Wirtschaftswurm-Blog

Zum Versagen der Uni-Ökonomen

Mit seiner Frage „Haben die Uni-Ökonomen versagt?“ hat Rüdiger Bachmann, Ökonom an der RWTH Aachen, die Diskussion um Sinn und Zweck der Volkswirtschaftslehre in Zeiten der Wirtschaftskrise neu entfacht. Ein Blick in eine Spitzenzeitschrift für ökonomische Forschung widerlegt aber seine Rechtfertigung der Ökonomik.

Zu der hitzigen Diskussion, die Bachmann ausgelöst hat, trug wohl auch etwas Polemik über „leidende Postautisten“ und „unterdrückte Privatdozenten“ bei. Nun, die Polemik sei Herrn Bachmann verziehen. Die Probleme der VWL auf ein reines Kommunikations- und PR-Problem zu reduzieren, das ist aber zu kurz gegriffen. Und so bekam Bachmann prompt Antwort. Kritische Studenten bemängeln in den Kommentaren zu seinem Artikel auf Ökonomenstimme die mangelnde Methodenvielfalt in der VWL und den mangelnden Realitätsbezug der ökonomischen Modelle. Der Blogger Wirtschaftsphilosoph nutzte das Forum, um auf die zu starke USA-Zentrierung der Forschung hinzuweisen.

Die Ökonomenplattform Ökonomenstimme veröffentlichte inzwischen einen Gegenartikel zu Bachmann vom Schweizer Ökonomen Mathias Binswanger. Sehr schön darin ein Beispiel für ein realitätsfernes ökonomisches Modell: die Theorie der Prostitution. Diese Theorie besteht darin ein paar eher banale Aussagen durch ein kompliziertes mathematisches Gleichgewichtsmodell aufzubauschen. Ergebnis: Prostitution lohnt sich finanziell. Die Autoren haben es damit immerhin ins Journal of Political Economy gebracht, eine der Top-5 VWL-Zeitschriften der Welt.

Hat Binswanger nur ein Extrembeispiel gewählt? Ich habe mich bemüht, die Argumentation etwas zu verbreitern und habe mir die letzten beiden Ausgaben (Oktober und Dezember 2011) der American Economic Review (AER) angeschaut bzw. die Zusammenfassung der darin erschienenen 28 Hauptartikel. Die AER gehört ebenfalls zu den Top 5 der VWL. Mein Überblick ist sicherlich nicht repräsentativ für die Spitzenjournale der VWL oder auch nur für die AER, sollte aber für eine begründete Meinung reichen.

Erstes Ergebnis: Von den 28 Artikeln waren 13 hauptsächlich theoretisch orientiert, zwölf quantitativ-empirisch, zwei beruhten auf Verhaltensexperimenten im Labor, eine war eine wirtschaftsgeschichtliche Studie. Dass man also nur mit abstrakter Theorie in die Spitzenjournale kommt, bestätigt sich nicht. Der mangelnde Realitätsbezug scheint vor allem ein Problem der Lehre zu sein, nicht so sehr ein Problem der Spitzenforschung.

Von den 13 theoretisch orientierten Artikeln behandelten zwölf allerdings Variationen des herrschenden neoklassischen Modells. Nur ein Artikel über Finanzmarktblasen in China versprach, alternative Modellansätze einzubeziehen. In der Wiwi-Theorie findet man tatsächlich überwiegend Monokultur.

Bei den empirischen Studien bezogen sich hingegen nur zwei explizit auf Annahmen der neoklassischen Modellwelt, außerdem die beiden Verhaltensexperimente. Ansonsten überwogen in diesem Bereich speziell auf den Untersuchungsgegenstand bezogene Hypothesen.

Neun der zwölf quantitativ-empirischen Studien verwendeten Daten aus den USA. Der ganze Rest der Welt stand dagegen nur dreimal im Fokus. Nun mag man diese USA-Lastigkeit bei einer Zeitschrift, die das „American“ schon im Titel führt, erwarten. Zum Problem wird sie allerdings, da auch die anderen Spitzenjournale der Ökonomik aus Amerika kommen.

PS: Mit der VWL-Debatte geht es übrigens am Montag und Dienstag hier weiter. Ich werde von der Konferenz „Ökonomie neu denken“ bloggen.


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