Die Europäische Zentralbank hat sich mit dem OMT-Programm in ein großes Dilemma gebracht. Die Befürworter des Programms verstehen das nicht.
Manche Experten verstehen das OMT-Programm der EZB als wirksamen Schutz gegen eine Zins-Schulden-Spirale, die am Ende Krisenländer in eine vermeidbare Insolvenz treiben würde. Diesen Standpunkt vertritt insbesondere Wirtschaftsblogger Alex Hummel in seinem Beitrag: „EZB, OMT und multiple Gleichgewichte“. In Teil I dieses Artikels habe ich bereits darüber berichtet.
Doch schauen wir uns Alex wichtigste Grafik noch einmal an. Die X-Achse gibt den Nominalzins einer Staatsanleihe wieder, die Y-Achse den davon abhängigen risikoadjustierten Zins.
Es gibt selbst im durch die Grafik beschriebenen Fall, Alex nennt ihn das „italienische Szenario“, einen sehr breiten stabilen Bereich. Der aktuelle Marktzins für eine Anleihe kann sich weit vom Gleichgewichtszins A entfernen, z.B. aufgrund von Panik und Herdentrieb an den Börsen, er würde trotzdem mittelfristig wieder zum Gleichgewichtszins zurückkehren. Nur im Extremfall, wenn der Marktzins über B hinausschießt, setzt die Zins-Schulden-Spirale ein. Das verdeutlichen auch die schwarzen Pfeile. (Nähere Erklärungen in Teil I.)
Es gibt aber nicht nur das „italienische Szenario“. Alex selbst beschreibt den alternativen Fall, nämlich das „griechische Szenario“. In diesem Fall liegt der risikoadjustierte Zins immer unter dem risikolosen. Alex zweite Grafik zeigt das. Unabhängig davon, wie weit der Kurs bereits gefallen bzw. der Zins gestiegen ist, die Anleger werden die Anleihe meiden. Der Staat kann sich bald nicht mehr refinanzieren. Die Pleite ist unausweichlich.
Setzt nun die EZB im „griechischen Szenario“ mittels OMT-Programm faktisch einen Maximalzins, was gleichbedeutend mit einem Mindestkurs ist, zu dem sie unbeschränkt aufkauft, so wird sie am Ende den ganzen Markt leer kaufen müssen. So übernimmt sie auch vollständig das Risiko der Staatspleite.
Das große Dilemma der EZB beim OMT-Programm ist nun, das italienische vom griechischen Szenario zu unterscheiden. Die Erfahrung in der Eurokrise zeigt dabei gleich: 2012 hatte sich die EZB bis zuletzt geweigert, die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts bei den privaten Gläubigern Griechenlands anzuerkennen. Das gibt zu denken, was ihre Urteilsfähigkeit (oder vielleicht besser: ihren Urteilswillen) anbelangt.
Nun glaubt allerdings Alex Hummel, dass die Bedingungen, die die EZB für ein Eingreifen im Rahmen des OMT-Programms formuliert hat, ausreichend sind, um das (ja eigentlich eher seltene) italienische Szenario herauszufiltern. In diesem Zusammenhang verweist er auf den Punkt, dass Staaten Zugang zum Kapitalmarkt haben müssen, um in den Genuss des Programms zu kommen. Diese Bedingung gilt allerdings schon nicht mehr bei neu an den Rettungsschirm angeschlossene Staaten wie Zypern.
Sind griechische Anleihen überhaupt von OMT ausgeschlossen? Tatsächlich kann Griechenland ja Sechsmonatsanleihen am Kapitalmarkt platzieren. Gleichzeitig gilt aber ein zweiter Schuldenschnitt bei griechischen Anleihen unter Experten als sicher.
Was Alex Hummel allerdings vor allem verkennt: Die Risikostruktur der Anleihen verändert sich bereits allein durch die Existenz des OMT-Programms. Das macht „griechisches“ und „italienisches“ Szenario letztlich nicht mehr unterscheidbar. Um das zu erläutern, brauche ich aber noch einen dritten Teil, in dem ich dann (wieder) etwas rechnen muss. Also morgen bitte weiterlesen!
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