Wirtschaftswurm-Blog

Griechenlands angeblicher Aufschwung

Den Wiwo-Artikel „Griechenland schuftet fürs Comeback“ wie auch einige andere positive Berichte über das Land in letzter Zeit mag ich nicht unkommentiert lassen. Das fängt schon mit der Frage an, wer bitte schön bei einer Arbeitslosenquote von 27% überhaupt noch schuften darf in Griechenland.

Als Wiwo-Schreiber interviewen wir aber besser keine Arbeitslosen, die können wir mit dem Satz abhaken: „Streiks und gewaltsame Proteste sind weitgehend abgeebbt.“ Besser, wir lassen den griechischen Ministerpräsidenten Samaras zu Wort kommen:

Andonis Samaras

Macht seine Arbeit: der griechische Ministerpräsident Andonis Samaras

„Jene, die noch vor einem Jahr auf Griechenlands Abschied vom Euro wetteten, setzen jetzt auf den Erfolg des Landes.“

Okay, Ministerpräsident Samaras macht also seinen Job und zu diesem Job gehört es, optimistische Reden zu halten. Eine Meldung ist das nicht unbedingt wert; zumal die griechische Regierung bereits verstärkt seit Anfang des Jahres versucht, die Lebensgeister der griechischen Wirtschaft zu beschwören. Siehe „Griechenland hofft auf Ende der Rezession“ vom Handelsblatt Anfang April oder „Griechenland hofft auf Wachstum“ von der Süddeutschen im Januar.

Manche vorgetragenen Fakten, die den Optimismus unterstützen sollten, entpuppten sich in der Vergangenheit außerdem als Nullnummer. So berichtete der Tagesspiegel ebenfalls im Januar von stark gestiegenen Agrarexporten 2012. Das erfreute natürlich, dass die Witterung in Griechenland letztes Jahr günstig gewesen war für die Landwirtschaft. Da aber die Bauern nur 4 % zum BIP des Landes beitragen, hatte es nichts genützt. Am Ende schrumpfte die griechische Wirtschaft um 6,4% 2012.

Auch mit den griechischen Arbeitslosenzahlen wurde 2012 getrickst, wie der Blog Querschüsse herausfand. Das macht skeptisch gegenüber neueren Meldung vom Handelsblatt, im März seien 9.000 Arbeitnehmer mehr eingestellt als gekündigt worden. Wahrscheinlich ein bloßer Saisoneffekt angesichts der beginnenden Tourismussaison zu Ostern. Die Arbeitslosenzahlen gelten als Spätindikator und zeigen als letztes einen Konjunkturaufschwung an.

Fakt ist, im ersten Quartal 2013 schrumpfte die griechische Wirtschaft noch einmal um 5,3 % zum entsprechenden Vorjahresquartal. Saisonbereinigten Daten, die aussagekräftige Wachstumsraten zum direkt vorhergehenden Quartal wiedergeben, veröffentlicht das griechische Statistikamt übrigens nicht. Das wird es wohl demnächst vereinfachen, ein paar irreführende Jubelmeldungen über das griechische Wirtschaftswachstum im Sommer 2013 zu verbreiten. Doch im vom saisonalen Tourismus geprägten Griechenland bedeutet ein Sommerboom noch keinen Konjunkturumschwung.

Immerhin, in den fünf Jahren 2008-2012 ist selbst der Sommerboom in Griechenland ausgeblieben. Und ein wichtiger Frühindikator zeigt schon seit längerem gute Stimmung für das Land an: Der griechische Aktienindex hat sich seit dem Tief Mitte 2012 mehr als verdoppelt.

Doch nach einem stetigen Rückgang der Wirtschaftsleistung über bisher 19 Quartale und um kumuliert 28% ist ein Konjunkturaufschwung mehr als überfällig. Erstaunlich wird darum nicht sein, wenn er vielleicht gegen Ende 2013/Anfang 2014 wirklich kommt, erstaunlich ist vor allem, wie lange er ausgeblieben ist. Die griechische Rezession seit Mitte 2008 zählt bereits zu den längsten der Weltgeschichte.

Und nein! Ein Konjunkturaufschwung nach vielleicht 20 Rezessionsquartalen wird wirklich kein Verdienst der Politik sein, auch wenn uns dann die Politiker in Griechenland und Europa genau dies einreden werden wollen. Wirtschaft bewegt sich immer in Wellen, in Auf- und Abschwüngen. Solche Wellen sind unabhängig von den grundlegenden wirtschaftlichen Problemen und Trends; sie können diese aber für eine Weile überdecken.

Der Kater nach dem schnellen Ende des nächsten Aufschwungs wird umso größer sein. Gut möglich, dass die Enttäuschung dann Europa auseinanderreißen wird.


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8 Kommentare

  1. Pingback: Kleine Presseschau vom 4. Juni 2013 | Die Börsenblogger

  2. Ja da geht es wieder ums liebe Wachstum, da kann euer unbequemer Systemkritiker nicht schweigen.

    Was wenn das mit dem versprochenem Wachstum aus ganz einfachen physikalischen Gründen gar nicht mehr möglich ist?

    Für Wachstum braucht man Öl, das sollte inzwischen allen klar sein. Dieses Suchtmittel der Wirtschaft ist aber auf dem lieben Markt nicht mehr einfach so Verfügbar. Die Krise hat bisher die Nachfrage nach dem klebrigen Grundstoff des Wachstums Weltweit stagnieren lassen.

    Ein Glück, denn die Produktion ist ebenfalls seit 2006 Stagniert (Ein reiner Zufall, dass wenig später die Wirtschaftskrise zuschlägt, aber ich will nicht ablenken).

    Wenn man sich die Abhängigkeit der einzelnen EU Staaten vom Ölimport ansieht merkt man schnell, dass es gerade die Länder die vom Ölimport besonders abhängig sind auch diejenigen sind die von der Krise schwer gebeutelt wurden und werden.

    Die Versicherungsmathematikerin Gail Tverberg hat das hier für uns getan:
    http://ourfiniteworld.com/2012/03/05/why-high-oil-prices-are-now-affecting-europe-more-than-the-us/

    Vielleicht blieb manchen gar nichts anderes übrig als auf dubiosen Finanzmärkten oder über die Fälschung ihrer Konjunkturzahlen Wachstum vorzutäuschen?

    Vielleicht hat ja die ganze Krise gar nichts mit höhe der Löhne, den Staatsausgaben und der Korruption zu tun?

    Wie sagt Gail so schön: Wenn das Öl knapper wird (und/oder wenn sich die Wachstumsträume tatsächlich erfüllen sollten), wird die Frage wer das restliche Öl bekommt immer mehr in den Vordergrund rücken.

    Die Staaten deren Kassen jetzt schon leer sind werden da wohl nur schwer Zugriff bekommen.

    Ach ja, bevor jemand jetzt kommt mit Fracking, Methanhydrit und dem ganzen Blödsinn bitte erstmal hier schlau machen:
    http://ourfiniteworld.com/2013/03/29/how-resource-limits-lead-to-financial-collapse/

  3. Wirtschaftswurm sagt

    „Ja da geht es wieder ums liebe Wachstum, da kann euer unbequemer Systemkritiker nicht schweigen.“ – Tja, tut mir leid, aber du hast das Thema verfehlt. In meinem Blogartikel geht es nämlich gar nicht um langfristige Wachstumstrends, sondern um mittelfristige Konjunkturschwankungen. Das tatsächliche Wachstum kann man ja theoretisch auseinanderdividieren in: Langfristtrend+Konjunkturkomponente+saisonale Komponente+Zufallsschwankung. Auch wenn der Langfristtrend 0 oder sogar negativ ist, kann es zeitweise aufgrund der Konjunkturkomponente zu einem Wirtschaftswachstum kommen. Und genau das steht Griechenland vielleicht bald bevor.
    Mir geht es aber genau darum, dass man den Langfristtrend und die Konjunkturkomponente nicht verwechselt. Denn die Politiker werden genau dann, wenn es in Griechenland wieder Wirtschaftswachstum gibt, dieses als Langfristtrend ausgeben. Samaras Zitat oben zeigt das bereits. Und viele Medien werden genau das unreflektiert wiedergeben. Und genau davor wollte ich, sozusagen präventiv, mit meinem Blogbeitrag warnen.

  4. Pingback: 5 vor 10: Griechenland, Spanien, Spenden, Türkei ,Gold | INSM Blog

  5. Die Medien machen aus „fallender Abwärtsgeschwindigkeit“ gleich eine Erholung. Völlig daneben.

    Die abnehmende Fallgeschwindigkeit ist aber nicht mehr zu übersehen. Nur: Ob -5% auch nur ansatzweise positiv sind, wage ich zu bezweifeln. Es kann sich ändern. Der Tourismus im Sommer wird entscheidend sein: Nimmt die Fallgeschwindigkeit weiter ab oder geht es in unvermindert hohem Tempo weiter.

    Da gilt es zu beachten, dass die Einnahmen aus einer Übernachtung in Griechenland massiv sinken. Leicht steigende Übernachtungszahlen (die sind schon zu sehen) sorgen daher nicht für steigende Umsätze, weil die Hotels so viel preiswerter geworden sind (siehe
    ekathimerini.com | Hotel rates in Greece drop to lowest level in recent years)

  6. Traue keinen Statistiken, die du nicht selbst gefälscht hast.

    Also von Aufschwung kann beim besten Willen nicht die Rede sein. Bekomme das selber Live von der Verwandtschaft in Griechenland ungefiltert mit. Wenn man nur noch 50% verdient, aber selbst für 100g Käse fast 5 EUR zahlen muss, dann ist das alles andere als ein Fortschritt.

    Es wird wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern bis es dort halbwegs normale Verhältnisse gibt, was einen aber nicht überrascht wenn man bedenkt, dass seit den 80er Jahren Griechenland da künstlich mit Milliarden EU Geldern künstlich aufgehübscht wurde.

  7. Blinse sagt

    @Oberbula

    „Wenn man nur noch 50% verdient, aber selbst für 100g Käse fast 5 EUR zahlen muss…“

    Das genau wird der Grund sein, warum GR früher oder später austritt und einen nochmaligen kräftigen Schuldenerlaß bekommt. Anders gehts gar nicht. Jedenfalls nicht, ohne ein Land „leerzufegen.“

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