Wirtschaftswurm-Blog

Eurotopia?

Eurotopia ist eine inzwischen 20 Jahre alte Idee des niederländischen Brauereibesitzers Alfred Heineken. Ist sie inzwischen realistischer geworden? Ralf Keuper hat im Blicklog eine Diskussion dazu angestoßen.

Aber was bedeutet Eurotopia eigentlich?

Heineken entwickelte die Eurotopia-Idee 1992. Demnach sollen die europäischen Nationalstaaten aufgelöst werden und eine dezentrale europäische Republik aus etwa 75 Regionen mit jeweils 5 bis 10 Millionen Einwohnern geschaffen werden.

Karte von Eurotopia mit Regionen

Karte von Eurotopia mit Regionen

Doch wozu?

Heineken sah die großen Nationalstaaten als Quelle von Unfrieden und Instabilität an. Konsequenterweise wollte er sie auflösen.

Heinekens Sicht ist allerdings veraltet. In einem Telepolis-Artikel habe ich mal festgehalten, dass Kriege heute nicht mehr aus Konflikten zwischen Nationalstaaten entstehen.  Fast ausschließlich entstehen sie heute aus innerstaatlichen Konflikten. Und das gilt auch in Weltregionen, in denen es keine Europäische Union gibt. Eurotopia löst also ein Problem, das bereits gelöst ist. Wahrscheinlich ist eher, dass es neue Konflikte schafft. So kann man trefflich über Heinekens Abgrenzung der Regionen streiten (z. B. Südtirol, Baskenland, Nordirland).

Nun verknüpft Ralf Keuper Heinekens Idee mit der Frage der europäischen Währungsunion. Und Detlef Gürtler spitzt das in den Kommentaren auf die Frage zu: „Wie muss ein Europa aussehen, das eine dauerhaft funktionierende gemeinsame Währung hat?“ Eurotopia ist für ihn die Antwort.

Allerdings ist die Fragestellung schon völlig falsch, wie bereits Wirtschaftsphilosoph feststellt. Die gemeinsame Währung, so wurde uns ja erzählt, sollte dazu dienen Frieden und Wohlstand zu sichern. Jetzt, wo sie darin gescheitert ist, kann sie nicht zum Selbstzweck werden, dem alles andere geopfert wird.

Man muss Folgendes sehen: Der Sozialstaat und die Demokratie haben sich historisch aus dem Nationalstaat heraus entwickelt (in Deutschland zugegeben mit einigen Umwegen). Beides ist eine Symbiose mit dem Nationalstaat eingegangen. Es ist daher vollkommen offen, ob und wie beides ohne Nationalstaat überleben kann.  Leute wie Detlef Guertler, die den Nationalstaat abschaffen wollen, werden darum wahrscheinlich am Ende nur die nützlichen Idioten spielen für diejenigen, die Sozialstaat und Demokratie für „sowieso überbewertet“ halten.

Für mich stellt sich inzwischen überhaupt die Frage, ob es Kompetenzen gibt, die sinnvoll auf einer gesamteuropäischen Ebene aufgehoben sind. Klar, vieles lässt sich nationalstaatlich nicht mehr regeln, Klimapolitik z. B. Aber für die Lösung solcher Fragen ist inzwischen selbst Europa zu klein. Sie brauchen eine weltumspannende Antwort.


Warning: count(): Parameter must be an array or an object that implements Countable in /home/www/wp-includes/class-wp-comment-query.php on line 405

3 Kommentare

  1. Detlef Guertler sagt

    Noch jemand mit Schwierigkeiten beim Lesen und logischen Denken. Ich will weder den Nationalstaat abschaffen noch auf dem Altar des Euro opfern. Ich habe „nur“ dargelegt, dass eine dauerhaft funktionierende gemeinsame Währung sich nicht mit den Nationalstaaten heutiger Prägung verträgt. Pelz waschen und trocken bleiben geht nun mal nicht, auch wenn noch ein paar EU-Krisengipfel das versuchen werden.
    Wenn da jemand ein nützlicher Idiot ist, dann Merkel, weil sie um jeden Preis den Euro retten will, ohne die politischen Folgen eines „Erfolges“ zu thematisieren.

  2. Das Häschen sagt

    Möchte gerne auf die Historie verweisen …
    http://www.euratlas.net/history/europe/index.html

    Möchte den Herrn Wurm nicht überbeanspruchen. Man finde eine Kombination die hielte. Es stimmt zwar, dass Österreich + Ungarn, dann aber bitte mit Rumänien, Solvenien und Kroatien zusammen eine Einheit könnte bilden, selbst dies bedürfte eines langwierigen Integrationsprozesses.

    Ich persönlich verstünde die Zentralisierung und die Organisation des Europäischen Finanzsystems mehr aus dem Blickwinkel, man sah am Beispiel Griechenland wie es nicht geht und versucht eine neue Architektur in der die anderen Länder Europas können geschwinder integriert werden. Wie heute beschlossen, … ich sehe den HWS in der Dezemberpräsentation in München vor mir, genau dieses Bild der skizzierte zeichnet sich ab. Ich denke es kommt 100%ig wieder der Versuch eine Blase zu bilden im Süden und ‚Alles wird gut‘ zu spielen. Das könnte durchaus zu der in Grafik gezeigten Konstellation führen, aber nicht zu einem homogenen Ganzen, jede Region hätte dann vermutlich eine andere Farbe.

    Ein Nationalstaat und eine Volkswirtschaft schaffen Wahrheiten.

  3. Pingback: Kleine Presseschau vom 7. September 2012 | Die Börsenblogger

Kommentare sind geschlossen.