Wirtschaftswurm-Blog

Licht und Schatten im aktuellen Ökonomenstreit

Es gibt Licht und Schatten im aktuellen Ökonomenstreit. Die Schattenseiten finden sich in der einseitigen und teilweise polemischen Berichterstattung von Handelsblatt und FTD und der ihnen angeschlossenen Wirtschaftsblogs. Licht dagegen sehe ich, wenn Linke und eher Liberal-Konservative eine gemeinsame Formel im Kampf gegen Bankenmacht finden.

Und mit den Schattenseiten anzufangen: Meine Kritik an Olaf Storbecks Schnellschuss im Handelsblog hat nichts genützt. Sein Vorwurf, der von den Professoren Sinn und Krämer initiierte Aufruf sei demagogisch, stand im Raum und wurde von anderen unreflektiert aufgenommen und durch Nationalismusvorwürfe ergänzt. Damit wusste dann auch der Netzmob, der ansonsten keine Ahnung hatte, worum es ging, über wen er herfallen sollte.

Aufhänger für die Vorwürfe war zum einen der Ausdruck „Haftung für die Schulden der Banken“ im Aufruf von Sinn u.a., der in der Tat mehrdeutig ist. Nun bewirkt aber jede Rekapitalisierung der Banken, dass die Gläubiger der Banken von Risiken freigestellt werden. Und eine fortgesetzte Rekapitalisierung bewirkt, dass sie schließlich von allen Risiken freigestellt werden. Daher kann man durchaus von einer Haftung des Steuerzahlers für die Bankschulden sprechen, selbst wenn (noch) keine rechtliche Verpflichtung vorliegt.

Die Vorwürfe konzentrierten sich ferner darauf, dass im Aufruf Wall Street und City of London als Nutznießer der Gipfelbeschlüsse benannt wurden. Nun, hier werden zwei bekannte Zentren der Finanzindustrie stellvertretend für die gesamte Branche genannt. Das ist ein durchaus legitimes Stilmittel. Ist es jetzt nationalistisch, zu analysieren, wer von einer Maßnahme profitiert und wer sie bezahlt? Wer das behauptet, der scheint vor allem an Dummheit und Unwissenheit interessiert zu sein.

Ein interessanter Kommentar zum Ökonomenstreit kam von David Böcking und erschien auf SPON. Damit leite ich nun zu den Lichtseiten über. David Böcking beobachtet, dass die Streitlinien quer zum üblichen Links-Rechts-Schema verlaufen. So stimmt Sarah Wagenknecht Hans-Werner Sinn in wesentlichen Teilen zu. Das kommt nicht von ungefähr. Tatsächlich ist Bankenkritik keine Domaine der Linken mehr. Die Unzufriedenheit mit den Machenschaften des Finanzsektors reicht bis weit in die mittelständische Unternehmerschaft hinein.

Für diese heterogene Koalition bieten sich meiner Meinung nach ordnungspolitische Gedanken als Klammer an. Die ordnungspolitische Forderung des Aufrufs „Banken müssen scheitern dürfen“ beschreibt recht gut einen möglichen Konsens der aktuellen Bankenkritik. Unter Linken wurde ja oft übersehen, dass Ordnungspolitik immer ein Doppelgesicht hat. Ja, sie wendet sich gegen nicht marktkonforme Eingriffe des Staates in die Wirtschaft, aber ja, sie wendet sich auch und genauso gegen Übergriffe von wirtschaftlicher Macht auf den Staat.

Während Ordnungspolitik also gegenwärtig der letzte realistische Halt für Linke ist, ist der einstmals linke Keynesianismus zum Gehilfen von Bankinteressen degradiert. Denn wenn von einer gefährlichen negativen wirtschaftlichen Dynamik die Rede ist, dann geht es kaum noch um die Folgen sinkender Nachfrage und um die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen von Arbeitslosigkeit. Gefährliche Kettenreaktionen scheint es für Keynesianer nur noch als Folge von Bankenpleiten zu geben.


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9 Kommentare

  1. Alex Hummel sagt

    Nun, da Sie jetzt stellvertretend für H.W Sinn die Erklärungs dessen übernehmen, was er und seine Mitstreiter mit ihrem Aufruf eigentlich gemeint haben, hätte ich noch ein Paar Fragen:

    Die Frage der „Haftung“ scheint ja geklärt zu sein – damit meint man, das die Rekapitalisierung durch ESM von von vornherein zum Scheitern verurteilt, und damit immer weitere Rekapitalisierungen notwendig werden, bis alle Bankschulden durch ESM übernommen worden sind. Halten sie es wiklich für ein realitätsnahes Szenario ? Immerhin haben ähnliche Programme im Ausland (TARP in den USA) , aber auch in Deutschland (Rekapitalisierung der Commerzbank, mündliche Garantie aller Anlagen durch die Bundesregierung) keine derart schlimme Ergebnisse hervorgebracht.

    Ein weiterer Vorwurf, denn man Herrn Sinn und seinen Mitstreitern zurecht macht, ist dass sie keine Alternativen aufzeigen. Die Befürworter der Bankenunion und weiterer ähnlicher Maßnahmen meinen, dass die Alternative zur Durchführung dieser Maßnahmen eine (wahscheinlich chaotische) Auflösung der Währungsunion ist. Meint Herr Sinn nun, dass die Währungsunion auch ohne diese Maßnahmen bestehen kann, so das diese überflüssig und gar schädlich sind, schlägt er andere Maßnahmen vor, um die Union zu erhalten, oder ist er der Meinung, dass es besser ist die Union tatsächlich aufzulösen? Darüber bleibt man nach dem Lesen des Aufrufs absolut im Unklaren, aber eigentlich sollte man es doch wissen, bevor man darüber mit seinem Bundestagsabgeordneten redet, meinen Sie nicht ?

    Bezüglich Licht und Schatten: es wird sie vermutlich nicht wundern, dass ich das Licht und die Schatten genau andersrum verorte – grundsätzlich sind die Emotionen aber wirklich hochgekocht – Sie z.B. bezeichnen Sinn-Kritiker als „Netzmob“, während Marc Schierlitz seine Befürworter als „Wutökonomen“ tituliert. Was schlimmer ist, weiß ich nicht so genau, ist wahrschenlich Geschmackssache.

    Und schließlich: was „Wall Street“ und „City of London“ angeht – kommt es nicht darauf an, wer als Stellvertreter für die gesamte Branche fungiert? Der Aufruf bekäme eine ganz andere Note, wenn man stattdessen z.B. einfach Bankenidustrie sagen würde, zumal es keineswegs erwiesen ist, dass die Gläubiger der spanischen Banken mehrheitlich in den USA und Großbritanien sitzen. Meiner Meinung nach sollte man gerade als Wissenschaftler auch der Wirkung der Wörter bewußt sein: was mit mit Wall Street und City of London beginnt, wird dann ganz schnell zum „angelsachsischen Finanzkapital“ und was danach kommt, brauche ich wohl nicht zu sagen…

  2. Wirtschaftswurm sagt

    @Alex Hummel,
    „Nun, da Sie jetzt stellvertretend für H.W Sinn die Erklärungs dessen übernehmen,“ – och, das mache ich doch gerne 😉

    „bis alle Bankschulden durch ESM übernommen worden sind. Halten sie es wiklich für ein realitätsnahes Szenario ?“ – Die im ersten Entwurf genannten 9,2 Billionen sind auch meiner Meinung nach nur ein rein theoretisches Maximum. Das Problem ist, niemand weiß, wie viele faule Eier in den Bankbilanzen tatsächlich stecken. Auch ich hab dazu keine Zahlen. Die Summen sind völlig ungewiss. Ich tippe aber darauf, dass die 700 Milliarden Kapital des ESM schnell verbraucht sind.

    „Meint Herr Sinn nun, dass die Währungsunion auch ohne diese Maßnahmen bestehen kann, so das diese überflüssig und gar schädlich sind, schlägt er andere Maßnahmen vor, um die Union zu erhalten, oder ist er der Meinung, dass es besser ist die Union tatsächlich aufzulösen?“ – So wie ich Sinn verstehe, geht auch er davon aus, dass eine Währungsunion nur unter den Staaten Sinn macht, die auch ohne exorbitante Hilfen mithalten können.

    „Sie z.B. bezeichnen Sinn-Kritiker als “Netzmob” – Nein, natürlich nicht alle Sinn-Kritiker, aber bestimmte Twitterer. Denen wollte ich allerdings nicht die Ehre einer Verlinkung zukommen lassen.

    „und was danach kommt, brauche ich wohl nicht zu sagen…“ – Hans-Werner Sinn ist kein Antisemit und mehr braucht man dazu nicht zu sagen.

  3. Alex Hummel sagt

    „Das Problem ist, niemand weiß, wie viele faule Eier in den Bankbilanzen tatsächlich stecken. Auch ich hab dazu keine Zahlen. Die Summen sind völlig ungewiss. Ich tippe aber darauf, dass die 700 Milliarden Kapital des ESM schnell verbraucht sind.“

    Na, ja etwas anderes als Tippen bleibt einem eben da eben nicht übrig, leider. Fälle TARP und Commerzbank/HRE sprechen, wie ich schon gesagt habe eine andere Sprache – grundsätzlich sind aber beide Ansichten legitim: wenn man etwas nicht weiß, kann man eben nur raten.

    „So wie ich Sinn verstehe, geht auch er davon aus, dass eine Währungsunion nur unter den Staaten Sinn macht, die auch ohne exorbitante Hilfen mithalten können.“

    Auch eine ganz legitime Ansicht – vorausgesetzt, man spricht es klar und deutlich aus, aber genau das wird von Sinn regelmäßig versäumt. Bliebe die Frage zu klären, ob der Übergang von der heutiger Union zu einer kleineren mit deutlich weniger Staaten überhaupt machbar ist, oder ob allein der Versuch zu einer Panik und folgenden chaotischen Totalauflösung führen würde ?
    Wie schon gesagt, nachdem man dich über diese Fragen klar wurde, aber erst dann, kann man zu seinem Abgeordneten gehen, denn erst dann wird die Diskussion konstruktiv.
    Im übrigen wäre interessant zu wissen, ob die Leistungsunterschiede zwischen Euro-Staaten tatsächlich größer sind als bei anderen (funktionierenden) Währungsräumen, Paul Krugman hatte dazu vor kurzeminteressante Berechnungen veröffentlicht.

    „Hans-Werner Sinn ist kein Antisemit und mehr braucht man dazu nicht zu sagen.“

    Oh, je – ich habe eigentlich eher Richtung „ausbeuterisches Großkapital“ gedacht. Sie haben allerdings Recht, man kann die Folge auch anders fortsetzen. Hier macht sich unsere unterschiedliche Herkunft bemerkbar 🙂
    Aber so oder so, gemeint habe ich nur, dass man als Wissenschaftler seine Worte doch sorgfältiger wählen sollte, denn sonst ist man schnell von bestimmten extremen Kreisen (linker Rand oder rechter Rand) instrumentalisiert, ohne dass man deren Ansichten teilt.

    P.S
    OK, diesen Rat sollte ich, Ihrer Reaktion nach zu urteilen, auch selbst beherzigen, aber mein Auditorium hier in diesem Forum ist viel viel kleiner als Sinns, also kann ich mir mehr erlauben.

  4. Das Häschen sagt

    Wo ist der Streit:). Streiten die Ökonomen? Weniger, die Medien puschen das Thema.

    Was wurde gliefert – 2 Meinungen die durchaus legitim sind.
    a) Die liberalen Denker mit ihrer berechtigten Kritik
    b) Die interessante Darstellung der Wirtschaftsweisen – die bald die Wirtschaftswaisen sein werden, da die Wirtschaft ‚verschwindet‘ unter den Geldbergen, aber auch ohne ihren Vorschlag würde dies passieren.

    Ich selbst habe beides interessiert gelesen a) Aufruf der Ökonomen zur Vernunft und b) das besagte Paper. Das Paper – Nach dem EU Gipfel: Zeit für langfristige Lösungen gibt Einblick und räumt mit einiger Verwirrung auf.

    Wir haben
    a) Bankenkrise
    b) Makroökonomische Krise
    c) Staatsschuldenkrise

    D.h. wir nehmen lieber den Dollar, denn da steht drauf was zu tun ist:) Die USA sind gegen die Europäer Waisenknaben, bezüglich der Banken.

    Es war möglw. nicht recht nett die Frau Merkel anzusprechen, die kann am wenigsten dafür und woher so soll sie es wissen – es geht um Kapitalismus und Ökonomie. Letzteres hat wenig mit Naturwissenschaft oder bindenden Gesetzmäßigkeiten zu tun;)

    Was bietet die aktuell angedachte Lösung. Keinen Fortschritt in Richtung – wir denken darüber nach was finanziert wird. Die Kapitalmärkte tun dies, wenigstens irgendjemand.

    Steht in dem Paper nicht in Wahrheit etwas ausgiebig dargelegt – Die Verstaatlichung des Europäischen Bankensystems?

    Ein Punkt macht mich stutzig – die Abwicklung der Banken*) … die sollen Pleite gehen meiner Meinung nach. Kapital gehört vernichtet, wenn zuviel da ist. Ein Bank geht nicht pleite wenn zuvor nicht das Geldvolumen (Geldmenge, aber nicht allein jene die notwendig ist die Realwirtschaftstransaktionen durchzuführen – dieser lächerliche Minibetrag) unnotwendig wurde aufgeblasen.
    Wenn die Europ. Politik mit Ideen von Keynes will operieren, dann muss sie zu einem Zeitpunkt zurück 70er Jahre – zu der Zeit in der noch wenig Geld im System war. In dem Punkt macht eine Investitionspolitik sinn, die Mittel müssen dann vernünftig eingesetzt werden. Aber mit dem Konstrukt schafft man allein die Aufrechterhaltung des Geldvolumens und besiegelt meiner Ansicht nach die Entwertung des EURO.

    Was war der Vorzug des EURO – Investitionssicherheit. Aber in einer globalisierten Welt, reicht es nicht die Investitionssicherheit im EURO Raum zu gewährleisten. Global ist global, aus diesem Argument kann eine Entwertung des EURO nicht akzeptiert werden.

    *)
    Die Verstaatlichung der Banken wäre eigentlich eine spannende Neuerung möglw. ein Schritt den auch Hans Olaf Henkel beschrieb, das Europa der 27 Geschwindigkeiten:), einige davon in dem sog. Nordeuroraum vereint. – am Rande bemerkt. Man kann ja nicht ein Argument das für Österreich gilt und selbst in diesem Fall bin ich mir gar nicht so sicher – gegen die ‚Übermacht‘ von Asien kann kein Land alleine bestehen – parallel dazu wird das spanische Stromnetz an Chinese Investoren verschachert – die vermutlich Dollar bringen.

    In der Analyse waren sich sämtliche liberale auch die sog. ‚Die Linken‘ einig. So weit entfernt voneinander sind Herr Sinn und selbst ein Herr Gysi gar nicht. Sowohl in der Analyse als auch Sicht der KMU und mit Bezug auf die Bürger werden die sich eher einig sein – aus unterschiedlichen Motiven beschreiten sie teils letztendlich ähnlich verlaufende Wege eine Lösung zu finden – die sich nähern. Bei bürgerlich liberalen Lösungsstrategien ist das Wohl der Bürgers eher ein Nebenprodukt – positiver Side Effect. Bei der Lösungsfindung ‚Der Linken‘ ist das Wohl des Unternehmens eher der Side Effect.

    Es kann aber nicht beiden in gleichem Maße gut gehen, daran scheitert die sog. soziale Marktwirtschaft in Kombination mit dem Modell – Geldmenge ausweiten + Kalte Inflation + Kalte Progression + Tax everything that’s popular + Erhöhe die Preise = generiere Scheinwohlstand. Nicht steuerbar. (im Sinne von lenken)

    Möglw. kann ein vernunftbegabter Markt (Menschen) ein Gleichgewicht der Interessen durchsetzen. D.h. aber dass man die global operierenden Unternehmen rauslöst aus den lokalen Volkswirtschaften. Die müssen viel mehr mit sinkenden Preisen zurecht kommen, schon viel länger. Das wird uns allen nicht ausbleiben und spießt sich ganz klar mit der ‚Sozial’politik der letzten Jahrzehnte. Es werden alle mit niedrigeren Preisen leben müssen, aber die Geschwindigkeiten auf der globalen Ebene sind andere, egal ob schneller oder langsamer von Zeit zu Zeit.

    Wenn man den Gedanken weiterspinnt, dann kommt man schnell zu Schluss, dass ,egal wie man dreht und wendet, Bankenrettung in dem Sinne falsch ist, da man damit eine fehlgeleitete Finanzierung der Sozialstaaten fördert. In dem Punkt würde ich gerne dem Paper der Wirtschaftsweisen hinzufügen – staatliche Bankenregulierung? Nein, bankliche Staatenregulierung – ja. Es spricht nichts dagegen dass das Preisniveau sinkt und die Gehälter harmonisch im gleich Ausmaß, aber zeitlich versetzt. Postive Wohlstandstdefiniton.

    Man kann das Blatt drehen und wenden wie man will. Kaum ein System schafft es aus eigener Kraft heraus, sinkende Preise und höhere Einkommen zu vereinigen. Es ist keine besondere Kunst Preise zu erhöhen und die Nettoeinkommen zu senken. Wir bekommen aber das Geld nicht in die Hände jener die investitionsfreudig sind, aber schon mal bewiesen haben, wenn auch im Kleinen, dass sie in der Lage waren Geld zu verdienen als Unternehmer. Sei es eine erfolgreiche Musikerin, sei es eine selbstständige Masseuse, sei es ein Fahrradladen oder wie auch immer. Das ist eigentlich der Kern und schlagende Vorteil des Kaptialismus.

    Möchte meine Gedanken mit einem Filmzitat beenden.
    Matt Farrell: Seriously, uh, you probably shouldn’t antagonize them, since they have all the loaded guns, and whatnot.
    Lucy McClane: Listen, will you just take a minute and dig deep for a bigger set of balls, ‚cause you’re gonna need ‚em before we’re through
    (Live Free or Die Hard)

    Also – was fehlt? Nicht Liquidität. Ein ganz klares zielgerichtetes Vorgehen. Aber Ringereihen tanzen in Brüssel ist nicht gemeint. Politiker müssen viel arbeiten, wer kein Ziel vor Augen hat… was soll rauskommen.

  5. Zu der Art und Weise, mit welchen Methoden unsere Politik uns “für Europa” “verhaftet”, hier konkret eine brandaktuelle Information, die in der öffentlichen Debatte leider untergegangen ist.

    In dem Artikel “Eurogruppen-Beschluss. Spanische Banken bekommen 30 Milliarden Euro” berichtete die Financial Times Deutschland* am 10.07.12 (http://www.ftd.de/politik/europa/:eurogruppen-beschluss-spanische-banken-bekommen-30-milliarden-euro/70061257.html):

    “Juncker äußerte die Ansicht, dass die Bankenhilfe für Spanien irgendwann in eine direkte Hilfe des ESM an die Geldhäuser umgewandelt werden kann. Dann würde die Finanzhilfe nicht länger den Schuldenstand des mit hohen Zinsen kämpfenden Landes in die Höhe treiben. Auch stünde dann nicht mehr die Regierung in Madrid für die Risiken gerade, sondern der ESM und mit den [gemeint wohl: „mit ihm die“] Euro-Staaten. Auch der französische Finanzminister Pierre Moscovici stellte in Aussicht, die Bankenhilfe rückwirkend auf direkte ESM-Finanzierung umzustellen.”

    Und was hatte unser Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dazu gesagt – lt. offizieller Webseite? (http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2012/07/2012-07-06-schaeuble-eurokritik.html; Hervorhebung von mir)
    “Schäuble widersprach der Kritik der Ökonomen, die Banken-Union würde eine kollektive Haftung für die Schulden der Banken des Euro-Systems bedeuten. ‘Im Kern GEHT ES JA NICHT DARUM, DIE HAFTUNG ZU VERGEMEINSCHAFTEN, sondern eine gemeinsame Aufsicht in Europa zu schaffen’.”

    Es dürfte sich vor diesem Hintergrund empfehlen, bei der Analyse jeglicher Aussage deutscher Politiker zur Eurokrise nunmehr als Arbeitshypothese die Annahme zugrunde zu legen, dass es sich um eine vorsätzliche Falschbehauptung handelt.

    *Auch wenn ich die FTD als Zentralorgan der Eurettungsfetischisten nicht eben liebe: die Informationen sind dort manchmal besser als anderswo. In anderen (deutschen) Online-Medien, die ich dazu gelesen habe, war der Bericht über die Brüsseler Sitzung der Finanzminister äußerst knapp, und ausgerechnet diese (in meinen Augen zentrale) Information fand sich darin nicht.

    En passant:
    Von den Bankenunionsfreunden, speziell unter den Wirtschaftswissenschaftlern (also konkret den Unterzeichnern der beiden Gegenmanifeste) hätte ich gerne mal gewusst, wie nach ihrer Meinung ein weitestgehend kreditfinanzierter Fonds (ESM) dauerhaft die Verluste für Bankenrekapitalisierungen tragen soll. Wer als deutscher Volkswirt hier von “TARP”-Gewinnen der US-Regierung redet, muss sich fragen lassen, warum er nicht die (für Spanien usw. sehr viel wahrscheinlicheren) Verluste à la HRE und Landesbanken anführt.
    Und da der ESM bei seinen Ausleihungen ja keine größere Zinsspanne einsacken soll, also keine nennenswerten Gewinne machen wird, gibt es auch kein Polster, aus dem sich die absehbaren Verluste aus Bankenrekapitalisierungen ohne Nationalstaatshaftung finanzieren lassen. Außer natürlich dem Eigenkapital, das dann ständig erhöht bzw. nachgeschossen werden muss.
    Aber dazu äußern sich die Kritiker des Aufrufs der Professoren Hans-Werner Sinn und Walter Krämer bezeichnender Weise nicht!

    Es dürfte sich vor diesem Hintergrund empfehlen, bei der Analyse jeglicher Aussage deutscher Bailout-Ökonomen (und Journalisten) zur Eurokrise nunmehr als Arbeitshypothese die Annahme zugrunde zu legen, dass es sich um eine vorsätzlich unvollständige Darstellung handelt.

    @ Alexander Hummel: Schade, dass sich Ihre Kenntnis der deutschen Problembanken im Wissen um die Commerzbank erschöpft. HRE und Landesbanken passen Ihnen wohl weniger in den Kram, gelle?

  6. Pingback: Kleine Presseschau vom 11. Juli 2012 | Die Börsenblogger

  7. Erich sagt

    Island hat mit ihrem Modell der Bankenrettung gute Erfahrungen gemacht. Natürlich auch erst nach einer Volksabstimmung, in der das europäische Modell der Bankenrettung abgelehnt wurde. Die Staatsverschuldung hat sich in Island nur wenig erhöht. Im wesentlich wurden zwar die Banken rekapialisiert, aber erst nach einer „Liquidierung der Schulden“. Die Gläubiger hatten das Nachsehen, aber die sollten sich ahalt vorher überlegen, wem sie ihr Geld leihen.

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