Wirtschaftswurm-Blog

Erlassjahr

Alle sieben Jahre sollst du ein Erlassjahr halten. So aber soll es zugehen mit dem Erlassjahr: Wenn einer seinem Nächsten etwas geborgt hat, der soll’s ihm erlassen und soll’s nicht eintreiben von seinem Bruder: denn man hat ein Erlassjahr ausgerufen dem Herrn.

So steht es im fünften Buch Mose (15, 1-2). Und manchmal ist es ja gar nicht schlecht, wenn man sich bei der Suche nach der Lösung aktueller Probleme in uralten Büchern umsieht. Denn im Grunde genommen ist alles schon einmal da gewesen.

Schuldenkrisen gab es schon in alttestamentarischer Zeit. Wer damals seine Schulden nicht zurückzahlen konnte, musste sich als Sklave verkaufen und fortan für seinen Gläubiger arbeiten. Im Laufe der Zeit spaltete sich so die hebräische Gesellschaft. Die Reichen wurden immer reicher, die Sklaven wurden immer zahlreicher.

Das fünfte Buch Mose, auch Deuteronomium genannt, wurde wahrscheinlich zur Zeit König Josias von Juda im 7. Jahrhundert v. Chr. niedergeschrieben. Juda war damals ein kleines Königreich, bedroht von den benachbarten Großmächten. Es konnte sich keine sozialen Konflikte erlauben. Und so setzte sich eine in damaligen Zeiten einmalige „Sozialgesetzgebung“ durch: nicht nur, dass hebräische Sklaven nach sechs Jahren Dienst freigelassen werden sollten, auch Schulden sollten regelmäßig und vollständig gestrichen werden. Das war das Erlassjahr.

Schuldenerlass ist auch unserem heutigen Wirtschaftssystem nicht fremd. Es gibt die Privatinsolvenz und die Firmeninsolvenz – zumindest die Insolvenz kleiner und mittlerer Firmen. Bei Großunternehmen und bei Banken herrscht dagegen die Vorstellung vor, sie dürften nicht pleite gehen: „systemrelevant“. Im Zweifel springt der Staat ein.

Der Staat selbst darf erst recht nicht pleite gehen. Lieber verdonnert man irische oder griechische Staatsbürger zu jahrzehntelanger Schuldknechtschaft. Da war man selbst in alttestamentarischer Zeit, als noch das Gesetz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ galt, weiter.