Wirtschaftswurm-Blog

Können die schwachen Eurostaaten von einer Euroinflation profitieren?

Die Deutschen werden mürbe gemacht. Auf immer mehr Kanälen wird die Abkehr von einer gegen Inflation gerichteten Geldpolitik gefordert. Eine Euroinflation ist aber nicht geeignet, die Probleme der wirtschaftsschwachen Südländer zu lösen.

jugoslawische Banknoten, Haufen

Jugoslawische Banknoten aus der Inflationszeit, Quelle: Stane77

Das Argument ist nicht neu, Paul Krugman vertritt es seit längerem, auch im Blog Kantoos ist es populär: Die Inflation in der Eurozone sollte steigen, um den wirtschaftsschwachen Euro-Südländern zu helfen. Es geht den Inflationsbefürwortern dabei nicht darum, die Staatsschulden wegzuinflationieren. Ihr Anliegen ist das noch wichtigere Problem der Mittelmeerländer: ihre mangelnde internationale Wettbewerbsfähigkeit.

Ein wirksamer Weg zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit ist, die Preise zu senken. Dazu müssen allerdings auch die Löhne sinken. Dieser Weg erfordert lange Verteilungskämpfe zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern mit Arbeitslosigkeit.

Herrscht allerdings Inflation, reicht es zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit, wenn die eigenen Preise gleich bleiben. Auch die Löhne können (nominal) gleich bleiben. Wettbewerbsfähigkeit stellt sich ein, indem die Preise der anderen steigen.

Wählt die Eurozone mit Blick auf Griechenland und die anderen Südländer den Inflationsweg, hat das nur zwei große Probleme:

  1. Steigen die meisten Preise, sinkt die Kaufkraft (sinken die Reallöhne), auch wenn die Löhne nominal nicht gesenkt werden. Die griechischen Arbeitnehmer werden irgendwann einen Inflationsausgleich fordern. Dann sind wir wieder bei den Verteilungskämpfen, die eigentlich vermieden werden sollten.

    Das ist das klassische Gegenargument gegen eine laxe Geldpolitik: Sobald alle mit Inflation rechnen, wirkt sie nicht mehr. Die Frage ist, wie schnell und wie vollständig die Konsumenten sich an die Inflation gewöhnen. Eine allgemeine Antwort hierauf hat die Wirtschaftswissenschaft noch nicht gefunden, gibt es wahrscheinlich auch nicht.

  2. Es ist nicht möglich, die Inflation auf die Südländer zu beschränken. Wird der Euro in Griechenland weniger wert, dann notwendigerweise auch in Deutschland. Wenn durch Inflation nun die Reallöhne sinken, dann fallen sie also nicht nur in Griechenland, sondern auch in Deutschland. So wird aber die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands gegenüber Deutschland gerade nicht verbessert.

    Paul Krugmans Argument gilt also nur sehr eingeschränkt. Allenfalls die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands gegenüber Nicht-Euro-Staaten würde verbessert, nicht aber seine Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone. Das Problem: die Länder der Eurozone sind Griechenlands entscheidende Handelspartner.

Wie viel Inflation wäre überhaupt nötig? Nach Schätzungen des ifo-Instituts muss Griechenland um 20-30 % billiger werden. Damit die Reallöhne nur um 20 % sinken, müssen aber die Preise 25 % steigen oder drei Jahre lang um 8 %. Das ist das theoretische Minimum. Wenn die beiden genannten Probleme auftauchen, kann es schnell das doppelte oder dreifache sein. Zudem wird die Inflation in den Wirtschaftszentren der Eurozone, also insbesondere in Deutschland, automatisch höher ausfallen als in der Wirtschaftsperipherie Griechenland.

Fazit: Inflation ist ein ineffizienter Weg, um die Wettbewerbsfähigkeit der Europeripherie zu stärken.

Mehr zum Thema: Inflation in Deutschland? Darf es auch ein bisschen mehr sein?


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8 Kommentare

  1. Pingback: Kleine Presseschau vom 18. November 2011 | Die Börsenblogger

  2. „Wie viel Inflation wäre überhaupt nötig? Nach Schätzungen des ifo-Instituts muss Griechenland um 20-30 % billiger werden. Damit die Reallöhne nur um 20 % sinken, müssen aber die Preise 25 % steigen oder drei Jahre lang um 8 %.“

    Also, so wie ich das mitbekomme, sind die Loehne im oeffentlichen Dienst in Greichenland teilweise um 45% gefallen, fuer neueingestellte Angestellte. 20% weniger fuer alle anderen. Damit ist ja schon erreicht fast, was das ifo Institut will. Sowas hat einen sehr deflationaere Wirkung auf alle anderen Wirtschaftszwiege, besonders wenn die Arbeitslosigkeit bei 18% liegt.

    Auch wenn es in der EU insgesamt zeitweise eine Inflation von ueber 5% gaebe, heisst das nicht, dass die Preise in Griechenland oder Spanien so stiegen. Es wird auch fuer Gewerkschaften in Spanien oder Griechenland schwierig sein, Lohnerhoehungen durchzusetzen.

    Ich meine das Argument fuer geringere, zeitweise geduldete Inflation ist doch hautpsaechlich dass im Zentrum die Preise und Loehne steigen, um damit die Peripherie, (wo die Preis- und Lohnerhoeheungen wegen grosser Arbeitslosigkeit nicht durchzusetzbar waeren) zu entlasten.

  3. Wirtschaftswurm sagt

    „Ich meine das Argument fuer geringere, zeitweise geduldete Inflation ist doch hautpsaechlich dass im Zentrum die Preise und Loehne steigen, um damit die Peripherie, (wo die Preis- und Lohnerhoeheungen wegen grosser Arbeitslosigkeit nicht durchzusetzbar waeren) zu entlasten.“
    Genau dieses Argument finde ich aber schwach. Wenn Inflation in der Peripherie dazu führt, dass die Reallöhne sinken, dann hat sie diesen lohndämpfenden Effekt auch im Zentrum. Dabei ist klar, dass die Löhne im Zentrum trotzdem stärker steigen. Das würden sie aber auch ohne Inflation tun.

  4. Also ich meine in Zeiten groesserer Arbeitslosigkeit, und ohne auessere Inflationsschocks, und nachdem MWST und Verbrauchssteuer Erhebungen aus dem Index gefallen sind, gibt es keine Inflation in der Peripherie, Preise koennen sogar zurueck gehen. Gab es zeitweise in Irland, Deflation.

    Obwohl es leicht in der Eurozone insgesamt Inflation geben kann, im Durchschnitt. Wenn man die, sobald es aussieht als wuerde sie ueber 2% gehen, einschraenkt (durch hoehere Euro-Leitzinsen in der ganzen Eurozone), anstatt erst wenn sie ueber 4% geht, wird der Anpassungsprozess fuer die Peripherie schwerer, bzw. dauert laenger.

    Ich bin auch der Meinung dass man nicht das Inflationsziel der EZB aendern sollte, aber wenn man es macht, meine ich, ist das der Grund. Man sollte es nicht machen, weil die Kosten die Inflation in Folge zu senken, zu hoch sind.

    Aber es ist soundso vielleicht Theorie, sobald wir die erste Staatspleite haben, sind wir soundso in einer deflationaeren Situation, und die Bundesregierung macht ja im Moment alles, damit wir dahin kommen.

  5. Dazu habe ich eine andere Auffassung. Inflation macht es so wohl möglich, den Wettbewerbsabstand zwischen den Südländern und Deutschland zu verringern, als auch die Schuldenlast in Prozent des BIPs zu senken. Das ganze ist nicht unproblematisch, weil die Finanzmärkte (und auch Arbeitsmärkte) irgendwann (wahrscheinlich relativ schnell) die Inflation einzupreisen (höhere Löhne, höhere Zinsen), aber für eine gewisse Zeit mag das eine gewisse Entspannung geben. Das Zeitfenster dürfte aber kaum größer als 2 bis 3 Jahre sein. Der Vorteil der Inflation gegenüber „normalen“ Lohnanpassungen: Es beschleunigt a) den Prozess und b) sind 5% Nettowachstum besser für den Schuldenstand als 2%.

    Dabei teile ich aber die Krugmannsche Einschätzung nicht, dass Inflation der wichtigste Faktor bei der Rettung der Südstaaten ist. Es ist ein Baustein, aber wenn man nur darauf setzt, wird man auch scheitern. Als Patentrezept ist Inflation überbewertet.

  6. Wirtschaftswurm sagt

    Inflation erleichtert die Schuldenlast, das habe ich nie bestritten. Inflation ist im Endeffekt auch nur eine Steuer auf Geldanlagen. Da bevorzuge ich allerdings andere Steuern. Ob’s den Südländern tatsächlich bei der Erlangung von Wettbewerbsfähigkeit hilft, na, wir werden das wohl jetzt in einem Großexperiment herausfinden.

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