Alle Artikel mit dem Schlagwort: Leistungsbilanz

Konrad_Adam,_Frauke_Petry_und_Bernd_Lucke_2013

Verwirrung um AfD

Ein paar Tage vor der Europawahl scheint in Reihen der AfD Verwirrung ausgebrochen zu sein, ob man noch den Euro abschaffen will. In einem Focus-Artikel wird der Sprecher des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg, Jens Zeller, mit den Worten zitiert: „Der Wähler will nicht zurück zur D-Mark“. Und der als „Chefstratege“ der AfD betitelte Rainer Erkelenz (der aber in Wirklichkeit nur einfacher Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle ist) meint im selben Artikel: „Politik ist die Fähigkeit, das zu fühlen und spüren, was die Leute bewegt. Und im Moment bewegt sie der Euro nicht so stark wie vor einem Jahr.“ Sicherlich gehört zur Politik auch die Fähigkeit, zu fühlen und spüren, was die Leute bewegt. Aber eine Politik, die nur daraus besteht, läuft Gefahr, nichts zu bewirken, weil man immer nur kurzfristig wechselnden Stimmungen nachläuft. Die Glaubwürdigkeit bliebe ohnehin auf der Strecke. Darum gehört meiner Meinung nach auch zur Politik, den Wählern unangenehme Wahrheiten mitzuteilen. Und zu diesen unangenehmen Wahrheiten, die viele Wähler augenblicklich gerne verdrängen, zählt: Zwar ist die Eurokrise, wenn man sie wie ich als Leistungsbilanzkrise definiert, beendet. Das …

Entwicklungen im deutschen Warenhandel 2000-2011 – Teil 2: Die Spaltung Europas

Nimmt man das Saldo der Leistungsbilanz als Kriterium, kann man die europäischen Staaten in drei verschiedene Blöcke einteilen. Und der deutsche Warenhandel mit diesen drei Blöcken entwickelte sich in den vergangenen Jahren ganz unterschiedlich. (Dies ist übrigens der zweite Teil eines Artikels. Den ersten findet man unter: Teil 1 – Der Bedeutungsverlust Europas.) Das von der Bertelsmann-Stiftung entwickelte interaktive Online-Tool Gedviz erlaubt, Staaten nach bestimmten Kennzahlen zu sortieren. Für Visualisierung 1 habe ich mal die europäischen Staaten im Uhrzeigersinn nach dem Saldo der Leistungsbilanz im Jahr 2007 geordnet. Macht man das für verschiedene Jahre, erkennt man schnell, dass es in Europa einen stabilen Block an Ländern gibt, die fast jedes Jahr Leistungsbilanzüberschüsse produzieren. Das sind die skandinavischen Länder, die Beneluxländer sowie die deutschsprachigen Länder. Alle anderen Länder weisen dagegen fast immer ein Leistungsbilanzdefizit auf. Es gibt eine Ausnahme: Frankreich. Frankreich hatte 2000-2005 einen Überschuss, wechselte dann aber auf die Defizitseite. Vielleicht entwickelt sich auch Estland zu einer Ausnahme. Nachdem es bis 2008 immer ein Minus in der Leistungsbilanz hatte, erzielte es 2009-2011 ein Plus. Die …

Entwicklungen im deutschen Warenhandel 2000-2011 – Teil 1: Der Bedeutungsverlust Europas

Die Bertelsmann-Stiftung hat ein neues, frei zugängliches, interaktives Online-Tool entwickelt, das sie GEDVIZ nennt. Man kann damit sehr schön nachvollziehen, wie sich Austauschbeziehungen zwischen den Ländern verändern. Ich habe es mal benutzt, um einige interessante Entwicklungen im deutschen Warenhandel in den Jahren 2000-2011 aufzuzeigen. Die Bedeutung Europas Insgesamt kann man die Warenhandelsströme zwischen 46 Staaten mit GEDVIZ analysieren und visualisieren. Einbezogen sind alle OECD-Staaten, alle EU-Staaten sowie die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien und China. Bisher sind Daten für die Jahre 2000-2011 in GEDVIZ verfügbar. Das ermöglicht schon einmal einen Vergleich der Entwicklungen vor und nach der Zäsur, die die Finanzkrise 2008 bedeutete. Meine erste Frage, die GEDVIZ beantworten sollte, war: Wie hat sich die Bedeutung Europas als Herkunftsregion deutscher Einfuhren und Zielregion deutscher Ausfuhren zwischen 2000 und 2011 entwickelt? Die Antwort liefert Präsentation 1 mit sechs Folien. Zwischen den Folien kann man übrigens unten links hin- und herschalten. Beim Überfahren einzelner Elemente mit der Maus werden zusätzliche Infos angezeigt. Im Jahr 2000 hatte der deutsche Warenexport in die 45 anderen Länder des Datensatzes einen Wert …

Philippe Legrain oder die blinden Flecken eines Beraters von José Manuel Barroso

Auf der Konferenz „Ökonomie neu denken“ analysierte Philippe Legrain die Eurokrise, dachte aber seine Analyse nicht bis zum konsequenten Ende durch. Der 38-jährige Philippe Legrain ist eloquent, intelligent und erfolgreich. Er hat gelernt, sich in drei verschiedenen Welten zu bewegen und zwischen ihnen zu vermitteln:  in der Welt der Wissenschaft, in der Welt der Medien und in der Welt der Politik. In letzterer ist er als Berater des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso aktiv. Auf der Konferenz „Ökonomie neu denken“ sprach Philippe Legrain zum Thema „Politikberatung durch Ökonomen“. (Ein Audiomitschnitt findet sich auf den Seiten des Stifterverbandes.) Erwartungsgemäß handelte ein großer Teil seiner Rede von der Eurokrise. Legrain begann mit einer richtigen Analyse: Die Eurokrise sei nicht in erster Linie eine Krise der Staatshaushalte, sondern eine des Finanzsektors, sehe man von der Ausnahme Griechenland ab. Es war in der Tat der Finanzsektor, der in den Jahren vor 2008 Immobilienblasen (z. B. in Spanien) oder eine aufgeblähte griechische Staatswirtschaft finanzierte, als wären das sichere, rentierliche Anlagen. Die Staatsschulden sind eine Folge. Konsequenterweise lehnt Legrain eine reine Sparpolitik …

Sind Zielwerte für die Leistungsbilanz sinnvoll?

Zumindest in den USA ist das Bewusstsein sehr hoch, dass die strukturellen Ungleichgewichte im Welthandel nach dem Motto Deutschland, China und Japan produzieren, die USA konsumieren, nicht dauerhaft tragbar sind. Darum kommen auch von dort neue Vorschläge, um die Ungleichgewichte zu beheben: US-Finanzminister Timothy Geithner ließ im Vorfeld des Treffens der Finanzminister der G-20 verlauten, alle Staaten sollen sich verpflichten, ihren Leistungsbilanzüberschuss- oder ihr Leistungsbilanzdefizit auf 4 % des BIPs zu begrenzen. Die deutsche Ablehnung dieses Vorschlags erfolgte reflexhaft und vorhersehbar. Schließlich ist nach Geithners Vorstellung Deutschland ein Leistungsbilanzsünder. Dieses Jahr wird laut IWF Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss voraussichtlich bei 6,1 % des BIPs liegen. Andere Leistungsbilanzsünder sind z. B. China (4,7% Überschuss des BIPs) sowie (allerdings mit einem Defizit) Griechenland und Portugal mit -10,8 bzw. -10,0 %. Nun ist Geithners Vorschlag sicherlich noch unausgegoren. Zum einen ist es zu kurzfristig ausgerichtet, wenn man immer nur die Leistungsbilanz eines Jahres betrachtet. Sinnvoller wäre es, Fünf- oder Siebenjahreszeiträume zu nehmen. Zum anderen bleibt offen, mit welchen politischen Mitteln die Leistungsbilanz gesteuert werden soll. Der US-Finanzminister denkt wohl hauptsächlich an die Wechselkurspolitik. …

Die Kosten des Euro

übernommen aus Wirtschaftswende vom 12.5.2010 Zunächst waren es 45 Milliarden, dann 110 Milliarden. Nun kommen noch einmal 750 Milliarden dazu. Die Angaben über die Kosten der Eurorettung explodierten innerhalb weniger Tage. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Müssen sich die Bundestagsabgeordneten, die am Freitag noch dachten, mit den 110 Milliarden wäre es getan, nicht verarscht vorkommen? Und werden wenigstens die 750 Milliarden reichen? Egghat hat in seinem Blogg ausgrechnet, dass 750 Milliarden gerade mal reichen, um das Leistungsbilanzdefizit der Südländer 3 1/2 Jahre zu finanzieren. Das ist nicht lange. Und damit sind wir beim eigentlichen Problem. In einem alten Beitrag hatte ich mich darüber gewundert, dass “die Spekulanten” über Griechenland herfallen und nicht über Japan, das eine viel höhere Staatsverschuldung hat. Ich hatte dabei allerdings übersehen, dass Griechenland ein Riesen-Leistungsbilanzdefizit hat, Japan dagegen hat im internationalen Handel Überschüsse. Die Leistungsbilanz ist das eigentliche Problem, nicht die Staatsverschuldung. Dieses Problem wird im Falle von Griechenland und der anderen Südländer noch dadurch erschwert, dass sie keine Möglichkeit haben, durch eine einfache Währungsabwertung ihre Waren wieder billiger und damit wettbewerbsfähiger …