Während Gerald Braunberger im Fazit-Blog fragt „Wo bleibt die Deflation?“, wundert sich Mark Dittli in „Never Mind the Markets“ „Wo bleibt die Inflation?“ Das zeigt die Konfusion, die seit einiger Zeit auf dem Gebiet von Geldtheorie und Geldpolitik herrscht.
Die Deflationsphobiker habe ich sowieso nie verstanden. Sinkende Preise sind ja erst einmal gut für die Verbraucher. Und eine Deflationsspirale, in der die Leute mit Kauf- und Investitionsentscheidungen abwarten, weil sie hoffen, dass es in Zukunft noch billiger wird, eine solche Deflationsspirale erfordert, dass zuvor Deflationserwartungen in den Köpfen der Leute fest verankert wurden. Durchaus eine schwierige Operation angesichts der Tatsache, dass die letzte Deflationsspirale vor 85 Jahre war, die heutigen Generationen sie also nur als historische Kuriosität aus Geschichtsbüchern kennen.
Die Frage, wo die Inflation bleibt, ist da schon schwieriger. Tatsächlich habe auch ich eine Zeitlang damit gerechnet, dass die ultralockere Geldpolitik der EZB zu Inflation in Deutschland führen wird. Inflationserwartungen von vier oder sechs Prozent habe ich hier im Blog zitiert.
Viel Zeit bleibt nicht mehr, um solche Erwartungen zu erfüllen. Die Weltkonjunktur befindet sich schon wieder im Abschwung und der Höhepunkt der deutschen Konjunktur ist sicher auch bald erreicht oder schon überschritten. Eigentlich gute Voraussetzungen für Inflation. Trotzdem legten die Preise im August um gerade mal 0,2% zum Vorjahresmonat zu. Die zur Zeit einströmenden Flüchtlinge werden sicher bald die Mieten und andere Preise in die Höhe treiben, einen echten Inflationsschub werden aber auch sie nicht verursachen können.
Monetaristen sind damit ans Ende ihrer Theorie angelangt. Die Niedrigzinsen seit 2008 haben keinen Effekt gezeigt, tatsächlich ist jahrelang in der Eurozone noch nicht einmal die Geldmenge M3 nennenswert gestiegen.
Manches spricht dafür, dass die Maßnahmen der Zentralbank einfach verpufft sind, im Finanzsystem versickert statt in der Realwirtschaft angekommen. Dies müsste aber Finanzblasen verursacht haben. Wirklich eindeutig konnte man sie nur bislang nicht identifizieren.
Inzwischen steigt immerhin die umlaufende Geldmenge M3. 2014 wuchs sie in der Eurozone um 4,7% und im ersten Halbjahr 2015 allein um 2,8%. Doch die Inflation lässt immer noch auf sich warten.
Geh nicht ohne Gruß, empfiehl bitte den Beitrag weiter!
Ich hab sowieso eher den Eindruck das es weniger das Problem Inflation/Deflation ist welches sorgen machen sollte sondern eben die Geschwindigkeit und das Ausmaß mit der sich diese ändert. Im Grunde ist es wie bei der Physik, die Geschwindigkeiten sind relativ, erst die Änderung dieser also die Beschleunigung ob nun positiv oder negativ führt zu einer „Kraft“ die eben in der Ökonomie eher destruktive Wirkung hat.
@Stefan Rapp,
das ist richtig. Und das liegt daran, dass Änderungen der Inflationsrate mehr oder weniger Abweichungen der Inflationsrate von den Erwartungen sind. Wenn alle 2% Inflation erwartet haben und sich darauf eingestellt haben, sind die kein Problem, dann werden erst 4% Inflation zum Problem.
Naja, wenn ich mir die Entwicklung des DAX der letzten Jahre ansehe…
steckt da vielleicht inflationäres Kapital drin?
Also zumindest eine Blase kann man wohl identifizieren: Die absurd hohen Anleihekurse. Was sind negative Zinsen bei Bundesanleihen bei Laufzeiten bis 5 Jahren anderes als eine Bewertungsblase? Warum kauft man sowas? Da fallen mir nur zwei Gründe ein:
1. Man glaubt einen Idioten zu finden, dem man das zu noch höheren Kursen verkaufen kann. Das wäre so die klassische Spätphase einer Blase.
oder
2. Man glaubt, dass andere Anlagen noch höhere Verlustrisiken beinhalten. Kein schöner Gedanke.
Ich möchte etwas einfach die Lage umschreiben. Früher ging man auf den Markt und tauschte Geld gegen Gut. Wenn man sich heute das Umfeld überlegt, wie gewohnt etwas übertrieben skizziert, hält der Mensch einen Scheck Kaufkraft der sein Einkommen repräsentiert in beiden Händen und unter der Türe (und auch dem Scheck) wird das Gut durchgeschoben. Erst nach einem Monat wieder wird es wieder ersetzt. Das ist blumig formuliert gilt aber für Unternehmen heute genauso. Das Preisgefüge ist stabil, selbst die Rohstoffkäufe sind durch Kontrakte abgesichert und der Rest funktioniert einwandfrei.
Alles geht den gewohnten Gang, allein in den Assetmärkten bald der Bär ab.
Überlegen wir mal. Die Arbeitsteilung zerlegt ehem. Bewirtschaftungsstrukturen die nach kommunistischen Prinzipien haben gewirtschaftet. Die waren eben begrenzt durch die Rohstoffe am eigenen ‚Selbstversorgerbauernhof‘, wenn man so will. Mithilfe des Kredits konnte man schon heute so tun als wären die Beeren am Nachbargrundstück bereits gewachsen. Die Abwesenheit des Rohstoffs sprich die Knappheit ist systemisch praktisch beseitigt im Moment.
Irgendwie ist einleuchtend, dass aus Sicht der Realwirtschaft sich das System einschwingen wird. Früher waren Unternehmen über die Abwesenheit von Informationen begrenzt – diese Verknappung kann man als aufgelöst betrachten.
Im nächsten Schritt kommt der Prozess in dem immer mehr in die Verlegenheit kommen sich heute zwar nichts bis wenig kaufen zu können und nach der nicht mehr stattfindenden Zerlegung alles. Ich interpretiere, losgelöst was man davon hält, selbst Biogärten als Teil einer Umkehrung der Arbeitsteilung in manchen Teilen. 3-D Drucker und damit verbunden die Überantwortung der Produktion an den Kunden (Abwesenheit von Tausch). Die Rückbesinnung auf Werte … Selbst ein Autokonzern der die Zulieferkette kontrolliert und steuert ist wie eine kleine Volkswirtschaft in die Richtung kommunistischer Fertigungsprinzipien organisiert. Es mangelt an nichts und die Grenzen sind klar definiert.
Wenn kommt ein Tausch zustande. Jener der ein Gut in der Güterpool legt bewertet das Ergebnis seiner Arbeit geringer als der Entnehmer. Das ist mal eine Vorbedingung. Ein neues Produkt hatte nicht umsonst seine Macken war aber nachgefragt. Dann beginnt die Innovation. Der Güterbereitsteller verbessert das Gut und überkompensiert die Gewöhnung des Kunden an das zuvor bereitgestellte das aber den selben Zweck erfüllt usw… bis man mal über iPhone im Audi spricht und nicht mehr vom Wunder, dass der Mensch mit 200 km/h von A nach B kommt. Jetzt sind aber schon die Bedürfnisse gedeckt in der Breite. Wenn man so will beginnt wieder eine Phase der höchstpersönlichen Leistungen. Rolling Stones vs. Morzart oder Bethoven – Arbeitsteilung vs. Feudalismus.
Wenn die Ökonomen nicht wissen, ob eine Inflation oder Deflation droht, wird der Preismechanismus nicht verstanden. Es ist ja so, als ob ein Meteorologe nicht weiß, ob eine Dürre oder eine Flut droht. Ähnlich verhält es sich mit Finanzblasen. Ökonomen erkennen sie erst, wenn sie platzen.
Ich habe da jetzt eine ganz dumme Frage: Was unterscheidet eigentlich Ökonomie von Astrologie? Beide zeichnen Diagramme mit sinnfreien Linien und erzählen die grandiosesten Märchen über die Zukunft.
Wenn man Geld druckt, nur um damit Anleihen zu kaufen, braucht man sich nicht wundern, wenn die Inflationsrate nicht steigt. Erst mal steigen ja damit nur die Preise für die Bonds, das heißt das neue Geld geht an die bisherigen Bondbesitzer. Da diese eher reich sind, und eh schon genug Güter aus dem Warenkorb haben, wird die Nachfrage nach den Gütern aus dem Warenkorb nicht wachsen. Ein kleiner Teil des zusätzlichen Geldes wandert auch ins Betongold, aber auch das zählt ja nicht zum Warenkorb.
Hätte man in der EZB wirklich Angst vor einer Deflation, dann müsste man nur das neue Geld gleich verteilt über die Bevölkerung verteilen. Das wäre dann nicht nur gerechter, sondern würde auch für mehr Nachfrage aus dem Warenkorb sorgen. Auf jeden Fall würde nur ein Bruchteil des neuen Geldes, das jetzt nur an Reiche verteilt wird, zur Ankurbelung der Inflation reichen. Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht eher um die Vergemeinschaftung der Schulden im Eurobereich.
@Erich, da sind wir ja mal fast einer Meinung. Nur bei der Idee mit dem Helikoptergeld, also Geld vom Hubschrauber aus auf die Leute herabregnen zu lassen, bin ich noch skeptisch. Aber man kann das ja mal in einem kleinen Staat (Island?) ausprobieren.
@Stephan Brandt, @Jürgen, am ehesten halte ich eine Blase bei Anleihen für wahrscheinlich. Sollten die Zinsen mal um 4 Prozentpunkte steigen, könnten einige Staaten das nicht mehr tragen und müssten sich pleite erklären.
Kaufkraftverlust durch Inflation jetzt bei 10,36% pro Jahr / Hartz-IV Regelsatz für 2016 nur um 1,25% angepaßt
Der Hartz-IV Regelsatz für 2016 wird nur um lächerliche 5 Euro von 399 Euro auf 404 Euro pro Monat angehoben. Das entspricht 1,25%. Der tatsächliche Kaufkraftverlust liegt bei 10,36% pro Jahr. Das bedeutet, daß sich Bezieher von Sozialleistungen ab nächstes Jahr rund 9,11% weniger leisten können, als dieses Jahr.
Berechnung der jährlichen durchschnittlichen Inflationsrate am Goldpreis
15.08.1971 : 35,00 US Dollar je Feinunze Gold
23.08.2011 : 1.914,50 US Dollar je Feinunze Gold
Zeit in Jahren = 23.08.2011-15.08.1971 = 40,6055556 Jahre
1.914,50 US-Dollar = 35,00 US-Dollar x 1,1035747/Jahr ^ 40,6055556 Jahre
(1,00 – 0,8964253) * 100 = 10,35747 Prozent pro Jahr
https://aufgewachter.wordpress.com/2015/09/11/kaufkraftverlust-durch-inflation-jetzt-bei-1036-pro-jahr-hartz-iv-regelsatz-fuer-2016-nur-um-125-angepasst/
Der Goldpreis ist natürlich für Hartz-IV-Bezieher besonders relevant, weil sie nichts Dringenderes mit ihrem Geld kaufen brauchen als eben Gold.
Und warum geht die Rechnung nur bis 23.8.2011? Vielleicht weil danach der Goldpreis wieder gefallen ist?
Vielleicht macht es ja mal Sinn so ein Begriff zu definieren, wie ich nenne es mal „Einkaufsinflation“. Ein klassischer Händlersatz den vermutlich jeder Ökonom schon mal gehört hat ist: „Im Einkauf liegt der Gewinn!“ Die gilt natürlich auch für den Verbraucher selber. Je günstiger er Güter einkauft, umso mehr Güter kann er letztendlich sich beschaffen um so größer ist sein Konsum obwohl in Preisen dieser Konsum gleich ist. Wenn man mal davon aus geht das in den letzten Jahren die, ich nenne es mal „Preisdiversifikation“ zugenommen hat dann könnte es gut sein das dadurch einige Zeitgenossen stetig überfordert wurden. Klassische Beispiele wären Stromanbieter oder Telefontarif.
Vor 30 Jahren hatte quasi jeder Privathaushalt den gleiche Telefontarif, man konnte im Einkauf hier auch nichts falsch machen. Wenn man immer noch beim regionalen Stromanbieter ist dann hat man unter Umständen einen unnötig teuren Tarif.
Es könnte also gut möglich sein das gerade bei bildungsfernen Schichten die Inflation durch ein schlecht an die Entwicklung angepasstes Einkaufsverhalten doch höher war als wie die ganze Zeit berechnet. Entsprechen reduziert sich dadurch natürlich die Inflation bei den besseren Einkäufern.
@Arne Kuster: Helikoptergeld hatten wir doch schon. Okay, damals gab es noch keine Hubschrauber, der wurde erst kurz danach erfunden. Aber die Regierung der Weimarer Republik hat im Grunde genommen nichts anders gemacht, als sie während der Ruhrbesetzung den Streikenden frisch gedrucktes Geld aushändigte. Das Ende ist bekannt. Muss natürlich nicht jedesmal so dramatisch enden. Bestimmt endet es irgendwann auch einmal gut.
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Die ausleibende Inflation ist nur dann ein Rätsel, wenn man krampfhaft jede keynesianische Erkenntnis ablehnt. Wir befinden uns in einer stinknormalen Liquiditätsfalle, die sich bei einem negativen natürlichen Zinssatz nicht ohne auf andere Weise hereigeführtes Wachstum auflösen lässt. DIe Geldpolitik ist an der Nullzinsgrenze wirkungslos, eigentlich müsste daher die Fiskalpolitik einspringen. Staaten können Schulden zum Nulltarif aufnehmen und Verdrängungen privater Investitionen sind beim derzeitigen Zinsniveau auch nicht zu erwarten. Tatsächlich geschieht aber das Gegenteil, weil in Europa Ideologen statt Ökonomen am Hebel sitzen. Für die muss die Unwirksamkeit der Geldpolitik – siehe erster Satz – schon aus Prinzip ein Rätsel sein.Und Schäuble brüstet sich im Bundestag, er habe als einziger Keynes verstanden. Ein schlechter Treppenwitz der Geschichte.
Wir haben allerdings eine Liquiditätsfalle bei Hochkonjunktur. Das hätte Keynes, wenn er es erlebt hätte, sehr gewundert.
Wachstumsraten zwischen 1 und 1,5 % in der Eurozone in letzten 12 Monaten kann man wohl kaum als Hochkonjunktur bezeichnen, erst recht nicht unter Einbezug des Sachverhalts, dass Wachstumsraten nach Krisenzeiten eher höher als nornal ausfallen. Die Prognosen für die Eurozone reißen es auch nicht raus. Niemand erwartet hohe Wachstumsraten, niemand erwartet eine Zinswende, niemand erwartet Inflation. Japan befand sich über ein Jahrzehnt lang in der Liquiditätsfalle bei ähnlichen Wachstumszahlen, es gibt keinen Widerspruch zu Keynes. Was Keynes nicht vorausgesehen hat, ist die Rolle, die (Zombie-)Banken bei der Entstehung und Verlängerung einer Liquiditätsfalle spielen. Am Ergebnis ändert das aber nichts.
In Deutschland – und nur darauf bezog ich mich – sind die Wachstumsraten ja höher und über dem langjährigen Durchschnitt.
@ Arne
Inflation von 4 – 6 %, wie Du sie irrtümlich erwartet hast, könnte ja nur dann eintreten, wenn die Nachfrage in Deutschland soweit zunimmt, dass die Gesamtwirtschaft an Kapazitätsgrenzen stößt. Davon sind wir ab trotz des fälschlichen Jubels über eine angebliche Hochkonjunktur noch weit entfernt. Es gibt mit Ausnahme einiger Schlüsselbereiche keine Verknappung von Arbeitskräften, die eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnnte. Und auf der Kapitalseite scheint es auch keine Verknappung zu geben, ansonsten müssten andere Investitionszahlen zu beobachten sein. Was die Nachfrageseite betrifft, macht Deutschland unverdrossen mit der Exportstrategie weiter, in Deutschland wird immer noch wesentlich mehr produziert als nachgefragt. Und die Abhängigkeit von ausländischer Nachfrage macht Deutschland eben extrem abhängig davon, wie es unseren Nachbarn in der Eurozone und den sonstigen Importeuren deutscher Produkte geht. Wenn die, ebenso wie wir Deutschen, hauptsächlich sparen, oder aus anderen Gründen an wirtschaftlicher Dynamik verlieren, kann es keinen großen Nachfragedruck in Deutschland geben.Wir sind leider nicht, wie oft geschrieben wird, eine Konjunkturlokomotive, die andere mitreisst, sondern mit unserer Beggar-thy-Neighbour-Politik ein Bremsblock, der maßgeblich zur lowflation beiträgt. In den westlichen Industriestaaten ist die Erspranisbildung – u.a. dank Deutschland – höher als die Investitionsnachfrage, deshalb ein negativer natürlicher Zinssatz, deshalb relative Unwirksamkeit der Geldpolitik, deshalb Verharren in der Liquiditätsfalle. Zurzeit könnte uns nur Fiskalpolitik aus diesem Zustand herausholen und als Nebeneffekt für höhere Inflation und einen negativen Realzins sorgen, wodurch die Ungleichgewichte am Kapitalmarkt beseitigt werden könnten. Aber dazu wird es nicht kommen, wie wir wissen. Denn die schwarze Null muss erreicht werden, sonst ist der große Keynes-Missversteher Schäuble traurig.
Richtig ist, dass Inflation Lohnsteigerungen voraussetzt. Dann würde auch die Nachfrageseite zum Inflationsszenario passen.
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