehmen, besteht demnach nur, solange die europäische Notenbank Preisstabilität als ihre erste Pflicht ansieht. Sobald dies nicht mehr der Fall ist, entfällt diese Möglichkeit. Der Bund muss umgehend wieder eine eigenständige Notenbank schaffen und die Bundesbank aus dem EZB-System lösen.

Frau Bundeskanzler, übernehmen Sie!


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13 Kommentare

  1. Tom Prager sagt

    Frau Bundeskanzler, übernehmen Sie!

    Die ist sicherlich für alles erste Wahl…

  2. Das Häschen sagt

    Just the facts, ma’am.

    Wie George Soros sagte*): ‚Deutschland soll/muss die Führungsrolle übernehmen oder austreten‘. Warum sollte Deutschland das tun? Wie kommt Deutschland dazu? Zuerst zahlen und dann die Arbeit machen, ist ein wenig viel verlangt. Ich denke es macht wenig Sinn sich ‚challengen‘ zu lassen.

    Es ist nicht anzunehmen, dass sich der Rest von Europa über einen längeren Zeitraum mit der ‚Führungsrolle‘ einverstanden zeigt, wenn überhaupt jemals wirklich, also bleibt die Alternative. Nüchtern betrachtet sagte Soros nicht viel anderes als der gesunde Menschenverstand. Obwohl ich nicht glaube, dass sich der Rest der Eurozone nach einer Abwertung schnell fängt, aber unverhofft kommt oft und Abwerten kann durchaus hilfreich sein.

    *)Unterstellt man, dass die Aussage ernst gemeint ist, ohne Hidden Agenda glaube ich nicht. Sie muss deswegen noch lange nicht falsch sein.

  3. Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, dass die EZB sich auf unglaublich dünnem Eis bewegt (ich höre es schon knirschen), allerdings hält es leider noch. Leider kann man erst dann nachweisen, dass die Preisstabilität gefährdet ist, wenn das Kind schon ganz weit unten im Brunnen liegt. Noch haben wir keine Inflation, aber ich teile die Befürchtung, dass sich dies in Zukunft wohl ändern wird.
    Die Selbstverpflichtung der EZB, nur dann Staatsanleihen zu kaufen, wenn das Land unter einen der Rettungsschirme geschlüpft ist, ist für mich ein starkes Indiz, dass es sich hierbei um versteckte Fiskalpolitik und nicht und Geldpolitik handelt. Für reine Geldpolitik kann der EZB das Verhalten der Staaten „egal“ sein. Aber auch das kann man nicht als Beweis für einen Mandatsbruch verwenden, da Draghi ja immer die Unabhängigkeit der EZB betont hat. Er könnte also durchaus auch einem Land unter dem Rettungsschirm den Kauf von Staatsanleihen verwehren (wohl derzeit Griechenland) oder ein Land außerhalb des Rettungsschirms weiterhin unterstützen (derzeit wohl Spanien und Italien). Ich denke ist gibt derzeit keine reelle Möglichkeit für einen Austritt, da ja irgendjemand diesen beantragen oder vollziehen müsste. Ich sehe aber in absehbarer Zeit keine deutsche Regierung, die sich zu dem (kleineren) Schritt einer Klage vor dem EuGH durchringen würde, von einem Austrittsverfahren ganz zu schweigen.
    Alles in allem ist die Situation derzeit wirklich schwer zu durchschauen und ich bin mal gespannt, was das Bundesverfassungsgericht dazu sagen wird. Meine Schätzung ist, dass der ESM durchgewunken wird, aber starke Auflagen zu erfüllen sind.
    Ach ja, ein kleiner Gedanke am Ende. Bei einem Dexit wäre der schöne Nebeneffekt, dass das ganze hinterzogene Schwarzgeld, welches jetzt auf Auslandskonten schlummert, wohl dann in Weichwährungseuro in den Büchern der Banken stünde und die Abwertung wohl mehr als die Steuer schmerzen würde.

  4. Wirtschaftswurm sagt

    „Leider kann man erst dann nachweisen, dass die Preisstabilität gefährdet ist, wenn das Kind schon ganz weit unten im Brunnen liegt.“ – Den Beweis, dass die Preisstabilität gefährdet ist, müsste man schon ausführlicher machen, als ich das hier im Blog überhaupt machen kann, das ist mir klar. Allerdings war der Verfassungsgeber bei Artikel 88 schon schlau. Artikel 88 hat sich nicht erst erledigt, wenn die Inflation bereits da ist und man eh nichts mehr machen kann. Artikel 88 hat sich bereits erledigt, wenn die EZB das Ziel der Preisstabilität nicht mehr als vorrangig ansieht. Und ein ganz entscheidendes Indiz hierfür ist das Wörtchen „unbegrenzt“. Wenn man bereit ist unbegrenzt Anleihen zu kaufen, kann man das Ziel der Preisstabilität nicht mehr vorrangig verfolgen. Aus dem Preisstabilitätsziel folgt immer eine Grenze.

  5. Das mit dem „unbegrenzt“ ist ein gutes Argument. Gefällt mir. Würde aber wohl immer noch nur als Indiz durchgehen, da Draghi ja gleichzeitig sagt, dass er den Geldfluss wieder sterilisieren wird. Aber zugegeben, inwieweit man unbegrenzte Anleihenkäufe wirklich sterilisieren kann, steht auf einem anderen Blatt. Ich bin auch eher in dem Lager zu finden, welches daran ernsthafte Zweifel hat.

  6. Pingback: Kleine Presseschau vom 12. September 2012 | Die Börsenblogger

  7. Blinse sagt

    Darf ich mal ganz unbedarft anfragen, was das heißt: Anleiheankäufe sterilisieren?

  8. Pingback: Die drei Grundprobleme der Eurozone - Chronokrator

  9. Wirtschaftswurm sagt

    Für die Anleihekäufe schafft man ja neues Geld. Dies „sterilisiert“ man, in dem man im normalen Geschäft der Zentralbank (also im Verkehr mit den Banken) weniger neues Geld herausgibt. Gelingt eine vollständige Sterilisation, hat sich die Zentralbankgeldmenge durch die Anleihekäufe nicht erhöht.

  10. Scharbein sagt

    Sollte man „unbegrenzt“ wirklich wörtlich nehmen, sondern nicht vielleicht eher als Signal an die Märkte sehen? Die SNB kauft ja auch „unbegrenzt“ Euro auf, aber natürlich nicht wirklich unbegrenzt…

    Und wenn obendrein eben tatsächlich großzügig sterilisiert wird, ist es dann nicht etwas überspitzt, gleich den Austritt wegen Aufgabe der Preisstabilität zu fordern?

  11. Wirtschaftswurm sagt

    Heute kam die Meldung, die Inflation in der Eurozone liegt bei 2,6 %. Das ist über dem Zielwert. Müsste da nicht die Geldpolitik restriktiver werden? Stattdessen wird eine neue Geldschleuse geöffnet.
    Was die Sterilisation anbelangt, beißt sich natürlich die Katze in den Schwanz. Wenn nun wirklich die Geschäftsbanken weniger Geld von der Zentralbank bekommen würden, dann gehen halt sie pleite. So wird das nicht funktionieren.

  12. Pingback: Zentralbankschweinerei, Deutschland Pflicht und der nahe Crash

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