Hans-Werner Sinn ist nicht nur Ökonom, er kann auch Sachen auf den Punkt bringen: Im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte er: „Wenn Griechenland aus dem Euro austräte, könnte es abwerten und wettbewerbsfähig werden.“ Und weiter: „Wenn Griechenland dagegen eine sogenannte interne Abwertung in dem nötigen Umfang von 20 bis 30 Prozent im Euroraum durch Kürzung von Löhnen und Preisen versuchte hinzukriegen, geriete es an den Rand des Bürgerkriegs.“
Sinn gibt damit nicht atemberaubend Neues zu Protokoll, das ist auch nicht seine Absicht. Er gibt nur grundlegende Lehrbuchökonomie wieder. Danach gibt es zwei Lösungen, wenn eine Volkswirtschaft nicht international wettbewerbsfähig ist: Man macht ihre Produkte billiger, entweder indem man die eigene Währung abwertet (was im Falle Griechenlands eine eigene Währung voraussetzt) oder indem man die Löhne und Kosten kürzt. Einen dritten Weg zu internationaler Wettbewerbsfähigkeit gibt es nicht.
Indem Griechenland eine Währungsabwertung bislang ausschließt, setzt es auf Lohnkürzungen. Während die allerdings bei Staatsbediensteten noch verhältnismäßig einfach durchzusetzen sind, wird es bei den Beschäftigten im privaten Sektor schwierig. In der Praxis kann man Lohnkürzungen und Preissenkungen nur im Zuge einer allgemeinen und schweren Wirtschaftskrise erreichen, wenn also wirklich allen Arbeitnehmern klar geworden ist, dass es um die Existenz geht und nicht um einen Verteilungskampf zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Der Weg der Lohnkürzungen ist also eindeutig der schwierigere, langwierigere und der mit den größeren negativen Folgen. Trotzdem wird es wohl in Griechenland nicht zum Bürgerkrieg kommen, das scheint mir nur eine provokative Zuspitzung Sinns zu sein. Viel wahrscheinlicher ist eine Resignation der Bevölkerung angesichts einer nicht enden wollenden Wirtschaftskrise.
Die jungen, ausgebildeten Kräfte werden dann abwandern. Diese Lösung ist umso wahrscheinlicher, als andere EU-Länder Fachkräfte suchen. Griechenland wird auf diesem Wege ausbluten, nicht durch einen Bürgerkrieg. Das Land, immerhin landschaftlich einer der schönsten Flecke Europas, wird in ein großes Naturschutzgebiet umgewandelt. Es wird allerdings das teuerste Naturschutzgebiet der Erde werden. Denn von den Milliarden, die in diese Ecke Europas geflossen sind, wird nichts zurückkommen.
Die jungen, ausgebildeten Kräfte werden in jedem Fall abwandern. Jeder der die Wahl hat, wird die niedrigen Löhne in Griechenland nicht akzeptieren – sei es durch Lohnkürzung oder indirekt über Inflation. Junge Griechen können meist Englisch und sind nicht so gebunden. Die älteren Generationen haben die Freiheit leider nicht. Das ist auch ein Generationenkonflikt.
Das die Pleite kommt, war ja seit über einem Jahr für jeden bekannt, der es wissen wollte. Leider wurde die Zeit nicht genutzt, um eine Strategie für die Griechen anstatt für die riesige und teils korrupte griechische Bürokratie zu entwickeln. Schon damals schlug ich vor EU-Hilfgelder direkt den Griechen zu geben und die unfinanzierbare Bürokratie via Geldmangel zur Schrumpfkur zu zwingen.
Guter Artikel.
Interessanterweise machen nun ja auch die ersten Pro-Euro-Medien einen Rückzieher. Offensichtlich waren die früheren Bewertungen nur sehr beschränkt rational. Der bundesrepublikanische Pro-Euro-Konsens hat wiedermal jede Vernunft unterdrückt.
Schön, dass nun selbst der Welt die blau-gelben Augen aufgehen: http://www.welt.de/debatte/kommentare/article13361667/Der-Markt-muss-ueber-Griechenlands-Zukunft-befinden.html
@lostgen,
im Falle eines Euroaustritts Griechenlands kann die Wettbewerbsfähigkeit des Landes viel schneller hergestellt werden. Die Arbeitslosigkeit wird sich in Grenzen halten und damit auch die Auswanderung. Natürlich wird trotzdem so manche gut ausgebildete Fachkraft nach Deutschland kommen, aber in einem Rahmen, der für Griechenland noch verkraftbar wäre.
Und das Problem ist, je länger es dauert, bis Griechenland wettbewerbsfähig ist, desto teurer wird es für uns.
@Teufel,
interessant, dass jetzt auch in der Welt eurokritische Artikel erscheinen.
Ich zitiere den Finanzjournalisten Wolfgang Köhler aus dem heutigen Südkurier:
„Wenn Griechenland aus der Eurozone ausschert, werden viele Griechen ihr Erspartes zu retten versuchen und die Banken stürmen. Banken und Unternehmen werden Pleite gehen – mit Auswirkungen auf deutsche, französische und andere Banken, die dann wieder aus Steuermitteln gerettet werden müssen.
Bleibt Griechenland Mitglied der Eurozone, dann geht das nur, indem andere Länder – natürlich aus deren Steuermitteln – die Griechen unterstützen. Das könnte beispielsweise die Form annehmen, dass ein Teil der Schulden Griechenlands gestreckt, ein anderer Teil als uneinbringlich abgeschrieben wird. Auch darunter dürften wieder viele Banken Europas leiden, aber auch deren staatliche Institutionen, die inzwischen massenhaft Griechenland-Anleihen aufgekauft haben. Und wer muss die anfallenden Verluste ausgleichen? Der Steuerzahler.“
Ja, umsonst kommen wir inzwischen nicht mehr raus. Die Frage ist nur, welche Lösung uns die geringsten Kosten verursacht.