Zumindest in den USA ist das Bewusstsein sehr hoch, dass die strukturellen Ungleichgewichte im Welthandel nach dem Motto Deutschland, China und Japan produzieren, die USA konsumieren, nicht dauerhaft tragbar sind. Darum kommen auch von dort neue Vorschläge, um die Ungleichgewichte zu beheben: US-Finanzminister Timothy Geithner ließ im Vorfeld des Treffens der Finanzminister der G-20 verlauten, alle Staaten sollen sich verpflichten, ihren Leistungsbilanzüberschuss- oder ihr Leistungsbilanzdefizit auf 4 % des BIPs zu begrenzen.
Die deutsche Ablehnung dieses Vorschlags erfolgte reflexhaft und vorhersehbar. Schließlich ist nach Geithners Vorstellung Deutschland ein Leistungsbilanzsünder. Dieses Jahr wird laut IWF Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss voraussichtlich bei 6,1 % des BIPs liegen. Andere Leistungsbilanzsünder sind z. B. China (4,7% Überschuss des BIPs) sowie (allerdings mit einem Defizit) Griechenland und Portugal mit -10,8 bzw. -10,0 %.
Nun ist Geithners Vorschlag sicherlich noch unausgegoren. Zum einen ist es zu kurzfristig ausgerichtet, wenn man immer nur die Leistungsbilanz eines Jahres betrachtet. Sinnvoller wäre es, Fünf- oder Siebenjahreszeiträume zu nehmen. Zum anderen bleibt offen, mit welchen politischen Mitteln die Leistungsbilanz gesteuert werden soll. Der US-Finanzminister denkt wohl hauptsächlich an die Wechselkurspolitik. Entsprechend sieht Mark Schieritz (Herdentrieb) schon eine Lafontaine-Renaissance. Wir erinnern uns: Der damalige Finanzminister Oskar Lafontaine wollte schon vor über 10 Jahren Zielzonen für Wechselkurse einführen. Schieritz betreibt hier allerdings eine überflüssige (wenn auch in den Medien beliebte) Personalisierung des Themas. Lafontaine war weder der erste noch der einzige, der Wechselkurszielzonen forderte.
Das Problem: Es gibt niemanden, der weiß, welcher Eurokurs notwendig wäre, um das deutsche Leistungsbilanzüberschuss auf unter 4 % zu senken. Und selbst wenn es doch jemand wüsste, ein solcher Zielwechselkurs müsste selbst schwanken. Zudem reagiert die Leistungsbilanz nur mit Verzögerung auf den Wechselkurs.
Wenn man ein Leistungsbilanzziel tatsächlich ernst nehmen will, muss man wohl oder übel weitere Politikinstrumente ins Auge fassen. Zölle etwa. Ländern mit Leistungsbilanzdefizit müssten ihre Zölle erhöhen. Man sieht, Geithners Vorschlag kann nur ein erster Anstoß sein.
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