Wirtschaftswurm-Blog

Ökonomie neu denken – ein erster Rundumschlag

Die Konferenz „Ökonomie neu denken“ ist beendet. Zwei Tage wurde intensiv über neue Wege in der Volkswirtschaftslehre nachgedacht.

Zwei Tage Konferenz in Frankfurt, zwei Tage Vorträge und Diskussionen. Viele Argumente und Fakten wurden vorgetragen. Das lässt sich nicht auf einen kurzen Nenner bringen. Es lässt sich bestenfalls eine subjektive Auswahl von Sätzen und Meinungen präsentieren, die mich zum Nachdenken anregten.

diane coyle, ökonomie neu denken

Diane Coyle, Geschäftsführerin Enlightenment Economics

Zunächst: Dass nicht nur die Ökonomie in einer Krise ist, sondern auch die Ökonomik, wurde von keinem der Vortragenden ernstlich bestritten. Diane Coyle ließ allerdings in ihrem Einführungsvortrag nicht unerwähnt, dass einige Bereiche der Wirtschaftswissenschaft durchaus blühen. Der Verhaltensökonom Armin Falk, der auf der Konferenz seine Vorstellungen über „sanften Paternalismus“ vortrug, war ein Vertreter einer solch blühenden Branche. Andererseits ging gerade Diane Coyle mit den Wirtschaftswissenschaftlern hart ins Gericht, sprach von „halbgaren Ökonomen“.

Das „neoklassische“ ökonomische Paradigma, ist also tot, so hörte man. Aber was kommt nun? Ein neues, allgemeines Wissenschaftsparadigma für die Wiwis wurde auf der Konferenz nicht vorgestellt, ja, es wurde sogar allgemein bezweifelt, dass es ein solches auf absehbare Zeit geben wird. Das bedingt eine neue Bescheidenheit der Ökonomen. Allgemeine Erklärungsansätze für die „Wirtschaft insgesamt“ sind nicht mehr gefragt. Bedauert wurde das aber kaum. Im Gegenteil. Die neue Vielfalt wurde begrüßt. Und ja, so bestätigte ein junger Wissenschaftler in der Schlussrunde, ältere Volkswirte dürfen die jüngere Generation durchaus beneiden aufgrund der vielfältigen Forschungsansätze.

Zwei Diskussionrunden zeigten allerding, dass Vielfalt nicht überall von Vorteil ist. Ich meine hier zum einen die Diskussion über die Politikberatung durch Ökonomen, zum anderen die Diskussion über die Ausbildung neuer Volkswirte. Markus Brunnermeier zeigte z. B. die Defizite der wirtschaftlichen Politikberatung in Europa im Vergleich zu den USA auf. Ob allerdings die USA tatsächlich als Vorbild taugen, blieb in der anschließenden Diskussion umstritten. Überhaupt wurde in dieser Runde meiner Meinung nach das Thema Lobbyismus viel zu wenig problematisiert.

Und zur Ausbildung: Studenten in den ersten VWL-Semestern würden erst einmal wenig von der neuen Vielfalt der Wiwis spüren. Solange man nicht wisse, wohin die Reise gehe, empfehle sich kein grundlegender Wandel in den Basisvorlesungen, so die Meinung. Und der Düsseldorfer Professor Haucap ergänzte: Schon allein, um den Studenten nicht den späteren Wechsel zu andere Unis zu verbauen, komme man um die Vermittlung der alten Standards nicht herum.

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11 Kommentare

  1. Hallo,
    da die Staatsschuldenkrise ein brennendes Thema ist, hätte ich ein unbestreitbares neues Paradigma für Ökonomen zu bieten. Es gäbe Handlungsempfehlungen für aktuelle Probleme her, so dass sich die Sinnfrage des VWL-Betriebs nicht länger so stellen würde:

    Globale Staatsverschuldung = globale private Geldvermögen

    Diese Identität bedeutet:
    global wachsende private Geldvermögen = wachsende globale Staatsschulden
    global sinkende private Geldvermögen = sinkende globale Staatsschulden

    National gilt für ein Exportüberschussland wie Deutschland:
    Staatsschuldenwachstum = Wachstum der privaten Geldvermögen abzgl. Exportüberschüsse

    National gilt für ein Importüberschussland wie Griechenland:
    Staatsschuldenwachstum = Wachstum der privaten Geldvermögen zzgl. Importüberschüsse

    Was bedeuten diese Zusammenhänge nun praktisch? Ganz einfach: Wenn wir die Staatsverschuldung nachhaltig begrenzen wollen, müssen wir die private Geldvermögensbildung begrenzen. Man kann die für die inländische private Geldvermögensbildung erforderliche Staatsverschuldung zwar durch Exportüberschüsse in andere Länder verlagern, aber die geringe Nachhaltigkeit dieser Lösung dürfte vor dem Hintergrund der Eurokrise doch wohl ziemlich augenfällig sein. Es gibt sehr viele diskutable Varianten, wie wir mit der Problematik erfolgreich umgehen können.

    http://www.global-change-2009.com/blog/wie-wollen-wir-sparen-ein-aufruf-zur-gesellschaftlichen-diskussion/2012/01/#more-6902

  2. Wirtschaftswurm sagt

    Private Geldvermögen lassen sich aber nicht nur in Anleihen für Staaten anlegen, da gibt es ja noch viele andere Anlagemöglichkeiten. Darum ist die Ausgangsgleichung unvollständig.

  3. danke, aber wir reden über einen realwirtschaftlichen Vorgang, wenn wir über Verschuldung oder sonstige Geldvermögensoperationen sprechen.

    Verschuldung ist mehr ausgeben als einnehmen, nicht unbedingt mehr auszahlen als einzahlen. Verschuldung hat also mit Kaufen zu tun und nicht mit Bezahlung, die Betrachtung von Finanzierungsverhältnissen ist dafür auch nicht hilfreich oder erforderlich.

    siehe bei Interesse bitte diesen Beitrag und den verlinkten Folgebeitrag: http://www.global-change-2009.com/blog/geld-kauf-und-bezahlung/2012/01/

  4. Sie können es übrigens auch in der VGR nachrechnen, bitte unter Finanzierungssalden nachschauen:
    http://www.bundesbank.de/download/statistik/stat_sonder/statso4.pdf#page=23

    National gilt für ein Exportüberschussland wie Deutschland:
    Staatsschuldenwachstum = Wachstum der privaten Geldvermögen abzgl. Exportüberschüsse

    z.B. Finanzierungssalden für 2010:
    212Mrd. privates Geldvermögenswachstum(alle Sektoren) abzgl. 130Mrd.€ Exportüberschüsse = 82Mrd.€ Staatsschuldenwachstum

  5. Pingback: Handelsblatt.com - Ökonomie neu denken – so sieht es der wissenschaftliche Nachwuchs « Handelsblog

  6. Pingback: Vor einem Paradigmenwechsel der Wirtschaftswissenschaft? Zur Tagung “Ökonomie Neu Denken” in Frankfurt

  7. WhatIsMoney sagt

    Hallo Buschbeck,

    danke für deine Ausführungen. Ich hätte diesbezüglich noch eine Frage:

    Warum glaubst du, dass Ökonomen dies nicht wissen bzw. falls sie’s wissen würden, sich daraus ein neues Paradigma ergeben würde?

  8. danke@WhatIsMoney

    Ich habe ja in dem Aufruf geschrieben, dass dies wohl kein Ökonomen ernsthaft bestreiten wird. Aber zwischen Wissen und Anwenden liegen da ja Welten – ansonsten hätten wir ja schon mal irgendwie die Diskussion, welche ich mit dem Beitrag anregen möchte. In dem Beitrag sind ja auch die 2Wege erwähnt, welche wir ohne großes Leid nicht gehen können, und genau die gehen wir jetzt Richtung Unfrieden. Manche Ökonomen haben aber beim Geld echte Theoriebaustellen und es gibt Sprachverwirrungen, Geld steht für Zahlungsmittel und Geldvermögen, Investieren wird mit Ausgabeüberschüssen verwechselt usw. Der monetäre Grundmechanismus und das Kredittilgungsproblem ist wohl den wenigsten „sauber“ bewusst:

    Ein wirtschaftliches Gleichgewicht besteht in einer Periode, wenn die Pläne, Geldvermögen aufzubauen, mit den Plänen, Geldvermögen abzubauen, übereinstimmen.

    http://www.global-change-2009.com/blog/die-kredittilgungen-und-das-wirtschaftliche-gleichgewicht-2/2012/01/

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