Wirtschaftswurm-Blog

Wer soll wie über Zypern entscheiden?

Trägt die Bundesregierung im Fall Zypern wirklich die Verantwortung?

Tatsächlich war der Beschluss z.B. Taschengeldkonten von Kindern zu belasten nur im Raumschiff Brüssel möglich und denkbar.“ – So schrieb ich in meinem letzten Blogbeitrag. Auch Frank Lübberding scheint das ähnlich zu sehen und diagnostiziert auf Wiesaussieht „ein Strukturdefizit der europäischen Politik“. Sein Vorschlag, wie man dieses Strukturdefizit beheben kann, ist aber rückwärtsgewandt und wird nicht funktionieren.

Deutschland solle (wieder) in die Rolle der informellen Hegemonialmacht schlüpfen und dabei das europäische Gesamtinteresse gegenüber (auch deutschen) Einzelinteressen vertreten. So fordert es Lübberding. Damit trifft er übrigens ziemlich genau die Agenda von Eric Bonse auf LostinEUrope. Bonse schimpft leidenschaftlich gerne über das, was die Bundesregierung in Brüssel anstellt.

Drei Gründe sprechen gegen Lübberdings Vorschlag:

  1. Die Bundeskanzlerin hat kein Mandat, für den ganzen Kontinent zu sprechen. Niemand hat sie dafür gewählt. Sie ist auf die deutschen Interessen verpflichtet, aber auch beschränkt. Wer sie davon entbinden will, will sie von der Demokratie entbinden.
  2. Die Informationskanäle des ganzen Kontinents bündeln sich nicht in Berlin. Die Bundesregierung verfügt daher über keinerlei besonderes Wissen, das sie dazu befähigen würde, das Gesamtinteresse Europas gut wahrzunehmen.
  3. Nicht zuletzt fehlt Berlin Macht. Die relative Größe Deutschlands in der EU ist mit jeder Erweiterung geschrumpft. Die Schlüsselstellung Deutschlands bei der Eurorettung ergibt sich lediglich aus einer eher vorübergehenden Konstellation.

Wie das wäre, wenn Deutschland die von Lübberding vorgedachte Rolle ausfüllte, konnte man übrigens gestern bei Anne Will an der „begeisterten Europäerin“ Gesine Schwan studieren. Schwan war sich nicht zu schade, in einer Talkshowrunde ernsthaft nach neuen Geschäftsmodellen für Zypern zu fragen. Die Frau scheint es also tatsächlich für möglich zu halten, von Berlin aus die zyprische Wirtschaft lenken zu können. Lasst uns noch im Nachhinein froh sein, dass der Kelch „Bundespräsidentin Schwan“ an uns vorüber gegangen ist!

Nein, Deutschland muss nicht Europa bemuttern!

Satellitenbild Zyperns

Satellitenbild Zyperns

Ich hoffe, die Bundesregierung bleibt im Fall Zypern hart. Abgesehen von der Guthabensteuer für Kleinsparer (ein trojanisches Pferd, mit dem Zyperns Präsident das Rettungspaket sprengte) waren die Auflagen für Zypern gerechtfertigt. Alexander Armbrüster machte dies im Fazit-Blog noch einmal sehr deutlich.

Zyperns heute veröffentlichter Plan B taugt dagegen nichts. Das Land will nun Geld durch besicherte Anleihen beschaffen. Die Goldreserven des Landes sowie Gelder der Rentenkasse und der Kirche sollen unter anderem als Sicherheiten dienen. Solche Sicherheiten für andere Gläubiger schwächen aber die Gläubigerstellung des Euro-Rettungsschirms ESM.


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8 Kommentare

  1. Hallo, da ich direkt angesprochen werde, erlaube ich mir eine kleine Replik. Stimmt, ich schimpfe oft über die Bundesregierung. Ich wünsche mir aber keine deutsche Hegemonie. Das wäre auch absurd, denn die besteht längst. Was ich mir wünsche, ist eine andere Politik. Und im Gegensatz zu Lübberding und vielen Briten und Amerikanern glaube ich nicht, dass diese durch eine „aufgeklärte“ Führungsrolle Deutschlands erreicht werden kann. Nein, dazu brauchen wir 1. eine andere Regierung in Berlin und 2. andere Institutionen in Brüssel, die es verhindern, dass ein Land (Deutschland) den anderen durch ein einfaches Nein seine Meinung aufdrängen kann. Die EU ist dazu in der aktuellen Form nicht in der Lage, die Eurogruppe schon gar nicht.

  2. Sie widersprechen sich am laufenden Band:

    „Die Bundeskanzlerin hat kein Mandat, für den ganzen Kontinent zu sprechen. Niemand hat sie dafür gewählt. Sie ist auf die deutschen Interessen verpflichtet, aber auch beschränkt.“

    Faktisch spricht sie durch das ökonomische Modell ihrer Europolitik für den ganzen Kontinent. Sie ist auch nicht für „marktkonforme Demokratie“ bzw. „alternativlose Politik“ gewählt worden. Was nach Ihren Vorstellungen „deutsche Interessen“ sind, ist alles andere als klar.

    „Die Informationskanäle des ganzen Kontinents bündeln sich nicht in Berlin.“ Ich weiß nicht, welche politische, mediale bzw ökonomische Analyse Ihrer Vorstellung von Informationskanälen zu grunde liegt. Faktisch wird durch die Bundesregierung vor jedem europäischen Gipfel die Marschroute festgelegt. Es gibt keine maßgeblichen Abweichungen von dieser Linie in den seit 2009 getroffenen Beschlüssen des Europäischen Rats. Das liegt allerdings auch nicht an „Informationskanälen“, sondern an Durchsetzungs- bzw. Vetomacht.

    „Die relative Größe Deutschlands in der EU ist mit jeder Erweiterung geschrumpft.“ In welcher Beziehung steht Ihre Idee der „relativen Größe Deutschlands“ zu seiner ökonomischen Bedeutung? Und welche Analye bringt Sie auf die Idee, dass die „Schlüsselstellung Deutschlands (…) lediglich (…) einer eher vorübergehenden Konstellation“ zuzuschreiben sei?

  3. Häschen sagt

    Wie auch immer. Ich sehe keinen Grund jetzt auf einmal ehrbaren russische Geschäftsleute egal, ob sie auf Zypern investiert sind oder dort wirtschaften – das Gros sind bestimmt Unternehmer ganz liberaler Prägung. Russen sind fleißige Unternehmer. Die schöpfen das Potential. Potential allein recht nicht, der Fleiß gehört dazu. Und zumal nicht viel besteuert wird bleibt halt mehr übrig. Das Bisserl Steuern das in Russland eingehoben wird, das fällt nicht auf. Die haben noch eine gesunde Abgabenstruktur. Die Finanzieren nicht Scheinarbeit, Prunk und Proporz usw … Den russischen Unternehmern wird es dort gefallen, Kohle hin und wirtschaften. Wie soll es anders gehen. Das war in .de auch nicht anders … Bayern (Strukturhilfen inkl Inflation – mächtiger Betrag).

    Was Brüssel nicht passt ist, Berlin und Paris vermutlich, dass ein kleines Land die Apparatschiks nicht braucht, so wie keiner in Europa. Das kommt der Wahrheit viel näher.

    Das Feindbild, der Russische Oligarch, selbst unter der Annahme, dass er/sie ein Geschäft vom ‚Staat‘ hat zugeschanzt bekommen, ist nicht anders zu sehen als ein Pensionsfonds in dem die Gelder der Deutschen Arbeitnehmer, Selbstständigen oder öffentl. Bediensteten veranlagt sind.

    Was bestimmt nicht sein darf ist, dass im Sinne des europäischen Gemeinwohls Paris und Berlin bestimmen wer darf wieviel Geld im Bankensystem haben oder noch schlimmer die Apparatschicks in Brüssel. Die sind ja bestenfalls neidig auf die Regierung in Zypern, oder auch insbesondere da sie ihre Zukunft schauen im Moment.

    Deutschland und Frankreich haben an sich die Wahl, ob der Arbeiter mit einer dünnen Kartoffelsuppe seinen geschunden Körper stärkt oder der Pensionist (gelebte Praxis auch schon heute, aber der Rentner), während sich in Brüssel die Appartschiks mit herrlichsten Speisen den vollen Wanst weiter füllen. Die Alternativen für die anderen Europa sind nicht viel besser.

    Wirtschaftswurm wohl recht, aber die Argumentation das Bankensystem von Zypern sei zu groß stimmt nicht ganz. Das Bankensystem ist zu groß, dass der Staat das Bankensystem stützt. Ist das normal? Für Realwirtschaft kann eigentlich nur zu wenig Geld da sein, zuviel eigentlich nicht, sofern die Banken ihr Geschäft redlich betreiben. Das Problem ist aber wieder das Eurosystem ohne Abwertemöglichkeit … sonst würden sich die Investoren die Investition überlegen.

    Zypern ist das beste Beispiel was läuft. Nirgends sonst kommt es so auf den Punkt wie dort. Die Eurogruppe hat ihre wahre Fratze gezeigt. Genau das selbe Spiel läuft überall in ganz Europa, allein in Zypern kann man es nicht mehr verdecken. Dort ist die Enteignung offensichtlich. Bitte, wenn Europa nicht in der Lage ist ein paar Milliarden aufzustellen, dann liegt der Verdacht nahe, dass entweder das Bankensystem komplett abgehaust ist, genauso wie die Deutsche Bank (als Beispiel) war und vermutlich noch immer ist oder es um etwas anderes geht.

    Prinzipiell gehören die Gasvorkommen Zypern auch wenn sie selbige nicht heben können oder wollen. Das kann man sich nicht ergaunern, wie die Triade das gern möchte. Troika heißt ja nichts anderes und das Geschäft ist ähnlich gelagert.

    Wo das Geld herkommt ist egal. Früher hätte man den Eindruck gewinnen können, Arbeit und Geschick schaffen Geld (in Wahrheit generierten sie einen durchaus nachhaltigen Titel die Geldmenge auszuweiten). Heute ist das eine Illusion – Arbeit und Geschäftstüchtigkeit erlauben den Zugriff und tragen weniger zu Schaffen der nachhaltigen Basis bei. D.h. es gibt keine Verbindung mehr noch nicht mal mehr die Illusion. Damit kann man den Bürger unter dem Titel – der Staat hätte die Banken und damit die Investoren zu retten – aber nicht zur Kasse zu bitten. Egal ob Steuerzahler oder als Bankkunde. Die 9% sind zwar nicht die Welt, stimmt und der aktuell vorgeschlagene Fonds ist eine Verschleppungsmaßnahme.

    Vermutlich will man der Triade entkommen. IMF, ECB und EC sind kein Segen für die Menschheit sind aber nicht einzigen die Unsegen unter die Menschen brachten und auch weiterhin bringen werden. Zumal die Eurogruppe als vierter apokalyptischer Reiter sich im Hintergrund hält.

    Es ist die Aufgabe des Bankensystems sich um die Finanzierung der Wirtschaft zu kümmern und wer sich überhebt der hat Pech gehabt und auch dessen Kunde. Wenn es die Deutsche Bank oder die Landesbanken sind genauso … die sind ja nicht konkursreif da Realwirtschaftsunternehmen pleite gingen:). Das Geld gehört aus dem System raus … auch wenn es den Sparer trifft, das ist so. Guthaben entstehen aus Kredit … unserer Weltfinanzsystem ist legalisiertes ‚Wechselreiten‘ und irgendwann einmal steigt einer aus.

  4. Stich sagt

    Natürlich hat die Bundeskanzlerin die Aufgabe, sich für deutsche Interessen einzusetzen. Das schließt allerdings nicht aus, dass es auch im deutschen Interesse sein kann, wenn die EU ein funktionierendes Gebilde ist.

    Zu so einem funktionierenden Gebilde gehört aber auch, dass die Souveranität anderer Länder geachtet wird. Bei dem derzeitigen (Fehl-)Stand der Bankenunion heißt das, dass die zyprische Regierung souverän darüber entscheidet, ob und wie sie die beiden Banken retten möchte. Und das heißt, dass andere Länder souverän entscheiden, ob sie Geld dazugeben möchten.

    http://nagelstiche.de/2013/03/verantwortung-in-zypern/

  5. Wirtschaftswurm sagt

    @HansHuett,
    was deutsches Interesse ist, muss im Diskurs festgelegt werden. Die Bundeskanzlerin ist da eingebunden.
    Statt von einem Mangel an Informationskanälen hätte ich vielleicht besser von einer „Anmaßung von Wissen“ sprechen sollen, dann wäre klar, dass ich mich hier auf die Theorien Hayeks stütze. Aber was Lübberding fordert, ist nicht nur eine ineffiziente Zentralisierung des Wissens, nein, diese Zentralisierung soll auch noch abseits der Hierarchielinie, nämlich in Berlin statt in Brüssel, erfolgen.
    „Faktisch wird durch die Bundesregierung vor jedem europäischen Gipfel die Marschroute festgelegt. Es gibt keine maßgeblichen Abweichungen von dieser Linie in den seit 2009 getroffenen Beschlüssen des Europäischen Rats.“ – Bei Merkel ist doch immer unklar, ob sie die Beschlüsse bestimmt oder sich nur an die Beschlüsse angepasst hat. Ökonomisch gibt es keine dominante Macht in der Eurozone. Deutschland hat gerade gut 20% des BIPs der EU.

  6. Ktrd sagt

    Es ist in gewisser Hinsicht ein „Glück“, dass ein – von der Wirtschaftsleistung her – kleines Land wie Zypern gegenwärtig strauchelt. Dies meine ich nicht zynisch! Denn so gibt es einen „Experimentier“-Spielraum, ohne dass die Drohung nach der Art“too big to fail“, alles erstickt.
    Russland hat eine Umschuldung der 2,5 Mia abgelehnt. Europa hat immerhin einen akzeptablen Plan vorgelegt, in dem Zypern etwas mehr als ein Drittel der Schulden selbst abbauen muss und rund 10 Mia Kredite von der EU übernommen werden.
    Da die zypriotische Regierung sehr schwer hat, die Besteuerung von Sparguthaben, im eignen Land zu vertreten, versuchen sie andere Möglichkeiten.
    Ich denke allerdings, dass die Besteuerung von Kleinguthaben (unter 20.000 oder 40.000 €, vielleicht sogar unter 100.000€ wegen der Einlagensicherung) tatsächlich keine verantwortungsvolle Handlung wäre. Die Besteuerung von Guthaben über 100.000 € allerdings durchaus. Nur möchte die zypriotische Regierung es nicht als eigene Maßnahme tun – lieber als aufgezwungene Maßnahme der bösen EU und des bösen Deutschlands.
    Mein Eindruck ist, dass die EU und damit auch Deutschland durchaus Verantwortung in dieser Krise übernehmen, aber in erster Linie dadurch, dass sie Verantwortung in Form konkreter Maßnahmen/Vorschläge/Bedingungen übernehmen gleichzeitig in der Schusslinie sind. Es ist daher dringend an der Zeit, dass verschuldete Staaten einen Eigenbeitrag durch EIGENE Vorschläge einbringen.
    Die EU und Deutschland haben das zypriotische Bankwesen nicht aufgebläht und die EU hat Zypern bzw. deren Banken auch nie angestiftet oder befeuert, risikoreiche Griechenlandpapiere in großen Mengen zu kaufen.
    Als Letztes: die EU-Staaten wie Deutschland haben im Inland einiges an Protest, Häme und Kritik eingesteckt, weil sie einen finanzstarken Rettungsschirm beschlossen haben und ihn finanzieren.
    Das ist auch korrekt so. Konkrete Maßnahmen führen zu konkreter Kritik.
    Das Gleiche sehe ich jetzt allerdings in Zypern und anderen potentiellen Schuldnerstaaten.

  7. Wirtschaftswurm sagt

    Ja, auch wenn ich den Euro für gescheitert halte, bin ich nicht der Meinung, dass jeder größere Landkreis eine eigene Währung braucht. Ein kleines Land wie Zypern kann durchaus in einer Währungsunion mitlaufen, kann aber nicht erwarten, dass man sich besonders um es kümmert. Die für die Währungsunion notwendigen Anpassungen muss es schon selbst erbringen.

  8. Matthias Meier sagt

    Die Banken sind nicht pleite, weil in zypern über 500.000 (!!!) Unternehmen registriert sind und dort legal Steuern zahlen (OECD weiße Liste), sondern weil die Banken Griechenland gerettet haben. Wie auch immer, die Zinsen sind ein Problem, ein anderes Problem sind Euro und EU bzw das Geldsystem selbst. Ich selbst werde wenn mein Anwalt mir ein okay gibt, wohl mein Vermögen so [Werbelink für Vermögensgesellschaften in den Vereinigten Arabischen Emiraten entfernt-Wirtschaftswurm] schützen. Denn was nützt es mir 1 Mio Gold zu kaufen von einem deutschen Händler über eine deutsche bankverbindung, wenn Schäuble anfängt Gold zu verbieten und Hausdurchsuchungen anzuordnen.

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