Wirtschaftswurm-Blog

Inflation in Deutschland: Darf es auch ein bisschen mehr sein?

Zentralbanker handeln jetzt nach demselben Motto wie Wurstfachverkäufer.

Eine Nostalgiewelle hat mich erwischt. Das liegt an Hans Tietmeyer, dem ehemaligen Bundesbankpräsidenten. Seine Festrede zum 50-jährigen Bestehen der DM 1998 ist glücklicherweise noch im Netz verfügbar. Hier ein paar Zitate aus dem inzwischen zeithistorisch bedeutsamen Dokument:

Einigkeit und Recht und Freiheit können auf Dauer nicht gedeihen ohne eine Währung, die dauerhaft stabil ist, und ohne eine Währung, die von den Bürgern auch anerkannt und akzeptiert wird.

… ein schwindender Geldwert wendet sich immer vornehmlich gegen die sozial Schwächeren. Das ist das grausame Gesetz der Inflation, das uns im Nachkriegsdeutschland erspart geblieben ist.

Der beste Beitrag des Geldes für Wachstum und Beschäftigung ist dauerhafte Stabilität.

Und was den Euro anbelangt, versprach Tietmeyer:

… niemand wird durch die Umstellung auf das neue Geld irgend etwas verlieren. Im Gegenteil!

Darf ich noch ein paar Zitate anfügen, die der Wirtschaftswissenschaftler Rüdiger Pohl just im selben Jahr in der FAZ zum besten gegeben hat?

… für die Deutschen (aber auch für die anderen Teilnehmerstaaten) wäre allen integrationspolitischen Vorteilen zum Trotz der Übergang zum Euro ein Rückschlag, wenn er mit Geldwertschwund erkauft würde.

Die D-Mark setzt die Meßlatte für die Stabilität des Euro. So stabil wie die D-Mark soll der Euro werden.

Heute ist das alles anders. Die aktuellen Bundesbanker verkünden gerade, dass Deutschland in den nächsten Jahren eine Inflation über dem europäischen Durchschnitt haben werde. Das hört sich für sich genommen nicht dramatisch an. Aber genau darum habe ich die 14 Jahre alten Zitate herausgesucht. Sie zeigen, es ist die totale Abkehr von allem, was uns bei der Einführung des Euros gesagt und versprochen wurde.

Letztlich erfolgte gestern das Eingeständnis der Bundesbanker, dass eine stabile Währung in einem heterogenen Währungsraum, der immer weiter auseinanderwächst, nicht möglich ist. Geldpolitiker können eben nicht hexen.

Und was folgt nun?

Während SPON den Deutschen zunächst 2,5% Inflation in Aussicht stellt, gehen die Zahlen bei der FTD schon in die Höhe: 4%, 6%. Das Motto ist offensichtlich der Wursttheke abgeschaut: Darf es auch ein bisschen mehr sein? Was man allerdings im Supermarkt akzeptiert, muss man sich von Zentralbankern noch lange nicht bieten lassen.

Aber ist es nicht „Konsens unter Ökonomen“, wie die FTD behauptet, dass in Deutschland nun die Preise steigen müssen, damit die Waren der Europeripherieländer wettbewerbsfähiger werden?

Keineswegs. Zum einen gibt es immer noch die Alternative, dass die wirtschaftsschwachen Länder aus dem Euro ausscheren. Zum anderen scheint es keine gute Idee zu sein, wenn sich die Mehrheit in der Eurozone, also die Kernstaaten, nach den Bedürfnissen der Peripherie richtet. Das hat etwas von dem Schwanz, der mit dem Hund wedelt. Am Ende könnte auch in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit verloren gehen.

Und für die, die es weniger polemisch haben wollen: Ich habe zum selben Thema auch schon mal unter dem Titel „Können die schwachen Eurostaaten von einer Euroinflation profitieren?“ geschrieben.


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8 Kommentare

  1. Pingback: Können die schwachen Eurostaaten von einer Euroinflation profitieren? | Wirtschaftswurm

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  4. Michael Thuma sagt

    Macht Inflation dann Sinn wenn der EUR 1:1 gegen den USD angeglichen werden soll, respektive der Zug in diese Richtung fährt? Wenn ich falsch liege bitte nicht bös sein.

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  6. Wirtschaftswurm sagt

    Und wo ist genau die Grenze? Wie berechnet man sie?

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