Fast eine Generalabrechnung mit der Volkswirtschaftslehre, die Malte Fischer im Handelsblatt online betreibt. Doch Fischer greift viel zu kurz. Um das festzustellen, hilft auch die Einleitung zu Hans-Werner Sinns neuestem Buch „Gefangen im Euro„.
Doch zunächst zu Fischer. Der stellt fest, dass die Volkswirtschaftslehre eine „inexakte Wissenschaft“ ist und macht daraus einen Vorwurf. Die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute nutzten den Spielraum aus, den die inexakte Wissenschaft gibt, um den Interessen der staatlichen Geldgeber gefällig zu sein.
Mit dem Euro-Kritiker Hans-Werner Sinn nennt Fischer dann aber auch gleich ein Gegenbeispiel. Sinn hat sich mit seinen Eurothesen in der Regierung ziemlich unbeliebt gemacht.
Doch was bedeutet „inexakt“ im Falle der Volkswirtschaftslehre? Es bedeutet unter anderem, dass man die Effekte einer bestimmten wirtschaftspolitischen Maßnahme nicht genau beziffern kann – weder im Vorhinein (in Prognosen), noch selbst im Nachhinein.
Bloß weil man eine Sache nicht quantifizieren kann, heißt das aber nicht, dass man gar nichts weiß. Die Volkswirtschaftslehre kann verschiedene Effekte einer Politikmaßnahme aufzählen und kann sogar meist sagen, welcher Effekt größer ist und welcher kleiner, welcher Effekt also überwiegt.
Beispiel Mindestlohn.
Es gibt primäre Effekte eines Mindestlohns und es gibt sekundäre Effekte. Die primären Wirkungen sind die unmittelbaren Effekte und überwiegen die mittelbaren sekundären Effekte.
Auf Seiten der Arbeitgeber gibt es zwei primäre Effekte eines Mindestlohns und sie gehen in die gleiche Richtung.
- Der Substitutionseffekt: Steigt der zu zahlende Lohn, so werden die Arbeitgeber bemüht sein, Arbeitskräfte zu ersetzen – durch Rationalisierung oder auch, indem sie lieber in Branchen investieren, die wenig arbeitsintensiv sind und in denen darum die Lohnkosten keine so große Rolle spielen.
- Der Einkommenseffekt: Da ein Mindestlohn die Gewinne der Arbeitgeber senkt, müssen diese sparen – bei ihrem persönlichen Konsum, aber auch bei der Zahl der in ihren Betrieben Beschäftigten. Leute werden entlassen.
Auf Seiten der Arbeitnehmer gehen die primären Effekte in gegensätzliche Richtungen. Der Lohn steigt (Einkommenseffekt), aber einige Arbeitnehmer verlieren ihre Stelle (Substitutionseffekt). Die Lohnsumme aller Arbeitnehmer kann darum entweder steigen oder fallen. Von der Tendenz her neutralisieren sich die beiden primären Effekte, so dass der Einfluss auf die Lohnsumme eher gering ist.
Sollte sich tatsächlich die Lohnsumme erhöhen, steigt aber die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Und das kann Arbeitgeber wiederum dazu veranlassen mehr zu investieren und neue Stellen zu schaffen.
Dieser Nachfrageeffekt ist jedoch ein sekundärer Effekt, schwach allein schon, weil er nur mittelbar eintritt. Zusätzlich schwach, weil er auf einem unsicheren und auf jeden Fall relativ kleinen primären Effekt aufsitzt. Ein solcher sekundärer Effekt kann nie und nimmer den primären Effekt, dass Stellen abgebaut werden, überwiegen.
Wer anderes behauptet ist dumm oder will verdummen.
Doch trotzdem die Sachlage eindeutig ist, wird in der Politik wild über den Mindestlohn gestritten.
An dieser Stelle schlage ich nun die Brücke zu Hans-Werner Sinns neuem Buch „Gefangen im Euro“. Eine Rezension dieses Buches folgt noch in ein paar Tagen, hier interessiert nur Sinns Einleitung, insbesondere zwei Zitate daraus:
„Die Existenz wirtschaftswissenschaftlicher Wahrheiten wird häufig in Zweifel gezogen, weil sich die Wirtschaftswissenschaften mit der Politik beschäftigt und Antworten gibt, die mit Ideologien und bloßen Werturteilen konkurrieren.“
Weiter aber:
„Nicht nur der Fall des Eisernen Vorhangs hat mich davon überzeugt, dass die Gesetze der Ökonomie sich letztlich durchsetzen werden. Mittel- bis langfristig ist keine Wirtschaftspolitik erfolgreich, die diesen Gesetzen widerspricht.“
Die Wirkung der ökonomischen Gesetze lassen sich also kurzfristig überspielen. Das nährt bei manchen Zweifel, ob sie überhaupt relevant sind.
Die Zweifler sind aber die Narren. Sie sind wie der Idiot, der einen Spatzen fliegen sieht und sagt:
Schau da. Was für einen Unfug die Physiker mit ihrer Schwerkraft erzählen. Da kann sich so ein kleiner Vogel, wie der Spatz es ist, in die Lüfte erheben und fliegen. Dabei ist die Erde doch ungeheuer riesig im Vergleich zum Spatzen. Und ihre Schwerkraft soll angeblich selbst den ebenfalls im Vergleich zum Spatzen riesigen Mond in eine Erdumlaufbahn zwingen. Was für ein hanebüchener Unfug!
Die Schwerkraft ist aber eine schwache Kraft und darum kann selbst ein Spatz sie überlisten. Doch sie ist zugleich allgegenwärtig und immerwährend auf der Erde. Die Energie und die Kräfte des Spatzen schwinden dagegen relativ schnell.
Genauso ist es mit den ökonomischen Gesetzen. Die ökonomischen Kräfte setzen sich nicht immer sofort durch und lassen sich kurzzeitig überwinden. Doch die ökonomischen Kräfte wirken überall und zu jeder Zeit und darum tragen sie langfristig den Sieg davon.
Sehr schön. Selten so viel amüsanten Blödsinn gelesen. Gratuliere!
Es freut mich, dass du dich amüsiert hast. Gegenargumente erkenne ich aber keine in deinem Kommentar.
Nimm’s polemisch: Ich sehe auch keine Argumente in Deinem Text!
Konkret betrachtet verweigerst Du Dich der Auswertung aller seriösen, empirischen Mindestlohn-Untersuchungen der vergangenen 20 Jahre – das spricht für sich. In keinem anderen Land in Europa und Nordamerika sind die von Dir geschilderten primären Effekte nachgewiesen worden. Was den Schluss zulässt, dass es sich bei Deinen Thesen um ideologisch gefärbte, modellhafte Annahmen handelt, die als empirisch widerlegt gelten dürfen. DAS ist Wissenschaft!
Das Beispiel mit dem Mindestlohn finde ich nicht so gut. Allerdings ist das Denken das „Wir Alle“ jemals Arbeit haben würden, von der Wir leben könnten, veraltet (Produktivität). Umfäirteilen, „Umgestaltung“ der Steuern sowie der „Soziale Errungenschaft“ und das „Verteilen der Arbeit auf mehreren Schultern“ in der Etappe sowie in der EU wären nötig.
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Ich kann der Kritik von Moxy nur voll und ganz zustimmen. Mit der Erläuterung ökonomischer Gesetzmäßigkeiten anhand der Wirkung des Mindestlohns hast Du ein denkbar schlechtes Beispiel gewählt, bzw. genauer: mit der Erläuterung der Wirkung eines Mindestlohnes anhand eines Simpel-Arbeitsmarktmodells aus dem Grundstudium Mikroökonomik. Ich weiß nicht, ob Dir klar ist, welche rigiden Annahmen deinem Arbeitsmarktmodell zugrundeliegen: Stets geklärte Produktmärkte, perfekte Substituierbarkeit der Arbeitskräfte untereinander und zwischen Arbeit und Kapital, vollkommene Voraussicht und Markttransparenz, keine Transaktionskosten bzw. Abbau und Aufbau der Arbeitskräftenachfrage zu null Kosten, Zahlen von Löhnen in Höhe des Grenzprodukts der Arbeit, Arbeitsangebot abgeleitet aus einem Arbeitszeit-Freizeit-Modells der Arbeitnehmer u.s.w. Nicht zu vergessen, dass die versteckten Lohnsubventionen im Niedriglohnbereich durch staatliche Sozialleistungen im Modell nicht auftauchen (können). Natürlich hat Sinn recht, wenn er sagt, dass sich ökonomische Gesetzmäßigkeiten nicht aushebeln lassen. Nur sehen diese wohl etwas anders aus als jene, die sich aus deinem Modell ergeben. Die von Moxy erwähnten empirischen Studien belegen das so eindeutig, dass – ich zitiere Dich hier mal sinngemäß – jeder der Simpelmodelle des Arbeitsmarktes mit den Gesetzen der Schwerkraft vergleicht und mithilfe dieser Naturgesetze der Ökonomie herleiten will unwissend ist oder absichtlich Unwissen verbreitet.
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Ich habe gar nicht das Thema Mindestlohn als Schwerpunkt meines Artikels beabsichtigt, trotzdem stürzen sich jetzt alle Kommentatoren auf dieses Beispiel. Nun denn, dann will ich noch einmal ausführen, wie ich das gedacht habe.
Ich habe geschrieben, dass aus ökonomischen Gesetzmäßigkeiten heraus völlig klar ist, dass ein staatlich vorgegebener Mindestlohn negative Auswirkungen haben muss. Ich habe allerdings auch bestätigt, dass die Volkswirtschaft keine quantifizierbaren Aussagen machen kann. Das lässt die Möglichkeit offen, dass die negativen Auswirkungen zumindest klein sein.
Außerdem wollte ich klar machen, dass sich die ökonomischen Wirkungen oft erst langfristig zeigen. Beim Beispiel Mindestlohn behindern vielleicht kurzfristig hemdsärmelige „Das-wird-schon“-Fehleinschätzungen bei den Arbeitgebern oder Kündigungsschutzbestimmungen, dass Leute entlassen werden. Langfristig sieht das anders aus.
Aus den beiden Gründen und zudem aus methodischen Gründen kann man wahrscheinlich auch in empirischen Studien die negativen Wirkungen des Mindestlohns nicht eindeutig feststellen.
@Andreas, die von dir genannten rigiden Annahmen brauche ich nur, um das Ergebnis mathematisch herleiten zu können. Die Mathematik kann in der VWL aber auch nur ein Indiz liefern, keinen Beweis. Ich habe Malte Fischer ja nicht in seiner Einschätzung widersprochen, die VWL sei eine „inexakte“ Wissenschaft.
Also irgendwie steht da oben noch aus, dass „die Volkwirtschaftslehre(sic)“, die nicht mit Wissenschaften zu verwechseln ist, irgendeines ihrer Gesetze jemals belegen(!) konnte.
Die „nicht quantifizierbaren“ Gesetze, die du oben nennst, werden ja auch behauptet, statt benannt.
Behaupten kann ich auch viel. Beispielsweise, dass der Spatz eine Dichte von deutlich unter 0,0012 g/ml liegt und der Spatz diese nach belieben anpassen kann, also im weitesten Sinne schwimmt….ist aber Quark, kann man auch beweisen…so ist das mit der Physik… Siehst du die Parallelen bzw. eben nicht? ^^
Gruß
Also, wenn ich sie richtig verstehe, hat die Wirkung ökonomischer Maßnahmen eine derart hohe Potenz, dass weder der Wirkstoff noch die Wirkung nachweisbar sind! Ui, das hat mein Eso-Herz derart erfreut, dass ich glatt eine Überdosis Globuli verschluckt habe! Hoffentlich haut mich die Wirkung jetzt nicht um …
P.S: Die ökonomischen Schockwellen der Einführung der Mindestlöhne in anderen Ländern, insbesondere der USA, haben aufgrund einer verhängnisvollen Ressonanzwirkung die weltweite Finanzkrise ausgelöst – das konnte ich aus meinem Kaffeesatz einwandfrei herauslesen!
Ganz offensichtlich habe ich hier einige Leute in Rage gebracht. Getroffene Hunde bellen bekanntlich.
Arne, du musst jetzt ganz tapfer sein. Schon wieder ein Kommentar ohne Argumente von mir. Aber es ist völlig sinnlos mit dir über den Mindestlohn zu argumentieren. Ich gehe ja auch nicht in die Kirche und erkläre dem Pfarrer den Teufel gibt’s nicht. Trotzdem finde ich eine ökonomische „Wissenschaft“ ohne Arnes langweilig. Also schön weitermachen mein Lieber!
Wenn der Mindestlohn so toll ist, warum machen wir dann nicht gleich einen Mindestlohn von 10€? Aber halt, irgendjemand hat auch mal ausgerechnet, dass 10 € nicht reichen, um eine Rente über Sozialhilfeniveau zu bekommen, also sollte der Mindestlohn doch mindestens, allermindestens 12€ betragen.
Bitte erklärt mir, warum gerade 8,50€ der ideale Mindestlohn ist!
Nur kurz:
1. Naturgesetze und Wirtschaftsgesetze zu vergleichen macht keinen Sinn. Ein Mensch kann sich entscheiden. Ein Stein überlegt nicht, ob er runterfällt und wägt ab, dass er kaputt geht!
2. Inexakt ist die VWL wegen der verdammten Annahmen. Um es auf Naturgesetze zu übertragen. Wenn man die Annahme der Schwerelosigkeit voraussetzt (Macht im All vielleicht Sinn), wird man wenig Erfolg bei der Beschreibung der Realität auf der Erde haben.
3. 1 und 2 wollte ich schon gestern schreiben. Beim Mindestlohn ist mein Ansatz ein anderer. In der VWL spricht man davon, dass Wettbewerb und Konkurrenz dazu führen, dass schlechte Anbieter ausscheiden und gute Anbieter sich durchsetzen. Problem: Schlechte Arbeitnehmer verschwinden nicht! Nie! Nieeeeemaaaals! Höchstens im Gefängnis oder der Klapse. Vielleicht Totgetrunken. Herzinfarkt oder so – aber ansonsten NIE!
Diese Annahme in der VWL, dass der Preis ein Gleichgewicht herstellt, mag überall gelten wo Produkte oder Dienstleistungen auch gänzlich verschwinden können. Niemals jedoch dort wo etwas im Grunde nicht verschwinden kann. STAATEN! MENSCHEN! Die verschwinden nicht – die überleben sogar ein Jahrhundert Sozialismus! Ich hasse diese Modell-Annahme die das nicht berücksichtigt. (Sorry das musste raus!)
8,50 ist der ideale Mindestlohn, weil es der Kompromiss aus denjenigen die mehr und jenen die weniger oder gar keinen wollten ist. Wäre der Kompromiss 8,25 oder 8,75 würde ich einen Mindestlohn von 8,25 oder 8,75 als ideal bezeichnen. Das nennt sich Demokratie. Ich persönlich hätte mir lieber eine Staffelung bei der Einführung gewünscht. 6, 7, 8, 9, oder so. Damit es niedriger losgeht und auf ein gewisses Maß ansteigt. Und zwar weil damit jetzt am Anfang nicht so große Probleme auftreten und am Ende vielleicht sogar mehr erreicht wird. Ist jetzt halt nicht. Also gut.
P.S. Wenn man über den Tellerrand schaut, sieht man, dass das auch kein Problem der Wirtschaftswissenschaften alleine ist. Das tritt bei jedem Grenzwert auf und die Frage kann man immer stellen, wieso genau 8,50 Euro Mindestlohn die Grenze sein soll.
1. Bis zum wievielten Monat sollen Schwangerschaftsabbrüche erlaubt sein? Wieso sind genau 3 Monate richtig?
2. Ab welchem Alter sollen Menschen volljährig sein? Ist genau 18 richtig?
3. Abgasgrenzwerte, Grenzwerte bei Lebensmitteln, usw.
Tja, Grenzbetrachtungen sind so eine Sache, aber wenn man mal speziell über die Westgrenze von Deutschland nach Frankreich schaut schafft dort gerade ein Präsident genannt Hollande der ja sich doch stark im Wahlkampf für eine Erhöhung des Mindestlohns eingesetzt hatte, dadurch Jobs, in dem er diese bis zu 75% durch staatliche Zuschüsse subventioniert.
Also ich fasse mal zusammen, Mindestlohn vernichtet keine Arbeitzplätze aber mit Subventionen kann man dann doch welche Erzeugen die es doch sonst nicht gäbe. Komische Logik….
Ja und wenn schon Mindestlohn dann doch bitte langsam einführen so wie die Engländer, dann kann man jederzeit die Notbremse ziehen insbesondere wenn es gerade konjungturell nicht so klappt, schließlich gibt es eine menge Firmen die zum Teil auf Kannte genäht sind. Wenn die dann plötzlich höhere Löhne Zahlen müßen sind die Insolvent bevor sie die Kurve schaffen falls diese nicht nur imaginär ist und sich dahinter eine Wand verbirgt.
Moin Arne,
ich wundere mich ein wenig über Deine Thesen, die die Ökonomie der Naturwissenschaft gleichstellen. Ja, es gibt Gesetze in der Ökonomie. Die gelten aber nur in den Modellwelten. Nahezu alle ökonomischen Modelle fallen durch die „Modelltests“, wenn man naturwissenschaftliche Maßstäbe ansetzt.
Ich habe kürzlich das 9. Kapitel von Wilsons Buch „Die Einheit des Wissens“ gelesen. In diesem Abschnitt beschäftigte sich er Naturwissenschaftler 1998 bereits mit der Kritik an der Ökonomie in einer Form, die heute noch aktuell ist.
Können wir ja nächste Woche in Berlin diskutieren.
Da wir eh keinen Mindestlohn bekommen führt die Diskussion hier eh nicht weiter…. 🙂
@mister-ede, @Dirk, letztlich ist der Mensch auch Teil der Natur. Und ja, ich denke, es gibt allgemeine Muster des menschlichen Verhaltens, die unabhängig von kultureller Prägung sind. Das Streben nach Eigennutz ist ein solches Muster. Ich will damit nicht das komplette menschliche Verhalten erklären, aber wenn man es außer acht lässt, blendet man einen entscheidenden Teil aus und kann keine Wirtschaftswissenschaften betreiben.
Mit der Erwähnung der Schwerkraft habe ich euch aber auch auf die falsche Fährte gebracht. In den Wirtschaftswissenschaften gibt es nichts, was man so exakt berechnen kann, wie die Physiker die Schwerkraft. Ein besserer Vergleich wäre darum wohl die Evolutionstheorie. Sie ist auch nicht-mathematisch und aus ihr lassen sich auch keine Zukunftsprognosen ableiten. Und tatsächlich gibt es ja sogar Menschen, die die Evolutionstheorie anzweifeln.
@PBD, ja, ich hatte ja schon vor längerem einen „Kompromissvorschlag“ zum Mindestlohn hier im Blog gemacht, der genau deinen Vorschlag beinhaltet: „Mindestlohn: Warum nicht mal eine pragmatische Lösung?“
Noch mal @Dirk, nein, ich bin dieses Jahr nicht in Berlin auf der re:publica.
„Ich will damit nicht das komplette menschliche Verhalten erklären, aber wenn man es außer acht lässt, blendet man einen entscheidenden Teil aus und kann keine Wirtschaftswissenschaften betreiben.“
Ja ganz genau meine Meinung. Stellt sich die Frage, wieso das nicht im Artikel steht. Dort wirkt es eher so, als ob der Mensch gar keinen Willen hat. Meine Einlassung ist, dass ein Mensch die Fähigkeit hat, frei zu entscheiden im Gegensatz zu einem Stein. Die Maximierung des Eigennutz ist z.B. ein gutes Beispiel. Zum einen weil Naturgesetze nie vom Nutzen abhängen. Für eine chemische Reaktion oder das Wirken einer physischen Kraft spielt es nie eine Rolle ob es den Objekten nutzt. Zum anderen weil der Nutzen eine menschliche Bewertung ist. Was mit dem Eigennutz gemeint ist, hängt von der individuellen Vorstellung von Nutzen ab (z.B. Schönheitsideale).
Die Hirnforscher sind ja inzwischen der Meinung, dass Glück prinzipiell messbar ist. Letztlich eine Sache der Hirnströme. Den „freien Willen“ mag es irgendwie geben und auch nicht. Wenn man das große Ganze betrachtet, scheint er zumindest irrelevant.
„Mit der Erwähnung der Schwerkraft habe ich euch aber auch auf die falsche Fährte gebracht. In den Wirtschaftswissenschaften gibt es nichts, was man so exakt berechnen kann, wie die Physiker die Schwerkraft. Ein besserer Vergleich wäre darum wohl die Evolutionstheorie. Sie ist auch nicht-mathematisch und aus ihr lassen sich auch keine Zukunftsprognosen ableiten. Und tatsächlich gibt es ja sogar Menschen, die die Evolutionstheorie anzweifeln.“
Ich glaube ja, die Evolutionstheorie ist eine gute Spur, vielleicht etwas anders als Du gemeint hast. Ich habe das Buch „Die soziale Eroberung der Erde“ von Edward O. Wilson gelesen. Darin stellt mit seiner „Theorie der Multilevel-Selektion“ eine gute Grundlage für das Verhalten vor, das mE auch in die Ökonomie einfließen könnte. Immer wenn ich etwas Zeit finde, bereite ich meine Gedanken dazu für einen Blogreihe vor. Das dauert aber noch.
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Damit blenden Sie jetzt genau wieder den Menschen als Faktor aus und das macht für mich keinen Sinn. Ethische Werte spielen im Handeln vieler Menschen eine Rolle und da Eigennutz damit auch bedeutet „sich wohl fühlen“ oder „in den Spiegel schauen zu können“, besteht bei den meisten Menschen ein Teil des Eigennutzens auch in der Steigerung des Gemeinwohls.
Nicht ökonomische Gesetze bestimmen das menschliche Handeln, sondern der Mensch bestimmt mit Gesetzen das ökonomische Handeln! Und das gilt insbesondere bei einer Betrachtung des Großen und Ganzen.
Ichgendwie hab ich den Eindruck bei dem Vergleich zwischen Physik und Ökonomie ist die Vorstellung von der Physik noch viel zu sehr von der klassischen Physik geprägt in dem der Beobachter von außen, ohne das es zwischen ihm und dem zu beobachtendem Objekt einen Zusammenhang gäbe, Autonom den physikalischen Gesetzmäßigkeiten unterlegen ist. Dieses von einer deterministisch geprägten Weltsicht ist auch in der Physik schon lange überholt. Der Beobachter ist auch hier schon lange Teil des Systems und um so schwieriger ist es geworden sich auch hier ein klares Bild über die Welt zu verschaffen. Aber trotzdem scheint es doch so zu sein das dieser „Rückkopplungseffekt“ in der Ökonomie natürlich weit dramatischer ist als in der jetzigen Physik. Dieser Sachverhalt mag aber auch das Lebenselixier für die Ökonomie sein die auch in Zukunft eine eigene Daseinsberechtigung haben wird ohne das der Ökonom angst haben müsste ökonomische Gesetze würden sich irgendwann einfach aus physikalischen Gesetzen herleiten lassen.
Armer Wirtschaftswurm. Kaum steckt man den Kopf nach dem fruchtbaren Mairegen aus der Erde sind auch gleich die Vögel zur stelle.
Man braucht den Fischen nicht zu erklären wie sie schwimmen. Wirtschaft funktioniert einfach aber nicht einfach. Ein Unternehmer kann sich nicht um die Welt kümmern. Möglw. können, wenn ein paar den Kopf zusammenstecken in einem Tal bspw. ein stimmiges Konzept umsetzen das eine größere Zahl an Touristen anlockt oder überzeugt wiederzukommen.
Viel schwieriger ist es schon zu sagen, ‚Wir planen für eine bestimmte Menge an sportbegeisterten Humanoiden mit den Eigenschaften (X, Y,Z, …) zu locken, den entsprechenden Ausprägungen im gewünschten Wertebereich vorausgesetzt und die erfreuen sich dann an dem für sie geplanten Urlaubserlebnis.‘ Jetzt wird jeder lachen der das liest.
Wie läuft es in Wahrheit. Sie haben eine stimmiges Umfeld, die ein oder andere Attraktion und die Leute kommen mal. Dann dann startet ein dynamischer Prozess in dem sich auf neue auftretende Bedarfe wird reagiert. Sie wissen nicht wer kommt … sie wissen nicht wie das Wetter wird … Man kann glauben und hoffen. Auf jeden Fall müssen sie überzeugen. Überzeugen kann man nicht mit Mindestlohnempfängern. Über ein höheren Preis können sie allein Kunden ausschließen, aber nicht einschließen.
Stellen wir uns vor das Konzept funktioniert.
Was macht ein ‚Ökonom‘, er erstellt ein Modell. Er sucht sich ein stabiles Umfeld. Sagt Schnee gibt es nicht das ganze Jahr und das Wetter ist auch nicht wirklich prognostizierbar. Wir wissen die Niederschlagsmenge ist aber konstant übers Jahr – blöd ist es wenn es im Sommer regnet. Wir suchen uns ein passendes Umfeld und schließen diese Umwegsamkeiten aus. Gesagt getan unser Schigebiet wird in die Wüste von Nevada verlegt, denn Sand gibt es dort immer und die Niederschlagsmenge ist genauso konstant. Es gibt keinen Regen und keinen Schnee. Dort errichten wir ein Langlaufgebiet , färbeln den Sand weiß ein und nennen den Sand Schnee. Damit das Ganze funktioniert tun alle Gäste nurmehr Langlaufen, denn sie sollen schon die Erhabenheit unserer planwirtschaftlichen Kreativität schauen.
Ich bin ein Fan des Mindestlohns, aber nicht für die selbe Arbeit. Wenn allein der Mindestlohn noch das Überleben in einem Job sichert, dann ist der Job tot. Die Frage ist, ob die Arbeit dahinter tot ist. Das ist etwas ganz anderes.
Mein persönlicher Zugang ist – Ein Unternehmen ist ein Zusammenschluss von qualifizierten Humanoiden (Landwirtschaft ausgenommen) die nach außen hin gemeinsam Auftreten mit dem Ziel ein komplexeres Ergebnis zu liefern. Alles andere ist kein Unternehmen. Aus systemtheoretischer Sicht muss das Ergebnis mehr als die Summe der Einzelteile sein. Außerhalb dieses konkreten Umfelds gibt es den sog. ‚Pfusch‘. Erwirtschaftung von Zahlungsmittel außerhalb der Höhe des aktuellen Einkommens. Jetzt habe ich die Logik unseres Umverteilungsprozess derfrom verstanden, wenn jemand nach einer gerechteren Verteilung strebt, dann muss er selbst im Falle er gebe nur Erspartes aus, sofort einen Prozess auf den Weg bringen diesen Tauschmittelabgang wieder zu kompensieren (die Stärkung der realen Kaufkraft wirkt ähnlich – das war früher die Erhöhung des Nettoarbeitseinkommens). Der unselbstständig erwerbstätige Konsument kann nicht investieren in der Breite. Jetzt haben sie aber das Problem, zum Schutze der wirtschaftlichen Strukturen werden Unternehmen gefördert und der Erwerb außerhalb der täglichen Arbeit ist in der Praxis zumindest unattraktiv gemacht worden. Planbarkeit:)
btw: Es gibt keine hohe oder niedere Qualifikation. Man ist qualifiziert oder nicht bestenfalls noch mehr oder weniger.
Oder. Unsere Wettbewerbshüter erkannten – am Internet sind alle Preise gleich – das riecht nach Absprache:). Wenn die Jungs jemals sich mit dem Wettgeschäft hätten beschäftigt, außerhalb der Finanzmarkttheorie so wüssten sie – dass sich Wettquoten sobald sie einfach Zugang zu dieser Information haben angleichen. Was passiert in der Realwirtschaft ? Vergleichbarkeit. Die Dynamik ist eine andere. Sobald sie vergleichbare Preise haben, gewinnt derjene mit dem dickeren Konto, d.h. der auf Sicht kreditwürdigere – egal wie diese Kreditwürdigkeit zustande kommt – hat die Nase vorne. Wenn dann die zuvor ‚teure‘ Konkurrenz aus dem Markt wurde gedrängt steigen die Preise. Ob jetzt für den Kunden dabei ein günstigere Lösung herauskommt steht in den Sternen, von nicht lokalen Optima ganz zu schweigen. Aber Politiker preisen das noch als Globalisierung … Globalisierung ist etwas anderes. Anreicherung des Product Mixes um fremdartige und damit quasi neue Produkt entlang des lokalen Preisniveaus.
Es gab in Österreich eine Regel, ‚Alte Konzepte werden gefahren solange sie sich irgendwo und irgendwie rechnen‘. Aber nicht die Realität anpassen an die Rentabilität.
Ökonomen können bestenfalls sehr große Zusammenhänge überblicken helfen oder auch keinen Zusammenhang feststellen. Es ist auch wichtig, dass man sich anders verhält als das Modell. Wenn Ameisenbär kommt, dann ist es ganz gut wann man weit weg vom Schuss ist, denn der Ameisen läuft nicht der einzelnen Ameise nach, wenn er die große Masse zur Wahl hat.
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Zitat:
Der Einkommenseffekt: Da ein Mindestlohn die Gewinne der Arbeitgeber senkt, müssen diese sparen – bei ihrem persönlichen Konsum, aber auch bei der Zahl der in ihren Betrieben Beschäftigten. Leute werden entlassen.
Kein Hinweis auf Empirie, sondern ein Gedanke:
Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitgeber gleich, die Kosten steigen also bei allen in gleicher Weise, daher werden und können sie entsprechend die Preise erhöhen und nicht etwa sparen. Die Höhe dieser Preiserhöhung ist abhängig von dem Anteil der Beschäftigten an der Gesamtschäftigung, für die der Mindestlohn von Relevanz ist, dies führt in der Gesamtsumme zu einem Umverteilungseffekt: Der Mindestlohn verringert die Lohnspreizung und führt zu einer Erhöhung der Inflation. In einem deflationären Umfeld also eine sinnvolle Maßnahme.
Der Fehler ist ein typisches Beispiel für den Unterschied zwischen einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Betrachtung, ein Fall eines Konkurrenzparadoxon, die Umkehrung des Beispiels aus der Wikipedia:
Lohnpolitik: Für jedes einzelne Land gilt: Durch eine zurückhaltende Lohnpolitik kann ein Staat seine preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Staaten im Vergleich verbessern. Daraus folgt aber eben nicht, dass, wenn alle Staaten gleichzeitig eine zurückhaltende Lohnpolitik betreiben, auch alle ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern (können).
Wenn die Arbeitgeber die Preise erhöhen können, dann verlagert sich der Einkommenseffekt nur auf die Verbraucher. Die müssen jetzt sparen. Der Effekt ist im Wesentlichen derselbe.