Wirtschaftswurm-Blog

Der Ökonomenblick auf die Zeitungsdebatte von SPON

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Die Leute von Spiegel Online haben die Ergebnisse einer vierwöchigen Debatte zur Frage „Stirbt die Zeitung?“ in sechs Kapiteln zusammengefasst. Schauen wir uns einige Ergebnisse einmal mit dem scharfen Blick des Ökonomen an.

So spricht der Geisteswissenschaftler Frank Schirrmacher (FAZ) von einer „Ökonomie nach harten Regeln“ und einem „neoliberalen Markt“, wenn er über Medienangebote im Internet redet. Doch als Volkswirt kann ich das präziser ausdrücken und dadurch einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn vermitteln.

Es geht um Folgendes:

Im normalen Zeitungsgeschäft sind mindestens ein Drittel der Kosten variable Kosten, also Kosten, die mit der Zahl der gedruckten und ausgelieferten Exemplare steigen oder fallen. Variable Kosten fallen vor allem bei Herstellung und Vertrieb der Zeitungen an. Der Rest sind fixe Kosten, die anfallen, selbst wenn nur ein einziges Zeitungsexpemplar gedruckt werden soll. Hierzu zählen vor allem Redaktionskosten, Verwaltungskosten und Anzeigenkosten.

In der digitalen Welt nun reduzieren sich Herstellungs- und Vertriebskosten auf einen Bruchteil. Damit fallen die variablen Kosten weitgehend weg. Und die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Marktes verändern sich grundlegend.

Wenn ein zusätzlicher Nutzer nichts kostet, man aber erwarten kann, dass er die Werbeerlöse zumindest ein bisschen steigert, dann ist es sinnvoll, möglichst viele Leser auf seine Internetpräsenz zu locken, ja, zu diesem Zweck sogar den Zugangspreis auf 0 zu senken.

Es ist also betriebs- und volkswirtschaftlich keineswegs von vornherein ein Fehler, Inhalte im Netz kostenlos anzubieten, auch wenn das ein Redakteur in der SPON-Debatte behauptete. Man muss sich allerdings darüber im Klaren sein, dass man sich damit auf einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb einlässt. Nur der kann gewinnen, der durch große Reichweite auch bei geringen Erlösen pro Nutzer so viel Geld einnimmt, dass er die Fixkosten raushat. Für die meisten unmöglich.

Selbst wenn drei oder vier Inhalteanbieter übrig bleiben, ist das nicht das Ende des Wettbewerbs bei vernachlässigbaren variablen Kosten. Die Eigentümer eines Anbieters können sich leicht ausrechnen, dass es sich lohnt die Konkurrenz aufzukaufen und deren Nutzer mit Inhalten aus der eigenen Redaktion zu beliefern. Verwaltung und Redaktion des aufgekauften Anbieters werden dann natürlich aufgelöst. Die Ersparnis wird zum Gewinn der Aufkäufer.

Es gibt allerdings eine Eigenschaft des digitalen Medienmarkts, die einem großen natürlichen Monopol entgegen wirkt: Das Produkt ist nämlich nicht homogen, sondern heterogen. Das bedeutet, die Nutzer haben verschiedene Vorlieben, was Stil, Aufbereitung und Themen der Inhalte anbelangt.

Wenn es also gelingt, in Stil, Aufbereitung oder Themen Einzigartigkeit zu erreichen und zu erhalten, rechtfertigt dies ökonomisch, ein eigenes, unabhängiges digitales Angebot aufrecht zu erhalten. Die Redakteure, die Angebote machen wollen, die „nicht geklont“ werden können, haben dies erkannt.

Bezahlschranken verändern übrigens nicht die beschriebene Marktökonomie. Langfristig stärken sie die Kräfte hin zu einem natürlichen Monopol wahrscheinlich sogar. In einem zweiteiligen Blogbeitrag „Das Internet als Park“ habe ich dies schon einmal beschrieben.

Titelbild: WAZ-Druckhaus Essen, Bestandteil der alten Zeitungsökonomie, Foto: NatiSythen


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3 Kommentare

  1. Teufel sagt

    Klingt für mich einleuchtend. Aber den Aspekt, dass in Deutschland durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit seinen enormen Onlineangebot sowieso ein schwierigeres Feld herrscht als in vielen anderen Ländern, sollte man nicht ausblenden. Wahrscheinlich stehen die Zeitungen auch dadurch auf verlorenem Posten.
    Klar ist aber, dass für die mediale Einheitssauce keiner bereit sein wird, zu zahlen. Solange man in einer Regionalzeitung mit DPA-Meldungen für den Bundeteil versorgt wird, braucht man sich davon keinen Mehrwert zu erwarten. Außer FAZ und SPON traue ich kaum einer Zeitung zu, zu überleben.

  2. Arne Kuster sagt

    @Teufel,
    wenn allerdings ein Monopol für aktuelle Meldungen entstehen sollte, dann sehe ich das eher bei SPON, denn bei tagesschau.de.

  3. Pingback: Samstagslektüre: Aufpolierte Favelas und leergeräumte Redaktionen | JonasGerding

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