Wirtschaftswurm-Blog

Ungleiche Vermögensverteilung in der Eurozone und seltsame Argumente

Nachdem schon Ende März einige Zahlen durchgesickert waren, gibt es die Studie der EZB zu Finanzen und Konsum der Haushalte seit zwei Tagen offiziell. Seitdem tobt die Diskussion auf den Wirtschaftsseiten und in den Wirtschaftsblogs. Nicht wenigen ist es ein großes Bedürfnis, die Deutschen reicher erscheinen zu lassen, als sie der EZB-Studie nach sind, darunter auch Blogger wie Egghat oder Jens Berger. Hierzu werden auch schon mal seltsame Argumente vorgebracht.

Doch zunächst die Zahlen, um die es geht. Die FAZ hat sie in einer Grafik gut aufbereitet. Demnach beträgt das Medianvermögen deutscher Haushalte 51.000 € und ist damit bedeutend niedriger als im Durchschnitt der Eurozone (109.000 €) und bedeutend niedriger als in Krisenländern wie Griechenland (102.000 €), Spanien (183.000 €) oder gar Zypern (267.000 €). Gemeint ist übrigens immer das Nettovermögen nach Abzug von Schulden.

Nun zu den seltsamen (Gegen-)Argumenten.

So wird kritisiert, dass die Studie den Median verwendet. Nun, der Median gibt die Verhältnisse des Normalos meist besser wieder als der Durchschnitt; denn der Durchschnitt wird bereits durch einige wenige hohe Werte nach oben getrieben.

Aber natürlich findet man in der EZB-Studie genauso Durchschnittswerte. Deutschland liegt mit 195.000 € Durchschnittsvermögen auf Platz 9 von 15. Auch das ist weniger als der Durchschnitt des Euroraums und der einiger Krisenstaaten. Dass der Unterschied zwischen Durchschnitt und Median in der Tat in Deutschland besonders hoch ist, ist auch kein Pluspunkt, deutet es doch auf eine besonders ungleiche Verteilung des Vermögens hin.

Dann wird kritisiert, dass Ansprüche an das Rentensystem in die Vermögensberechnung nicht einbezogen wurden. Dieser Kritikpunkt ist im Prinzip gerechtfertigt. Denn wenn Holger Steltzner (FAZ) meint, solche Ansprüche seien „nicht vergleichbar mit Kapitalbildung über Lebensversicherung, Fonds oder Sparbuch“, dann irrt er. Auch solche Kapitalbildung schafft zunächst lediglich wie die gesetzliche Rentenversicherung Ansprüche für die Zukunft.

Die Frage stellt sich allerdings, ob die Berücksichtigung gesetzlicher Rentenansprüche die Ergebnisse zugunsten Deutschlands ändern würde. In Frankreich z. B. können die Leute schon mit 60 in Rente gehen.

Dann wird bemängelt, dass die Studie nur auf einer Befragung beruhe. Klar, Schwarzgeld in Steueroasen wird kaum einer in den Fragebogen eingetragen haben. Das gilt aber doch wohl für Griechen wie Deutsche gleichermaßen. Den relativen Vergleich dürfte das nicht beeinflussen.

Dass die EZB die Werte für Haushalte statt Einzelpersonen erfragt hat, ist übrigens nicht „unverständlich“, wie Jens Berger meint. Der EZB ging es hauptsächlich darum, grundlegende Anlage- und Konsumentscheidungen zu erfassen. Solche Entscheidungen gelten in der Volkswirtschaftslehre als Sache der Haushalte als Ganzes.

Für einen reinen Statusvergleich, wie er jetzt im Fokus der Öffentlichkeit liegt, ist der Bezug auf die Haushalte trotzdem unbefriedigend, da sich die durchschnittliche Haushaltsgröße in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterscheidet. Aber auch eine Berechnung des Vermögens pro Kopf wäre unbefriedigend. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben kein oder nur ein geringes Vermögen. Durch eine Pro-Kopf-Berechnung würden Länder mit größerer junger Bevölkerung arm gerechnet.

Wirklich unsinnig wird Jens Berger dann, wenn er die Versorgung mit öffentlichen Gütern in einen Vermögensvergleich einbeziehen will. Hallo?! Dann bitteschön sollte man den Mittelmeerländern auch den häufigen Sonnenschein als Vorteil anrechnen.

Richtig ist natürlich, dass jeder Vermögensvergleich eine Momentaufnahme ist. Dadurch wird es zum Problem, dass die Werte in Spanien bereits 2008, also vor dem Platzen der Immobilienblase erfasst wurden, die der meisten anderen Länder dagegen erst 2010.

Falsch wiederum ist, die Vermögensungleichheit damit zu relativieren, dass im europäischen Ausland mehr Leute eigene Immobilien besitzen. (So das IW Köln). Was will man damit erklären? Das gerade ist doch die Vermögensungleichheit!

Fazit: Wie jede Statistik, weist auch die Erhebung der EZB Schwächen auf. Unsicherheiten sollte man allerdings nicht als Vorwand dafür nehmen, sie für irrelevant zu erklären.

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