Wirtschaftswurm-Blog

Verstehen Ökonomen wirklich nichts von Wirtschaft?

Die Kritik des Wirtschaftswoche-Journalisten Dieter Schnaas an den Ökonomen ist entweder nicht neu oder falsch.

Seit Beginn der Wirtschaftskrisen 2008 liest man ja regelmäßig Generalabrechnungen mit den Ökonomen. Und dieses Genre ist nach wie vor populär, das sieht man an den Twitterreaktionen auf den jüngsten Artikel dieser Sorte, „Ökonomen verstehen nichts von Wirtschaft“ von Dieter Schnaas. So ganz kann ich die Beliebtheit allerdings nicht verstehen, insbesondere bei Schnaas. Denn Schnaas Kritik an den Ökonomen ist entweder nicht neu oder falsch.

Schnaas Aufhänger ist der Ökonomenaufruf von Krämer und Sinn, den er als „schrill und radikal“ bezeichnet. Die Schrillheit war allerdings nur zweckmäßig im Politikmedienbetrieb und was die Radikalität anbelangt: Gilt bereits „Keine Sozialisierung von Marktrisiken zulasten von Sparern!“ als radikal? – Legen wir einen solchen Maßstab an, können wir uns in Zukunft die Diskussion über verschiedene wirtschaftspolitische Alternativen sparen!

Aber geschenkt, Schnaas widerspricht sich sowieso laufend selbst. Zwei Absätze weiter kritisiert er, die Ökonomen würden nur „das tagespolitisch Ersichtliche … professoral beglaubigen.“ Das hört sich jetzt gar nicht schrill und radikal an. Dann wieder bemerkt er kritisch, keine Krise der Welt werde „durch Lösungen beendet, die Ökonomen wortgewaltig als Patent anmelden.“ Tja, was denn nun?

Schnaas kommt weiterhin auf das Menschenbild der Ökonomie zu sprechen. Bei aller berechtigten Kritik am „homo oeconomicus“ verkennt er jedoch, dass es in der Volkswirtschaftslehre nicht darum geht, den Menschen zu verstehen, sondern die Wirtschaft. Das ist die Arbeitsteilung in der Wissenschaft. Oder wie der Wirtschaftsphilosph in seiner Kritik an Schnaas schreibt: „Ökonomik ist eben gerade nicht Anthropologie, Psychologie oder Soziologie.“

Überhaupt: „Die“ Ökonomen gibt es heute genauso wenig wie „die Amerikaner“ oder „die Beamten“. Die VWL zeigt sich heute sehr vielgestaltig. Die neoliberale Neoklassik mag immer noch dominieren (vgl. „Zum Versagen der Uni-Ökonomen„), kann aber die vielen anderen blühenden Zweige der Wirtschaftsforschung nicht mehr marginalisieren. Das ist gut so und sollte endlich auch von den VWL-Kritikern anerkannt werden.

Methodenvielfalt ist gefordert. Das schließt die „Öffnung hin zu den Geisteswissenschaften“, die Schnaas verlangt, mit ein. Aber auch die Geisteswissenschaften bieten keinen Königsweg. Das merkt man, wenn Schnaas den Geldbegriff theoretisch aufladen will. Da ist viel heiße Luft drin. Gedankliche Klarheit erreicht man besser, wenn man auch weiterhin von den Grundfunktionen des Geldes als Tausch- und als Wertaufbewahrungsmitttel ausgeht – und vielleicht seine Funktion für einen allgemeinen Wertmaßstab ergänzt.

„Auf die fundamentale Ablehnung der modernen Ökonomik folgt wie so oft nicht eine differenziertere Betrachtung, sondern ein Rückgriff auf viel simplere Vorstellungen.“ So kritisiert der Wirtschaftsphilosoph Schnaas Schluss. Nun, am Ende landet Schnaas tatsächlich bei der guten, alten Ordnungsökonomik, etwa, wenn er eine klar definierte Aufgabenbeschreibung von Staat und Markt will. Und vieles, was Schnaas da andenkt, ist schon längst in der Ordnungsökonomik oder der Institutionenökonomik weitergedacht.

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12 Kommentare

  1. popper sagt

    Ich denke man kann sich nicht gegen die Tatsache wehren, dass die Ökonomik durch einige Vertreter in Misskredit gezogen wurde, sofern es sich um solche handelt, die durch ihre Omnipräsenz den Eindruck erwecken wollten, sie hätten etwas existenzielles mitzuteilen. Tatsache ist auch, dass die größten Trommler ihrer Zunft nichts von einer Finanzmarktkrise gemerkt haben, bis diese über die Welt hereinbrach. Und was ist bisher passiert? Da werden Horrorszenarien in Aufrufen verfasst, ohne die Lösung zu präsentieren. Wir schreiben das Jahr „Drei“ nach der Lehmann-Pleite und immer noch bekriegen sich einzelne Schulen über das jeweilige Versäumnis der anderen. Vielleicht ist das Ganze Teil einer Refeudalisierung von Eliten, die ihre Schwatzbuden missbrauchen um sich ihre eigenen Pfründen zu sichern. Eine Generalschelte ist immer angreifbar, andererseits haben unsere Popökonomen bis dato nicht den Beweis angetreten, dass man nicht genau so gut auf sie verzichten könnte. Sie sind vielleicht die besseren Psychologen und komunikatoren, die besseren Wissenschaftler sind sie eher nicht.

  2. Das Häschen sagt

    Die Illusion ist die Steuerbarkeit einer Ökonomie, hat Allan Greenspan auch zugegeben. Die Bobachtbarkeit steht denke ich gar nicht zur Diskussion. Die Prognose ist begrenzt. Greenspan hat vereinfacht gesprochen festgestellt, das Steuerruder hat dem Druck der Wassermenge nicht mehr standgehalten und schwimmt schon ein Weilchen hinterm Schiff her.
    Die Politik der Europäer ist dem Vergleich gemäß – Wir reißen das Steuer rum, stimmt bleibt genauso ohne Wirkung ohne Ruder geht nicht viel. Wie soll jetzt ein Ökonom diesen Versuch kommentieren;). Er kann allein die Absurdität der Situation skizzieren, mehr oder weniger amüsiert. Das hat nichts mit den Fähigkeiten der Ökonomen an sich zu tun. Damit Ökonomie nicht mehr funktioniert müsste Massenpsychologie außer Kraft gesetzt sein – das kann man ausschließen auf absehbare Zeit.

    Es ist kein Wunder, dass die Österreichische Schule viel über das Individuum erklärte hat, Massenpsychologie war zur Zeit des Kronprinz Rudolf von Habsburg (Zeit der Gründung der Wiener Schulde) nicht verbreitet, bestenfalls eher im Geheimen bekannt und zum eigen Vorteil genutzt. Ich denke eher dass die rationale Individuelle Entscheidung eher ein Erklärungsversuch eines Massenphänomens mit der ‚falschen‘ Argumentation auf bekanntem Wissen war. Im besten Fall noch etwas salopp formuliert, ‚Erklären wir es so, dass der Rudolf versteht, dann verstehen es die anderen auch‘;)

    Solange ein einziger der Ökonomen im Pool der Ökonomen, Methoden … eine Lösung kann anbieten oder eine sauber Analyse genügt das. Variantenreichtum ist Chancenvielfalt.

    ‚Ein solcher Geld-Begriff ist statisch, geschichtslos und normativ; er enthält, konserviert und formiert die liberale Utopie einer friedlich handelnden Gesellschaft, für die Geld nichts weiter ist als das pazifizierende Instrument einer arbeitsteiligen Wirtschaft.‘
    – Was bitte ist die Alternative? Krieg im Sozialismus wie bisher?

    Faktum ist einfach, dass die Werteaufbewahrungsfunktion des Gelds in jeder Form der Werterhaltung aufgrund des Designs des aktuellen Finanzsystems gar nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Nicht in der Gewohnten Form der ‚Starken DM‘.

    Die Tauschfunktion allein stärkt den Peer auf Dauer. Das führt an sich zu viel selbstbestimmteren Strukuren, da die Werteaufbewahrung in die Realwirtschaftsstrukuten und sozialen Strukturen zurück wandert. Das wäre eine vernünftige Marktreaktion.

  3. Wirtschaftswurm sagt

    @popper,
    da schreibt man, dass Generalabrechnungen angesichts der Vielfalt der VWL nicht mehr angebracht sind und was kommt dann in den Kommentaren? Eine Generalabrechnung.

  4. Pingback: 5 vor 10: Türkei, Theorien, SPD, US-Wahlkampf, Vertrauenskrise | INSM Blog

  5. popper sagt

    @Wirtschaftswurm
    Das, was ich hier geschrieben habe, ist gerade keine Generalabrechnung mit DEN Ökonomen, sondern ein Hinweis auf die in Deutschland vor Entzücken einsetzende „Genickstarre“ , wenn es um bestimmte Vertreter der Zunft geht, die ihren Ruf nicht der stringenten Lehre, sondern einer permanenten öffenlichkeitswirksamen Ideen-Verramschung verdanken.

  6. „Gilt bereits “Keine Sozialisierung von Marktrisiken zulasten von Sparern!” als radikal?“ – Wenn man diese Forderung absolut setzt, ist sie natürlich radikal. Erst recht wenn man die Bedeutung, nämlich Markt über Demokratie und staatliche Souveränität zu setzen, einbezieht.

  7. Stoertebeker sagt

    „Wenn man diese Forderung absolut setzt, ist sie natürlich radikal. Erst recht wenn man die Bedeutung, nämlich Markt über Demokratie und staatliche Souveränität zu setzen, einbezieht.“

    Man stellt individuelle Entscheidungen über Demokratie und staatliche Souveränität. Das nennt man auch Rechtsstaat. Ein freier Markt ist nur dessen Folge.

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  12. jens sagt

    “Gilt bereits “Keine Sozialisierung von Marktrisiken zulasten von Sparern!” als radikal?”
    Das ist nicht radikal, das ist dumm. Zur Zeit findet eine gewaltige Gläubigerrettung, sprich Sparerrettung statt.

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