Das Wall Street Journal befasst sich aktuell mit der Situation der Wirtschaft in Spanien: „Is Spain’s Experiment About to Succeed?“ Leider typisch für Wirtschaftsjournalisten, kann es Autor Simon Nixon aber nicht lassen, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen.
Der Text beleuchtet die spanischen Wirtschaftsdaten von vielen Seiten, lässt sich aber auch kurz zusammenfassen: Spanien steht ein Wirtschaftsaufschwung bevor und das beweist, dass die Austeritätspolitik im Lande, die strenge Spar- und Reformpolitik richtig war.
Richtig ist: Spanien steht mit großer Wahrscheinlichkeit vor einem Wirtschaftsaufschwung. Überraschen würde mich das zumindest nicht, erwarte ich doch schon seit längerem einen Aufschwung in den Krisenländern, siehe „Mal etwas Optimismus in der Eurokrise“. Die bisher vorliegenden Daten zeigen aber noch keinen Aufschwung an. Im zweiten Quartal 2013 schrumpfte die spanische Wirtschaft erneut. Alles weitere sind lediglich Prognosen.
Ob im dritten Quartal die Wirtschaft wieder wächst, ist also noch nicht sicher. Selbst wenn sie wächst, bleibt aber die Frage, ob es mehr als ein saisonaler Effekt ist angesichts einer starken Tourismussaison. (Vielen Urlaubern sind Länder wie Ägypten oder Tunesien zur Zeit zu unsicher und sie bleiben lieber in Europa.)
Und selbst wenn das Wachstum auch nach dem dritten Quartal anhält, bleibt die Frage, ob das Wachstum hoch genug sein wird, um die Arbeitslosigkeit schnell abzubauen.
Und selbst wenn das Wachstum hoch sein wird, bleibt die Frage, ob es lange genug andauern wird, um die Arbeitslosigkeit drastisch zu senken.
Das sind noch sehr viele Fragen. Erst wenn man alle beantworten kann, kann man auch ein Urteil darüber fällen, ob die spanische Austeritätspolitik richtig war.
Was ich sagen will: Über Sinn oder Unsinn einer Wirtschaftspolitik entscheidet nicht, ob irgendwann nach einer Rezession wieder ein Aufschwung kommt. Ein solcher Wechsel ist der natürliche Lauf der Dinge, so sicher wie die Abfolge von Frühling, Sommer, Herbst und Winter (auch wenn die Dauer von Rezessionen und Booms nicht so gleichmäßig ist wie die der Jahreszeiten). Simon Nixons Argumentation im Wall Street Journal ist genauso, als ob man nach einem Wintereinbruch verkündet, die Eindämmung des Klimawandels hätte endlich Erfolg gehabt.
Ob die Austeritätspolitik in Spanien sinnvoll war, kann man aufgrund der Daten erst feststellen, wenn man mindestens einen Konjunkturzyklus als Ganzes betrachtet. Und zumindest die erste Hälfte des Konjunkturzyklusses in Spanien, die Rezessionsphase, war verheerend. Da bräuchte es jetzt einen Super-Aufschwung, um das Urteil doch noch zum Positiven zu wenden.
Apropos Austeritätspolitik. Heute Abend diskutieren darüber Dirk Elsner (Blicklog), Patrick Bernau (FAZ) und Mark Dittli (Züricher Tagesanzeiger) in einer virtuellen Podiumsdiskussion. Man kann sie wohl ab 20 Uhr unter anderem im Nebelhorn-Radio der Piratenpartei verfolgen. Ich bin gespannt.
Titelbild: Spanische Flagge
nach 0 gehts immer bergauf.. nach 1 plus 1 sind 100 % mehr
gruss georg
In jedem der Berichte wird vergessen, dass der Euro und damit die Wirtschaftszone nicht aus einem Einzelland besteht und dabei die internen Kapital – / und Produktionsverlagerungen völlig ausgeblendet werden. Welchen Sinn macht also die isolierte Betrachtung eines Einzellandes? Richtig, gar keinen !
Wenn in Spanien im letzten Monat die PKW Produktion um rund 8 % getiegen ist, dann stellt sich für einen ehrlichen VWLer automatisch die Frage nach dem Hintergrund. Dieser ist im vorliegenden Fall mit der Verschiebung von Produktionskapazitäten innerhalb der Eurozone erklärbar, weil zwischenzeitlich die Kosten für den „“ Faktor Arbeit , sprich der in Lohn stehenden Menschen mittels Austeritätspolitik ( Lohnsenkung und Entlassungen ) gesenkt wurde.
Dafür dürfte die Produktion in anderen Ländern zurück gefahren worden sein, was die Gesamtzahlen bestätigen. da sie insgesamt signifikant rückläufig sind.
Die Erkenntnis aus diesem Zusammenhang?
Bei rückläufigen Gesamtzahlen in verschiedenen inhomogenen Ländern, die einer Einheitswährung unterliegen, kommt es zwangsweise zu Umverteilungen hin zu vermeintlich schwachen Volkswirtschaften
( verwehrte Währungs-Abwertung ) von vermeintlich starken Volkkswirtschaften ( verwehrte Währungsaufwertung ). Die zu erwartenden Verwerfungen versucht man über sozialistische Maßnahmen zu unterbinden, was in der Geschichte des Geldes immer misslang, um eine politische Agenda der Zusammenführung völlig unterschiedlicher Mentalitäten zugunsten einer kleinen Hochfinanz- / und Industrieoligarchie durchzusetzen.
Das geht in´s Auge und endet im Bürgerkrieg.
@marko fricke,
eine Umverteilung hin zu vermeintlich schwachen Volkswirtschaften ist aber doch im Sinne des Abbaus von Ungleichgewichten erwünscht. Indem man Ab- und Aufwertungen verwehrt, wird diese Umverteilung jedoch schwieriger.
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@Marko Fricke
Auf den Punkt gebracht! Damit ist alles gesagt.
@Arne Kuster:
„…eine Umverteilung hin zu vermeintlich schwachen Volkswirtschaften ist aber doch im Sinne des Abbaus von Ungleichgewichten erwünscht.“
Ja, laß uns wirtschaftlich abrüsten, damits den anderen besser geht. Das wird was : D
Also gut, ich bekenne: Ich will das nicht.
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