40 Vereinigungen von Wirtschaftsstudenten aus 19 verschiedenen Ländern wollen einen Kurswechsel. Ihnen stinkt, wie die Volkswirtschaftslehre an unseren Hochschulen vermittelt wird. In einem Aufruf kritisieren sie eine „besorgniserregende Einseitigkeit“ und „fehlende intellektuelle Vielfalt“. Und sie fordern mehr theoretischen und methodischen Pluralismus sowie mehr Interdisziplinarität.
Hintergrund ist natürlich, dass sich das Volkswirtschaftsstudium immer noch hauptsächlich mit neoklassischen Modellen beschäftigt, in denen der „homo oeconomicus“ vollkommen rational und mit ausgefeilten mathematischen Hilfsmitteln seinen Nutzen maximiert. Ob sich allerdings, wie die Studenten behaupten, die Dominanz der neoklassichen Modelle „in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verschärft“ habe, bezweifele ich. Als jemand der 1996 seinen Abschluss gemacht hat, kann ich sagen: Die Dominanz war schon in den 90er Jahren erdrückend.
Es ist richtig, dagegen aufzubegehren.
Die Forschung ist in den letzten Jahren schon pluralistischer geworden. Beispiele:
- Die Verhaltensökonomie, die nachschaut, wie Menschen in experimentellen Situationen tatsächlich reagieren, hat zu wichtigen Erkenntnissen geführt. Die wieder aufgeflammte Diskussion über ein Experiment, in dem Studenten über die Tötung von Labormäusen zu befinden hatten, zeigt aber: Die Interpretation der Versuchsergebnisse ist häufig schwierig.
- Die viel diskutierten Bücher von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff („Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen
“) und nun von Thomas Piketty („Capital in the Twenty-First Century
“) ziehen ihren Erkenntnisgewinn aus datengefütterten historischen Studien.
Der neue Pluralismus der Foschung sollte auch in der Lehre seinen Niederschlag finden, zumal zu erwarten ist, dass neue Erkenntnisse auch in Zukunft eher abseits der ausgetretenen Pfade der Neoklassik zu erwarten sind.
Wer meinen Beitrag „Die ökonomische Schwerkraft“ gelesen hat, wird sich jetzt vielleicht wundern, denn dort argumentiere ich eher im Sinne der Neoklassik. Im Grunde genommen war dieser Beitrag aber nur eine Warnung, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten. Denn das Nachdenken darüber, welche wirtschaftlichen Anreize man mit bestimmten Politikmaßnahmen wie z.B. dem Mindestlohn auslöst, wird nach wie vor wichtig bleiben!
Auch wenn ich mir Fabian Lindners Zustimmung zum Studentenaufruf (im Blog Herdentrieb) durchlese, kommen mir Zweifel, ob jeder Beifall für den Aufruf ein guter ist. Lindner kritisiert in dem Beitrag ökonomische Modelle von Paul Krugman und Gauti Eggertsson, in denen eine reine Gütertauschwirtschaft ohne Geld betrachtet wird. Wie, so fragt sich Lindner, soll man damit Finanzkrisen erklären?
Anscheinend können das aber Krugman und Eggertsson und das ist ja schon für sich interessant. Das widerlegt zumindest jene, die sämtliche Schuld den Banken und „unserem Geldsystem“ zuschreiben.
Die Modelle von Krugman und Eggertsson muss man als das verstehen, was sie sind: Abstraktionen. Manche Sachen werden weggelassen, damit man andere wiederum umso klarer analysieren kann. Das ist wie in der Autowerkstatt. Da muss man meist auch erst das Getriebe ausbauen, um die Kupplung zu Gesicht zu bekommen (und zu reparieren).
Einzuüben, wie man abstrahieren kann, muss auch weiterhin von Volkswirtschaftsstudenten gelernt werden.
Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!
Mir drängt sich der Verdacht auf, dass die jungen Leute mehr Unterhaltung wollen. Die sei ihnen vergönnt. Ökonomen müssen nicht alte Männer mit lustigen Bärten sein … aber gut.
Aber allein da Ideen und Konzepte am ersten Blick sympathischer erscheinen und den Zeitgeist eher treffen, so sind sie doch nicht zwingend ein große Trommel aus der man sich bunt gefärbte Bauklötze rausholt und beliebig zusammensteckt.
Ökonomie erstes Jahr – prügle festgefahrene Denkmuster aus den Hirnen der Studenten und lerne zu lernen. Wenn Deutschland etwas braucht, dann eine kritische Lehre. Das wäre ein verbindendes Element.
Die Klassiker sind obsolet selbst Keynes, da der gute Keynes schon noch von Geld ausging.
Keynes ist = Wie betreibe ich das Griokonto Staatschulden koste es den Bürgern Kaufkraft was es wolle und deren Zukunft sowieso. Was ist das ungelöste Problem?
Wie bemisst man die Verwendung von Lebenszeit und wieviel Tauschmittel repräsentiert investierte Lebenszeit? Da kann man philosphieren oder zum Schluss kommen – wir wollen das jeder Möglichst wenig investiert. Das ist mein Zugang.
Ich persönlich sehe Tauschmittel als Mittel zum Zweck die Ressourcenentnahme aus dem Ökosystem Erde zu begrenzen. Da wir ja wissen, dass der Mensch keine Maß und kein Ziel kennt. Welcher Student steht nach sein Studium auf und ruft, ‚Beim Barte des Hans Werner – Was für einen Unsinn treibt ihr alle!‘ und versucht andere zu überzeugen und selbst neue Wege zu gehen.
https://www.youtube.com/watch?v=avCteSZK-Ec
(Selbst der Punk, der nie einer wahr, ist schon kommerzialisiert – sorry mit Werbung)
Aber wie die Finanzindustrie herzugehen und sich je nach Anwendungsgebiet ein Geldtheorie zusammenbasteln wie es das Herz erfreut und daraus eine Menge ableiten, Dollar dahinterschreibt und dann versucht den Menschen glauben zu machen, dass jetzt die Risken aus dem Geld der eigenen Theorie mit dem geschöpft aus der Theorie entworfen für die Realwirtschaft abzugelten seien, das ist gewagt. Die Tauschmittellogistiker waren schon immer kreativ. Egal aus welchem Eck man diesen Zusammenhang beleuchtet, gegen solch eine Eselei ist kein Kraut gewachsen. Da brauchts‘ nen Eichenpfahl.
Eine Lehre ist für Universitäten im überwiegenden Teil des Landes ist zu wenig, da stimme ich zu. Das ist staatl. Indoktrination oder zumindest Religionsunterricht.
Es ist aber trotzdem schlau von einer Lehre auszugehen sie kritisch zu hinterfragen und anderen gegenüber Toleranz zu üben. Ein Cocktail aus verschiedenen Richtungen ist ein gefährliche Mischung.
„Ökonomie erstes Jahr – prügle festgefahrene Denkmuster aus den Hirnen der Studenten und lerne zu lernen.“ Das kann ich nur unterstreichen. Bei Nicht-Ökonomen finde ich z.B. immer wieder Schwierigkeiten, sich von der Illusion freizumachen, Geld sei etwas Reales. Da hilft dann schon einmal, eine Robinson-Crusoe-Wirtschaft im 1. Semester zu betrachten, auch wenn die heute vollkommen unrealistisch ist.
„Ein Cocktail aus verschiedenen Richtungen ist eine gefährliche Mischung.“ – Das verstehe ich nicht. Es sei denn, du meinst, ein Hochschullehrer dürfe durchaus seine eigene Meinung offensiv vertreten, auch damit sich die Studenten daran reiben können.
Eine wunderbare Initiative, der sich hoffentlich noch mehr anschließen.
Es sieht so aus, dass nur von studentischer Seite das festgezurrte System aufgebrochen werden kann.
Denn das System schottet seine Herrschaft ab. Um Professor der Volkswirtschaftslehre in den USA, Europa und Teilen Asiens zu werden, erreicht man die dazu nötige Habilitation nur, wenn man in der Regel mehrere wissenschaftliche Aufsätze in führenden englischsprachigen Ökonomie-Zeitschriften der neoklassischen Schule veröffentlichen konnte, deren Richtung also alle auf unhinterfragbaren dogmatischen „Axiomen“ beruhen. Das bedeutet, dass ohne deren Anerkennung eine Wissenschaftskarriere unmöglich ist. Mit diesen Glaubenssätzen beginnt das Studium im ersten Semester an den Universitäten und Hochschulen, und auf ihnen beruht das ganze Bachelorstudium, das Masterstudium, die Promotion und am Ende die Habilitation. Vgl.:
http://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/01/31/503/
@Gipfler,
ich hab ja schon einmal hier im Blog eine kleine nicht-repräsentative Auswertung der Artikel in der AER (wohl der führenden VWL-Zeitschrift) gemacht: „Zum Versagen der Uni-Ökonomen„. Ergebnis: Viele empirische Arbeiten finden ihren Weg in die AER auch ohne viel neoklassische Theorie. Bei den theoretischen Studien herrscht jedoch fast eine neoklassische Monokultur.
Du hast also teilweise recht, Gipfler. Für die Studenten bedeutet das: Mit einem einmaligen Aufruf ist es überhaupt nicht getan. Da müssen langfristig dicke Bretter gebohrt werden.
„Für die Studenten bedeutet das: Mit einem einmaligen Aufruf ist es überhaupt nicht getan. Da müssen langfristig dicke Bretter gebohrt werden.“
Werden tatsächlich! siehe z.B.
http://www.taz.de/!146369/
http://www.themarker.com/news/1.2441010
http://www.ft.com/cms/s/0/c0fe9722-4245-11e4-a9f4-00144feabdc0.html
Bei weiteren Fragen kann man sich jederzeit gern an das Netzwerk Plurale Ökonomik wenden: info@plurale-oekonomik.de, http://www.plurale-oekonomik.de.