Wirtschaftswurm-Blog

Diskussion um das OMT-Programm – Teil III: Die Pervertierung der Kapitalmärkte durch OMT

Eurotower

Die Europäische Zentralbank verweist gerne auf die harten Bedingungen für ihr OMT-Programm. Modellrechnungen zeigen allerdings, dass die Bedingung, dass ein Staat Zugang zum Kapitalmarkt haben muss, um vom OMT-Programm zu profitieren, auch sichere Pleitestaaten erfüllen können. Allein die glaubhafte Ankündigung, dass die Zentralbank notfalls eingreifen wird, macht die Anleihen eines Pleitestaates begehrt.

In Teil I dieses Artikels hatte ich anhand einer Beispielanleihe vorgeführt wie man den entscheidenden risikoadjustierten Zins berechnet. So konnte ich ausrechnen, dass, wenn der Markt einen risikoadjustierten Zins von 1,5% fordert und die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls einer Staatsanleihe 5% ist, sich ein Nominalzins von 6,8% einstellen muss.

Nehmen wir nun an, eine Anleihe mit Nominalzins 6,8% würde neu emittiert mit einem Ausgabekurs von 100€. Nehmen wir aber weiter an, die geschätzte Ausfallwahrscheinlichkeit sei nicht 5%, sondern 25%. Wir gehen also von einem „griechischen Szenario“ aus, wie ich es in Teil II dieses Artikels beschrieben habe. Der risikoadjustierte Zins berechnet sich dann als:

75%*6,8%+25%*(-100%) = -19,9%

-19,9% liegt nun weit unterhalb der +1,5%, die annahmegemäß der Markt fordert. So würde niemand die Anleihe kaufen wollen, und aufgrund der fehlenden Nachfrage muss ihr Kurs sinken. Man kann berechnen, dass sich ein risikoadjustierter Zins von 1,5% erst bei einem nominalen Zins von 35,3% statt 6,8% ergibt bzw. dass der Kurs der Anleihe von 100€ auf 19,24€ fallen muss.

Jetzt kommt jedoch das OMT-Programm ins Spiel. Durch OMT setzt die Europäische Zentralbank einen Maximalzins bzw. einen Mindestkurs für die Staatsanleihe. Angenommen, der von der EZB akzeptierte Maximalzins läge bei 7,55%. Dann muss sie einschreiten, sobald der Kurs der Anleihe von 100 auf 90 fällt und sie muss alle zu einem Kurs von 90 angebotenen Anleihen aufkaufen.

Mit OMT-Programm kann sich der Anleger also sicher sein, dass er seine Anleihe immer zu einem Kurs von mindestens 90 loswird. Bei einem gegenwärtigen Kurs von 100 beträgt der maximale Ausfall demnach nicht 100%, sondern nur 10%. Und der risikoadjustierte Zins beträgt nun nicht mehr -19,9%, sondern +2,6%, denn:

75%*6,8%+25%*(-10%) = 2,6%

Dank des hohen risikoadjustierten Zinses würde die Staatsanleihe zu einem Kurs von 100 reißenden Absatz finden und der Kurs würde in der Folge über 100 steigen.

Allein die Existenz des OMT-Programms erhöht den risikoadjustierten Zins . Im Diagramm für das griechischen Szenario (Teil II dieses Artikels) verschiebt sich also die rote Kurve des risikoadjustierten Zinses nach oben. Damit wird aus dem „griechischen Szenario“ aber ein „italienisches Szenario“(Diagramm ebenfalls in Teil II). Und aus dem sicheren Pleitekandidaten, dem niemand mehr Geld leihen will, wird ein Staat mit Zugang zum Kapitalmarkt.

Die Existenz des OMT-Programms selbst schafft bereits die Bedingung, die für seinen Einsatz formuliert wurden, nämlich Marktzugang. Die angeblich harte Bedingung ist also eine, die dank OMT (und nur dank OMT) fast immer erfüllt werden kann.

Auch gut, werden einige jetzt sagen. Wenn durch OMT kein Eurostaat mehr pleitegehen kann, brauchen die Märkte auch keine Pleiten mehr in ihre Kalkulation einzubeziehen. Das ist aber aus mindestens zwei Gründen eine gefährliche Pervertierung des Kapitalmarktes:

  1. OMT verzerrt die Märkte. Staatsanleihen aus Krisenstaaten werden begünstigt. OMT lässt ihre Kurse rapide steigen. Das Geld dafür muss aus anderen Anlageformen abgezogen werden. Unternehmen werden es tendenziell schwieriger haben, an Geld zu gelangen, und zwar besonders Unternehmen aus Nicht-Krisenländern.
  2. Die durch OMT geschaffenen günstigen Finanzierungsbedingungen vermindern die Anreize, die Staatshaushalte der Krisenländer in Ordnung zu bringen. Und die politisch ausgehandelte Anpassungsprogramme des ESM bedeuten keinen gleichwertigen Ersatz für solche Anreize. Der risikoadjustierte Zins ist aber auch von der Staatsschuldenquote abhängig und sinkt, wenn diese steigt. Nachdem OMT die rote Kurve des risikoadjustierten Zinses erst nach oben verschoben hat, wird die dann steigende Staatsschuldenquote sie langfristig wieder nach unten ziehen. Das zunächst behobene „griechische Szenario“ stellt sich wieder ein. OMT endet dann damit, dass die Zentralbank letztlich alle Anleihen übernimmt, damit die gesamte Finanzierung der Staatsschulden und das gesamte daraus resultierende Risiko.

Titelbild: Eurotower Frankfurt, Sitz der Europäischen Zentralbank


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4 Kommentare

  1. Pingback: Kleine Presseschau vom 22. August 2013 | Die Börsenblogger

  2. Pingback: Diskussion um das OMT-Programm – Teil II: “Italienisches” oder “griechisches” Szenario? | Wirtschaftswurm

  3. Arne Kuster sagt

    In seiner Erwiderung bemängelt Alex Hummel, dass ich nur auf die Kostenseite des OMT-Programms schaue, nicht aber auf seinen möglichen Nutzen. In der Tat, obwohl ich mir dazu urspünglich einen Stichpunkt gemacht hatte, ist dieser Aspekt nicht erwähnt. Man kann es aber auch kurz machen: Ein Bankrott ist in einer Marktwirtschaft etwas ganz normales. Selbst der Schuldenschnitt eines Staates führt nicht in die wirtschaftliche Katastrophe, noch nicht einmal zu einem Zusammenbruch des Euros. Was ist denn passiert, als Griechenland im Frühjahr den Schuldenschnitt durchführte? Nichts! Auch von dieser Seite betrachtet, muss die EZB nicht eingreifen.

  4. Nun, ich mache es (relativ) kurz 🙂 :

    Ein privater Bankrott ist in der Tat (meistens, wenn es sich nicht um eine Großbank handelt, wie wir alle hoffentlich gelernt haben) etwas ganz normales, es Staatsbankrott weniger – weil es den Staat und damit auch die Marktwirtschaft schwer destabilisieren kann. Italien und Spanien sind ein wenig größer als Griechenland – anders gesagt wenn mir ein (kleiner) Stein auf den Kopf fällt, werde ich das höchtswahrscheinlich überleben (aber nicht sicher), wenn es aber ein Balkon ist (passiert in meinem Geburtsland regelmäßig), stehen meine Chancen bedeutend schlechter (obwohl auch nicht hoffnungslos).

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