Wirtschaftswurm-Blog

Was hat die Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht gebracht?

Im Wiwo-Lunchtalk zeigte sich Marcel Fratzscher, Präsident des DIW, „schockiert“ über den Verlauf der Anhörung vor dem Verfassungsgericht. Doch was ihn schockiert, gibt mir Anlass zu Hoffnung. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Bundesverfassungsrichter Auflagen für die Käufe von Staatsanleihen durch die EZB (OMT – Outright Monetary Transaction genannt) formulieren werden. Denn aus den Experten-Stellungnahmen vor dem Bundesverfassungsgericht ging einmal mehr hervor, wie problematisch diese Käufe von Staatsanleihen durch die Notenbank sind.

Von den befragten Ökonomen hielt neben Fratzscher nur EZB-Vertreter Jörg Asmussen in seiner Stellungnahme die Anleihekäufe für notwendig. Ausgangspunkt seiner Begründung sind Marktturbulenzen, die angeblich den Preis für Anleihen aus den Südländern unverhältnismäßig niederdrückten und so die Zinsen in die Höhe trieben. Hierdurch hätte die Zinspolitik der EZB in den Südländern nicht mehr gewirkt. Das OMT-Programm diene lediglich dazu, die Wirkungskanäle der Geldpolitik wiederherzustellen.

In seiner eigenen Stellungnahme erwiderte Bundesbankchef Jens Weidmann allerdings richtig:

Die Antwort auf die Frage, ob Anleger den Risikogehalt der Anleihen bestimmter Mitgliedstaaten zutreffend bewerten, ist in hohem Maße subjektiv.

Genau dies folgt ja auch aus der Diskussion zu Spekulationsblasen in der letzten Ökonomenblogparade. Es gibt keinen objektiven Fundamentalwert. Der Wert eines Wertpapiers hängt sehr stark von den eigenen, größtenteils subjektiven Zukunftserwartungen ab. Und da es keinen objektiven Wert gibt, ist es auch Unsinn, über Abweichungen von einem solchen einen Markteingriff zu begründen.

Immerhin konnte Asmussen auch aus meiner Sicht einen Punkt machen. Das OMT-Programm habe zu einem Rückgang der Targetsalden beigetragen. Damit hat es die Risiken, die mit den hohen Salden der europäischen Notenbanken einhergehen, reduziert. Allerdings hat es diese Risiken nur durch andere ersetzt. Jens Weidmann:

Im Falle der Sekundärmarktkäufe der Notenbanken stellen sich die Risiken aus daraus resultierenden Verlusten für den Steuerzahler letztlich ähnlich dar wie bei etwaigen Anleihekäufen des ESM.

Ob ein drohendes Auseinanderbrechen der Währungsunion die EZB-Aktionen rechtfertigt, mit dieser Frage beschäftigte sich insbesondere Clemens Fuest, Präsident des ZEW, in seiner Stellungnahme vor den Richtern. Seine Argumente:

  • Ein Austritt eines Staates würde zwar viele ökonomische Probleme verursachen, aber die Preisstabilität in den verbleibenden Staaten wäre wohl nicht das Hauptproblem.
  • Umgekehrt berge die Ankündigung einer Notenbank zu tun, was immer notwendig sei, um die Währungsunion zusammenzuhalten, massive Risiken für die Preisstabilität. Eine solche Festlegung gefährde zudem die Unabhängigkeit der Notenbank.

Letztlich, so die Schlussfolgerung, sei es nicht Sache der EZB, deren Mandat ausschließlich die Preisstabilität ist, die Regierung eines Staates bei der Entscheidung zu steuern, ob er weiterhin Mitglied der Währungsunion bleibt.


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9 Kommentare

  1. Das verstehe ich nicht. Darf eine Zentralbank nicht dafür sorgen, das ihre Währungsunion vor spekulativen Attacken geschützt wird? Ist die EZB wirklich nur dazu da, Inflation abzuwehren? Und: Du vergisst, dass das OMT-Programm noch nicht ein einzige Ml angewendet wurde. Es hat den deutschen, französischen, italienischen etc. Steuerzahler noch keinen Cent gekostet, dafür aber hohe „Rettungs“-Kosten gespart. Sollten sich die Kritiker durchsetzen, wäre dies mit noch viel höheren Kosten verbunden… http://lostineu.eu/was-ware-wenn/

  2. Wirtschaftswurm sagt

    „Ist die EZB wirklich nur dazu da, Inflation abzuwehren?“ – Ja, die EZB ist kein Selbstzweck, sondern einzig dazu da, Inflation abzuwehren. Die Begrüdung für die Unabhängigkeit der EZB von den gewählten Politikern liegt ja auch darin, dass sie nur einen sehr begrenzten Zweck hat.
    „Du vergisst, dass das OMT-Programm noch nicht ein einzige Ml angewendet wurde.“ – Das ist in der Tat das stärkste Argument der Befürworter. Aber warten wir ab, wie lange man das noch sagen können wird.

  3. Erich sagt

    Die EZB kann Staatsanleihen nur mit neu gedrucktem Geld kaufen, egal, ob direkt oder indirekt. Wenn die EZB Geld druckt, dann müsste sie das entsprechend dem Anteil am BSP an die Mitgliedsstaaten verteilen. Beim Kauf von Staatsanleihen bekommt nur der Staat, der diese Staatsanleihen ausgibt, das neue Geld. Wenn also die EZB etwa italienische Statsanleihen in Höhe von 100 Mrd Euro aufkauft, dann entspricht dies einem Transfer in Höhe von 28 Mrd Euro alleine von der Bundesrepublik an Italien.

    Dieser Verteilungsmechanismus läuft völlig ohne jede demokratische Kontrolle ab. Das EZB Gremium entspricht in keiner Weise der Bevölkerungsverteilung, und unser Bundestag hat keinerlei Mitspracherechte beim Verschenken solcher Summen. So wie sich die Banken in manchen Ländern gebärden, ist es nicht abwegig anzunehmen, dass ein guter Teil davon an entsprechende Mafiaorganisationen verschwindet.

    Wen das das neue Europa sein soll, dann gute Nacht.

  4. Micha sagt

    Über Sinn und Unsinn einer Sache hat das BVG nicht zu entscheiden, und das hat seine Guten Gründe (Vergleichsbeispiel, wenn es der Wirtschaft hilft, Flüchtlinge zu vergasen, weil das kosten einspart, wäre das zwar sinvoll im Sinne des Denkers, würde aber dem Gesetz in mehreren Punkten widersprechen) –> nur so kann Rechtsstaatlichkeit garantiert werden. Wenn es also ungesetzlich ist … und das schreit zum Himmel das das so ist, dann muss das BVG natürlich das unterbinden. Wenn es das nicht macht, dann hat das nichts mehr mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Frühere Urteile des BVG in diesen bezügen lassen seit geraumer Zeit sehr daran zweifeln, ob das BVG wirklich noch objektiv und unparteiisch entscheiden kann, weill es politisch immer mehr unter Druck gesetzt wird und wurde.

  5. Häschen sagt

    Der Preis einer Anleihe hat auf den Zins keine Auswirkung, bestenfalls auf die Rendite. Anleihen sind Geld, wenn die Anleihen billiger kaufen, kaufen sie billigeres Geld. Das ist ja der Trick dabei.

    Möglw. hat der Mario Draghi damit Spekulanten begünstigt. Das ist so vermute ich mal eher der Hintergrund. Ein Italiener im Auftrag eines Unternehmens aus New York … was kann das sein. Chicago ist zwar legendärer aber von New York gesteuert. Wie Brüssel.

    Die Beruhigung liegt möglw. in der Person des Mario Draghi begründet und dessen Zugehörigkeit zu nebulosen Kreisen ala Goldman Sachs und Friends. Was der M.D. gesagt hat war, ‚Wir kaufen jeden Laden auf bei dem wir kein Schutzgeld mehr können erpressen und verrechnen nach einer Imagekampagne den Kunden selbiges frisch fröhlich weiter‘. Letzeres ist der ESM.

    Es gäbe ja die Alternative die versammelten Familienoberhäupter dem Scharfrichter zu überantworten – im übertragenen Sinn.

    Eines ist schon klar, die Familien brennen nicht das ganze Viertel nieder, wenn die Gelder schmäler fließen. Sonst nehmen sie ja ihre Schutzfunktion nicht mehr wahr. Ist ja logo. Sonst ginge ja Image und Geld verloren. Wer hat Las Vegas finanziert? Der Greißler ums Eck bestimmt nicht.

    Die Anleihenkäufe sind aber allein eine Vorstufe für die Überantwortung der Faulen Kredite an den ESM. Das wäre meine Interpretation.

    Der EURO ist wie Geld respektive Währung ein Rechtskonstrukt. Wenn man sich bei einem Rechtskonstrukt nicht an geltendes Recht hält, dass bleibt ein fragwürdiges Konstrukt. Sie gehen aber zu, dass E.U. Institutionen – oder der Finanzkonzern Euro Gruppe auf die Deutsch Verfassung respektive das Grundgesetz pfeifen. Die EZB ist jetzt nicht eine Bausparkassa im hintersten Wald mit 40 Kunden.

    Was bringt ihnen eine unterbewerte DM? Namens Frankendollar = EURO. Das Problem das es zu lösen gibt
    a) Die EZB muss wie jede Notenbank Geld drucken können nach Lust und Laune und nicht die Staaten müssen die Oligarchen um Geld anpumpen.
    b) Lust und Laune wird sich erhöhen, wenn die Schieflagen im Europäischen Finanzsystem bestehen bleiben. Die realwirtschaftlichen Ungleichgewichte sorgen letztendlich dafür, dass jederzeit ein Spekulation vom Zaun kann gebrochen werden, solange man der abstrusen Argumentation der sog. Finanzmärkte glauben schenkt.
    c) Deswegen ist die Lösung Lust und Laune zu begrenzen.

    Warum soll ein Bürger dafür arbeiten, dass eine Bank am leben bleibt? Die haben dafür zu sorgen, dass es egal ist. Das ist der Kern. Wenn BMW pleite geht, Daimler, Porsche oder Siemens geht es für den Konsumenten genau um gar nichts. Und genauso ist es mit Banken und anderen Teilnehmern im Finanzmarkt prinzipiell.

    Was macht man in der Praxis. Zumal Staatsanleihen ja nicht bei dem liegen bleiben der sie kauft, die werden ja gehandelt und Teilnehmer im Finanzsystem decken sich damit zum gegebenen Zeitpunkt ein. Wenn sie um 100% Staatsanleihen kaufen und selbige liegen lassen bis zur Tilgung kann ihnen der Kurs egal sein, den können sie getrost mit 100% Buchwert stehen lassen. So schnell geht die Welt nicht unter. Es geht um Spekulation, das ist richtig. Es ging in der Euro Währungskrise nie um realwirtschaftliche Substanz.

    Früher haben Staaten Banken über den Jordan gehen lassen, zurecht. Banken sind Logistikorganisation die ihr eigens produziertes Monopolgut unter die Leut bringen wollen. Die Verweigerung eines Trennbankensystems heißt ja allein, Banken haben die Logistik nicht im Griff. Wenn das biedere Geschäft der Realwirtschaftsfinanzierung nicht marktkonform kann abgewickelt werden, dann muss der Teilnehmer aus dem Markt austreten und danke. Sein Geschäft bekommt ein anderer Teilnehmer.

    Es geht nicht darum welche Variante billiger ist – es geht darum, dass sie etwas kostet. Das wäre wie wenn vor dem Deutschen Parlament die Monarchen Europas ein Ritterturnier abhalten und der deutsche Michl müsste für die Rente der gefallenen Ritter und deren Landsknechte aufkommen.

    Die E.U. ist ja so absurd. Wenn man 1000 Leut auf einmal rausschweißt und die Globalisierung kann verantwortlich machen zahlt die E.U die sog. Fortbildungskosten. BENQ hat Mist geliefert und Heidelberger ist kein Opfer der Globalisierung… Den Rest den man heute hört ist unter anderem Progress.

    Progress:
    Beschäftigung
    Sozialschutz und soziale Eingliederung
    Arbeitsbedingungen
    Antidiskriminierung
    Gleichstellung der Geschlechter.

    Jetzt sollte man mal vergleichen was man für Themen auf der Tagesordnung hat.

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  7. „Von den befragten Ökonomen hielt neben Fratzscher nur EZB-Vertreter Jörg Asmussen in seiner Stellungnahme die Anleihekäufe für notwendig.“

    Die Betonung liegt allerdings auf „von den befragten“. Die Auswahl der Experten scheint mir reichlich einseitig zu sein. Wo sind denn Peter Bofinger, Heiner Flassbeck, Beatrice die Mauro …
    Mal davon abgesehen, ich glaube viel mehr, dass alle Experten die Anleihekäufe für notwendig halten um den Bestand der Währungsunion zu gewährleisten, sie sagen bloß, in einer meiner Meinung nach autistischer Art und Weise: die EZB kann zwar den Bestand des Euro garantieren, darf es aber nicht, weil sie ausschließlich Preisstabilität zu wahren habe. Weidmann formuliert es auch so. Wie die EZB allerdings die Preisstabilität von Euro wahren kann wenn der Euro nicht mehr existiert, das bleibt ein Rätsel.

  8. Wirtschaftswurm sagt

    Die Frage ist eher, wie die EZB dauerhaft den Bestand des Euro garantieren kann, wenn sie keine Preisstabilität garantiert.

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